...den zwei Knubbeln, die danach übrigbleiben, der Fähigkeit zu
lieben und davon, dass Hörner
nachwachsen

Etwas ausgelaugt von einer anstrengenden, aber erfolgreichen,
Arbeitswoche chattete ich gestern Abend ein wenig mit meiner lieben
Blogger-Kollegin Esperame über das Leben, die Arbeit und unter
anderem eben auch (surprise!) über Pick Up. Und während ich mir mal
wieder selbst ein Schaf zeichnete, malte Espe mir - mit Worten
natürlich, anders geht das ja in einem Chat nicht – ein so schönes
Bild zu diesem Thema, dass ich es euch einfach nicht vorenthalten
kann, und sie hier einmal zitieren will:
Ich habe gestern einem Freund erklärt, dass Pick Up wie Reha
ist.
Deswegen brauchen manche nur ein paar sportgymnastische Übungen
und dann gehen sie hinaus in die Welt und sind gute Sportler.
Und andere, die bleiben in der Reha, ein Leben lang, und machen
da Wettkämpfe mit anderen Patienten…
Und sie sind da vielleicht die großen Champions...
Aber es bleibt doch Behindertensport.
- Esperame Robinson
Als ich mit meinem Schaf fertig war und den Wachsmalstift
weggelegt hatte, dachte ich nochmal über Esperames Bild nach. Ich
fand es nicht nur saukomisch, sondern eigentlich auch, in ganz
verschiedenen Bedeutungen, eine ziemlich spannende Betrachtung des
Ganzen. Wenn Pick Up wie Reha ist, ist Dating dann der 'wahre' Sport?
Oder ist es das Führen einer Beziehung? Das Sich-wirklich-Einlassen
auf einen anderen Menschen? Ist das andere tatsächlich nur eine
Vorbereitung, eine Vorstufe, bestenfalls eine Trockenübung für den
richtigen Wettkampf? Ist es für manche sogar wirklich nur ein
isolierter, von der Realität abgetrennter Versuchsaufbau, in dem sie
sich so weit in die 'Gefahrenzone' zwischen Mann und Frau hineinwagen
können, wie ihre Behinderung es eben zulässt? Eine Imitation
dessen, was zwischen Menschen passieren könnte, wenn sie Gefühle
füreinander hätten - aber abzüglich all der Gefahren, die diese
Gefühle eben mit sich bringen würden. Abgesichert, weil es einem ja
eben eigentlich doch scheißegal ist, wer das Gegenüber wirklich
ist. Und sollten Gefühle auftreten, drückt man den roten
Schwesternknopf und schreit laut 'NEXT'. Oder ist es die
Krankengymnastik, das langsame Wiederholen der immer gleichen Übung,
bis man sich sicher genug fühlt, um sich auf das wirkliche Rennen,
die Beziehung mit einem anderen Menschen, einzulassen? An diesem
Punkt der Überlegung schlief ich ein. Das Schaf auch.
„
Ich wünsche dir auch einen guten Morgen“, antwortete die
Rose.
Seit ich heute morgen aufgewacht bin, lässt mich der Gedanke an
die 'Dating-Reha' nicht mehr los. Ich musste an zwei andere Aussagen
denken, die ich in vor einiger Zeit mal gelesen hatte. Beide
beschreiben das gleiche Bild nur aus unterschiedlichen Perspektiven.
Sie stammen von einem Mann und einer Frau, wobei das für die
Aussagen egal ist und die Personen, bzw. die Geschlechter der
Personen, austauschbar sind. Sie waren inhaltlich ungefähr folgende:
„
Ich will mich erst mal ausleben und später, wenn ich das
getan habe, fange ich dann eine feste Beziehung an“
„
Ich will einen Partner, der sich ausgetobt hat und danach
wirklich weiß, was er will. Anstatt einen, der mir später dann
irgendwann fremdgeht“
Beide Aussagen begegnen einem in ähnlichen Formulierungen, wie
ich finde, relativ häufig. Die Vorstellung dahinter ist klar. Im
einen Fall beschreibt jemand, dass er sich erst mit vielen
wechselnden Partnern sexuell ausleben möchte, um sich dann, wenn
seine Neugier gestillt ist, auf eine feste Beziehung einzulassen. Die
andere Aussage beschreibt das gleiche Bild nur eben aus einer anderen
Perspektive. Hier wird ein Partner gesucht, der sich sexuell bereits
ausgetobt hat und dadurch, so die Annahme, nun weniger 'anfällig'
für Seitensprünge und Abenteuer, und bereit für eine treue, feste
Beziehung ist. Auf den ersten Blick klingen diese Ansätze schlüssig.
Doch desto mehr ich im Einzelnen darüber nachdenke, desto
unlogischer erscheinen sie mir.
Die erste Aussage beschreibt jemanden, der Spaß daran hat, Sex
mit verschiedenen Menschen zu haben; ohne Beziehung, und vor allem
auch ohne jegliche emotionale Bindung. Und so wie ich es verstehe,
macht der zweite Teil der Aussage auch nur dann Sinn, wenn man
Emotionen zwischen Menschen sowohl beim Sex, als eben auch beim
finden eines festen Partners, komplett außer Acht lässt. Denn diese
zweite Hälfte der Aussage suggeriert, dass das Eingehen einer festen
Beziehung einzig und allein eine rationale Entscheidung dieser Person
ist. Dass man eine Beziehung aus Liebe eingeht, sich binden möchte,
weil man sich verliebt hat, wird hier komplett ausgeblendet. Dann
würde diese 'Planung' nämlich auch schon gar nicht mehr
funktionieren, weil genau das - das Verlieben – eben jenseits, und
oft entgegen, jeder rationaler Entscheidung passiert. Der Liebe ist
es scheißegal, ob du dich 'bereit' fühlst, oder ob sie gerade in
deine Lebensplanung passt. Und es ist ihr genauso scheißegal, ob du
dich jetzt entschlossen hast, eine feste Beziehung zu wollen. Ob und
wann dir der Mensch begegnet, mit dem du deine 'Plan-Beziehung'
führen willst, und ob ihr euch verliebt, lässt sich eben weder im
Voraus planen, noch ab einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden.
Natürlich lässt sich die Ratio soweit überzüchten, dass du dir
selbst, in dem Moment in dem du Gefühle für jemanden entwickelst,
oder dir eine Beziehung wünschst, einfach verbietest dies
zuzulassen; du gehst auf Abstand und entziehst dich der Situation.
Nur: Wie ehrlich ist dieses Verhalten dir selbst gegenüber? Wie
ehrlich ist es deinen Emotionen gegenüber?
Bekanntlich gibt es auch Menschen, und zwar nicht wenige wenn man
mal darauf achtet, die sich einfach nur eine feste Beziehung wünschen
- oder besser eine Beziehung brauchen - und so eigentlich mit jedem
Menschen, den sie kennenlernen eine Beziehung eingehen können, und
oft auch tun. Bei solchen Menschen geht es um die Beziehung als
Konstrukt oder Lebenssituation und nicht um den Partner, die
Emotionen oder die besondere zwischenmenschliche Verbindung zu ihm.
Der Partner ist für solche Personen oft erschreckend leicht
austauschbar; Hauptsache man hat eine Beziehung und ist nicht
'allein'. Wenn man genauer hinsieht, sind gerade solche Menschen, mit
oder ohne Beziehung, in sich selbst aber oft extrem allein.
Und genau hierin ähneln sich nun die beiden Systeme wieder
extrem. Der eine Mensch, der sich selbst Emotionen (oder zumindest so
starke Emotionen, dass er den Wunsch verspürt, sich zu binden)
verbietet, und der andere, der fast unabhängig von seinen wahren
Emotionen oder dem Partner, ständig auf eine feste Bindung drängt,
weil er abhängig davon ist, in einer Partnerschaft zu leben. Beide
fürchten in einen Zustand zu geraten, in dem sie scheinbar die
Kontrolle über ihr Fühlen verlieren. Beide haben Angst vor
Verletzungen. Der eine hat Angst alleine zu sein, auf sich selbst
zurückgeworfen zu werden, gezwungen zu sein, sich mit sich selbst
auseinanderzusetzen. Der andere hat Angst, Kontrolle über sich und
seinen Emotionen zu verlieren, verletzlich zu werden, in Teilen
abhängig von den Entscheidungen und dem Handeln einer anderen
Person. Beide bilden sich ein, sich frei zu fühlen. Aber beide sind
unfrei in ihrer eigentlichen Abhängigkeit, ihrer Unfähigkeit, ihren
Zustand gegen einen anderen aufzugeben - den Schmerz nicht riskieren,
oder nicht zulassen zu können.
Der zweite Satz hingegen beschreibt den Gedanken, einen Partner zu
finden, der sich sexuell bereits 'ausgelebt' hat und die damit
verbundene Hoffnung, dieser würde dann weniger den Wunsch verspüren,
fremdzugehen oder in der Beziehung zu betrügen. Hält dies der
Realität und unseren Erfahrungen stand? Ich finde nicht. Nach meiner
Erfahrung, gehen Menschen in den meisten Fällen nicht deswegen
fremd, weil sie VOR der Beziehung zu wenig Partner oder Sex hatten.
Sie gehen fremd, weil WÄHREND ihrer Beziehung etwas nicht stimmt,
sie sich unbefriedigt fühlen, oder sich etwas zum negativen
verändert hat. Es ist oft eher ein Hilferuf oder Warnsignal, dass in
der Beziehung aktuell etwas nicht in Ordnung ist.
Ein anderer Grund kann sein, dass jemand sowieso das Bedürfnis
oder die Veranlagung hat, mit vielen wechselnden Partners Sex zu
haben. Meines Erachtens sollten solche Personen dies von Beginn der
Beziehung an aber offen kommunizieren und gar nicht erst eine
monogame Beziehung eingehen. Mag vielleicht sein, dass das eine Zeit
lang gut geht, weil derjenige oder diejenige sich vor der Beziehung
die entsprechenden 'Hörner abgestoßen' hat, aber diese Art von
Horn, soviel ist klar, wird schnell nachwachsen und dann eben doch zu
genau dem Konflikt führen, der hier eigentlich vermieden werden
sollte.
Die Angst, in einer Beziehung verletzt zu werden, ist normal und
wird mit schlechten Erfahrungen im Laufe des Lebens oft nicht
kleiner. Belogen zu werden ist, gerade in einer Beziehung, wo es ja
um Vertrauen geht und man sich öffnet, besonders schmerzhaft. Aber
lässt sich dieses Risiko tatsächlich dadurch mindern, dass man
einen Partner findet, der vor der Beziehung ein besonders
ausschweifendes Sexualleben hatte? Ich persönlich wurde, wie viele
andere auch, in einigen Beziehungen belogen und habe dafür oft die
Schuld in mir oder der Beziehung gesucht. Antworten fand ich aber in
den meisten Fällen vor allem bei einem Blick in die Vergangenheit
dieser Partnerinnen und, wenn der Kontakt noch bestand, später auch
bei Gesprächen über ihre Beziehungen nach mir. Meiner Erfahrung
nach, gibt es einfach Menschen, die in Situationen, die für sie
unangenehm sind, zu einer Lüge greifen. Diese Menschen haben das
meist in früher Kindheit gelernt und nie geschafft es abzulegen. Sie
haben vor allem ihre Eltern, oft ihre Freunde und später eben ihre
Partner immer dann belogen, wenn es für sie sonst zu einem größeren
Konflikt gekommen wäre. Ich habe diese Erfahrung allerdings sowohl
mit Frauen gemacht, die vor mir viele wechselnde Partner hatten, als
auch mit Frauen, die lange Beziehungen bevorzugten. Meiner Meinung
nach hat dies überhaupt nichts damit zu tun, ob und in welchen
Situationen ein Mensch lügt oder fremdgeht.
„
Adieu,“ sagte der Fuchs.
Sicher ist ja mal vor allem, dass
immer alles anders kommt und so weiter. Daher kann es dem wilden
Aufreißer nämlich irgendwann, bei einem beliebigen One-Night-Stand,
doch passieren, dass er sich plötzlich und ungewollt richtig heftig
verknallt. Vorausgesetzt, er schafft es seine Angst vor Verletzung
soweit zu drosseln, dass sein Herz nach dem Club noch mit ins Taxi
steigt und nicht an der Bar sitzen bleibt. Zu wünschen wäre es
einigen auf jeden Fall. Und genauso kann ein anderer, der sich nach
der großen Liebe sehnt, plötzlich den Spaß am unverbindlichen,
fiesen, kleinen Fick entdecken. Erzwingen lässt sich beides nicht.
Offen sollte man aber zumindest für alles sein.
Ich bin ja zu Beginn dieses Blogs
eigentlich genau dazu losgezogen. Um eine wilde Zeit zu starten und
reichlich bedeutungslosen Sex zu haben; eben um mir die besagten
Hörner abzustoßen. Nicht, dass ich nie kurze Affären gehabt hätte,
aber gegen die festen Beziehungen in meinem Leben, waren sie eben
immer die Ausnahme. Ich dachte ich müsste das machen. Klang ja auch
logisch. Aus irgendeinem Grund ist aus dem 'Abstoßen' aber nichts
geworden. Vielleicht habe ich ja auch gar keine Hörner... Das würde
zumindest die Kopfschmerzen erklären, mit denen ich am nächsten
Morgen immer aufwache, anstatt mit der heißen Frau, die sich nur
schnell verabschieden will. Vielleicht bin ich da einfach behindert.
Oder vielleicht hat diese Hörner auch nicht jeder. Ich weiß es
nicht. Eigentlich ist es auch egal. Denn das Abstoßen würde, so wie
ich es sehe, ja auch weder mir noch jemand anderem etwas bringen.
Letztendlich ist nur wichtig, dass man sich keiner Option
verschließt, raus geht und offen bleibt für alles was so passieren
kann. Und wenn man bisher überhaupt etwas aus meinem Blog lernen
konnte, dann das:
Wenn du gerade so ganz und gar nicht
danach suchst und nichts erwartest... dann, genau dann, passiert
nämlich..... auch nichts.
Ja... So schaut's mal aus. Ganz
schön viel Philosophie für einen Samstag Nachmittag. So, ich
male jetzt jedenfalls noch ein Schaf und dann geht es heute Nacht mal
wieder auf die Piste. Ich bin schon sehr gespannt, welche
Überraschungen die Nacht, das Leben und die
Berliner-Pilsner-Brauerei für mich bereithalten.
In diesem Sinne: Packen wir die Sache bei den Hörnern!
Elia.