30. Januar 2013

Katzenjammer

Oder: Ab wann ist man eigentlich ein manipulierendes Arschloch?


In den dunklen, grausamen Nächten wenn der fiese, kalte Wind der Einsamkeit die jungen Pick Up Artists in kleinen Gruppen an die wärmenden Lagerfeuer treibt erzählen sich die tapfersten Krieger gar gruselige Geschichten. Viele handeln von boshaften LSE-LD Monstern, unlösbaren Shit-Tests und unüberwindbaren Bitch-Shields. Doch manchmal, wenn es ganz spät in der Nacht ganz still wird am Feuer, dann flüstern sich die kleinen Artists die geheimnisvollsten aller Legenden zu. Die Geschichten, von denen sich niemand zu sagen traut, ob sie wahr oder nur erfunden sind. Die Geschichten über die gefährlichste aller menschenfressenden Katzen. Die PUA-Fressende Pick Up Cat. Der Legende nach treibt sie sich an den dunkelsten Rändern der Foren und Blogs herum um auf ihre Beute zu lauern. Sie wartet im Schutz der Dunkelheit auf die jüngsten, unerfahrensten und unvorsichtigsten Arstists des Rudels. Und wenn diese sich, um miteinander fröhlich im Schmutz zu spielen und zu tollen, vom Schutz der Herde entfernen, schlägt sie blitzschnell und mit tödlicher Präzision zu. Doch bis heute konnte niemand unter den Lebenden von der Begegnung mit dieser Spezies berichten. Bis heute.

Es war Mitte letzter Woche als ich begann mit einer jungen Katze zu schreiben. Es war ein fieser, kalter Tag und ich hatte es mir mit viel Arbeit und wenig Lust vor dem Computer gemütlich gemacht. Für mich war es zunächst eine willkommene Ablenkung von der langweiligen Computerarbeit und so begannen wir prompt eine recht witzige Unterhaltung. Doch aus den frechen Sprüchen entstand schnell ein deutlich flirtender Tonfall. Wir warfen uns, wie man es mit Katzen nunmal so macht, abwechselnd die Wollknäuel zu und kaum hatte ich mich versehen befand ich mich auch schon in einer ziemlich aufgeladenen und bis zum Rand mit sexuellen Anspielungen angefüllten Unterhaltung. „Die Mieze kann in jedem Fall spielen“ dachte ich mir noch und schon waren wir am Chatten. Und das war noch nicht alles. Vehement schnurrend und maunzend verlangte der freche Stubentiger nach mehr Wolle und noch mehr Spiel und so schrieben wir den ganzen Abend hindurch und bis spät in die Nacht.

Ziemlich verwirrt ging ich um Drei oder Vier schließlich ins Bett. Als ich am nächsten Morgen meinen Rechner anschmiss um mich nun endlich meiner Arbeit zu widmen, zuckte ich plötzlich zusammen. Da strich mir doch schon wieder etwas kleines, Haariges schnurrend um die Beine. Und damit war es auch schon aus mit meinem Vorhaben etwas produktives aus dem Tag zu holen. Ich kam nur noch extrem schleppend mit meiner Arbeit voran und schrieb stattdessen den ganzen Tag nebenbei mit meiner neuen getigerten Freundin. Doch nicht nur der Tag war ein anderer auch unsere Unterhaltung hatte einen anderen Vibe. Statt um fiese kleine Zweideutigkeiten, zwischen dem erfolglosesten Autor eines Pick Up Blogs in dieser Galaxie und einer jungen Cat, drehte sich unser Gespräch schnell um uns beide als “echte“ Personen. Was mir für meinen Teil zumindest vollkommen neu war. Bisher hatte ich mein übriges Leben streng von der Person aus dem Dating-Blog getrennt. Sie hingegen ließ sich recht schnell die Information aus dem Fell kraulen, dass ich durchaus nicht der erste meiner Sorte war, den sie auf Grund seiner schriftlichen Ergüsse im Internet angemaunzt hatte und dass sie mindestens einen unserer Artgenossen so auch schon zwischen ihre Samtpfoten bekommen hatte. „Fressen manche Cats doch heimlich PUAs?“ schoss es mir durch den Kopf.

Ich fühlte mich sowohl von diesem Gedanken als auch von ihrer extrem direkten Art gleichzeitig abgestoßen und angezogen. Das Mädel war extrem unterhaltsam und seltsam beunruhigend in einer fast perfekten Mischung. Ich war kurz davor komplett zu vergessen, dass ich eigentlich vor hatte in meinem Leben auch noch ein wenig Karriere zu machen als sie mir prompt das nächste zerbissene Knäuel Wolle zuschmiss. Nur dass mir dieses Wollknäuel ziemlich im Hals stecken blieb. Ihr Alter.
Hustend versuchte ich den kratzigen Klumpen wieder nach oben zu würgen und gleichzeitig darauf klar zu kommen wie blutjung der kleine PUA-Jäger eigentlich war. Als ich mich halbwegs gefangen hatte versicherte ich mich nochmal kurz, dass ich mich auch nicht verhört hatte. Die Cat war ein Kätzchen. Ein Lolita-Kätzchen um genau zu sein. Wie jeder normale Kerl mit einem Funken Rest-Moral im Universum fing ich erstmal an zu rechnen. Die berühmte Rechnung. Und ja. Verdammt. Es war knapp. Aber ja. Rein theoretisch wär's drin gewesen. Rein theoretisch. Hätte ich mit meiner ersten Freundin mit der ich auch Sex hatte ein Kind bekommen... Oh ja, dann wäre es jetzt ganz genau so alt wie das kleine gut gelaunte Fellknäuel mit dem ich hier so heiter am Spielen war. Boom! Autsch. Und wie jeden Typen, der diese Rechnung aufmacht, sah mich die Rechnung grimmig und finster an und zeigte mit einem dicken, fetten, hässlichen Finger mitten in mein Gesicht wie der Typ auf den “I Want You“-Postern der US-Army.

Doch für den Moment war es zu spät für mein Gehirn, um noch klar und rational zu reflektieren. Lolita hatte irgendwas in ihrer Persönlichkeit, dass so dunkel und traurig auf mich wirkte, dass es den Teil in mir magisch anzog, wegen dem ich die letzten 15 Jahre meines Lebens in Atemluft raubenden, blutigen Beziehungen mit mittel bis komplett gestörten Kindfrauen verbracht hatte. Ich war mir schlagartig sicher: Wäre ich diesem Mädchen als Zwanzigjähriger begegnet, hätte sie mich Backbord aufgerissen wie ein böser, kleiner Eisberg und ich wäre krachend und scheppernd mit Mann und Maus gesunken wie die Titanic. Und auch jetzt hörte ich es verdächtig unter der Wasseroberfläche kratzen.

Wie ferngesteuert tippte ich einfach weiter auf sie ein. Meine Ratio schickte noch letzte SOS-Meldungen an die Brücke und ich versuchte mich kurz zu wehren aber am Ende konnte ich nicht anders. Ich gab ihrem Maunzen nach und gegen Abend hing sie schon schnurrend mit meinem “echten“ Ich am Telefon. Wir telefonierten bis nach Drei und ich ging mit einem ziemlich komischen Gefühl in der Magengegend schlafen.

Ich wachte mit einem dicken Klos im Bauch auf. Hatte ich in meinem gestrigen Wahn etwa so viele Katzenhaare geschluckt, dass diese sich jetzt schon zu einem schmerzenden Ball in meinem Magen geformt hatten? Was habe ich denn da getan? Und wo sollte das Ganze denn eigentlich hinführen? Während mein Chatfenster bereits wieder anfing mich fröhlich anzumaunzen kam ich langsam ins Grübeln. Das fühlte sich irgendwie alles nicht richtig an. Urplötzlich und ohne nachzudenken hatte ich meine Deckung fallen gelassen und meine “echte“ Person und Realität mit der Pick Up Welt im Internet vermischt. Da stand nun plötzlich Elia, der Typ den es seit sechs Monaten im Internet gab, mitten in meinem Zimmer und starrte schockiert den etwas verwirrten, dreiunddreißigjährigen, unrasierten Kerl im Pyjama an. Die zwei waren nie dazu gedacht, sich wirklich zu begegnen. Das war nicht so vorgesehen. Mein Laptop hatte ihn mir einfach mitten ins Schlafzimmer gekotzt. Und jetzt wusste ich nicht, wohin mit ihm. Wie sollte das denn auch Laufen? Schläft der jetzt bei mir Bett? Muss ich jetzt einen größeren Espresso-Kocher kaufen? Nein, nein, nein ! Nein, nein! ….. Ich wurde langsam panisch. Der Typ muss hier raus. Aber wie?

Für einen echten Alpha wie mich gab es in solch einer Krisensituation natürlich nur eine Lösung: Ich rief meine beste Freundin an.

„Aaaah, was hab ich getan! Hilf mir, hilf mir, hilf mir!“ trommelte ich dominant überlegen auf meine kleine, blasse Gorillabrust. „Komm jetzt mal runter und erzähl mir die Geschichte“ beruhigte mich das unselbständige, passive Weibchen am anderen Ende der Leitung. Also erzählte ich ihr welches riesige Fass Milch ich mir mitten in die Wohnung gekippt hatte. Und während ich ihr all den Katzenjammer erörterte, den ich mir eingeheimst hatte, öffnete besagte Lolita mir im Chat nebenher ein weiteres Stück ihres kleinen schwarzen Herzens. Und das passte genau zu dem, was ich die ganze Zeit bereits ganz hinten in meinem Kopf geahnt hatte. Das selbstbewusst fauchende und reizende Sex-Kätzchen, dass mir noch am Tag davor mit jedem zweiten Satz verbal ohne zu zögern in die Hose gegriffen hatte war hinter der imposanten Katzenmaske ein zwar offenes und lustiges aber auch ziemlich unsicheres und emotional verwirrtes Mädchen, das in seiner Jugend mehr Scheiße gesehen hatte als manch anderer in der ersten Hälfte seines Lebens und leider aufgrund der Tatsache, dass sich bisher kein Junge gefunden hatte, der mit ihr die erste, große Liebe durchlebt und durchleidet, irgendwann begonnen hatte zu versuchen den Zweifel und die Angst mit Sex zu bekämpfen. Ein Berg an Klischees dachte ich mir. Aber oft ist ja an denen eben auch was dran. Lolita hatte sich aus dem Gefühl heraus, von Männern nicht gemocht zu werden, statt einer Rüstung und einem Schild Strapse und High Heels zugelegt. Und da sie damit auch noch angefangen hatte um die älteren Löwen des Rudels herumzuschlawenzeln hatte sie natürlich reichlich Reaktionen geerntet. Nur zu ihrer Frustration hielten diese Art von Reaktionen nicht länger als die Spannung, die man so eben erzeugen kann.
Und während ich anfing Lolita als Person ein Stück weiter zu begreifen, hatte meine liebe beste Freundin schon Handtuch und Shampoo zurechtgelegt um mir ordentlich den Kopf zu waschen.

„Was soll denn bitte der Mist jetzt? Ich fand ja dein komisches Projekt bisher immer noch ganz gut, aber das bringt dich doch wohl keinen Schritt weiter. Das ist doch ein Schritt zurück. Hättest du die Kleine im Club aufgerissen hätte ich das ja noch verstanden, aber so?“ bekam ich die erste Ladung heisses Wasser über meine nicht vorhandenen Haare. „Ja du hast vielleicht recht. Das ist auch kein Puzzlestück zu meinem One-Night-Stand-Problem. Das bringt mich nicht wirklich weiter. Außerdem mag ich die Kleine irgendwie wirklich sehr und ich weiß nicht, ob ich da jetzt schon wieder anfange Frauen vor mir selbst zu beschützen, aber es fühlt sich bei dem was ich von ihr weiß, in diesem Fall, irgendwie nicht richtig an.“ gab ich zurück, lehnte mich tiefer in das Waschbecken und wischte mir die Tropfen von der Schläfe.
„Also ich bin ja nicht so drin in deinem Aufreisser-Theorie-Kram, aber hatte Neil Strauss in diesem Buch nicht auch am Ende geschrieben, dass es ab dann krank wird, wenn sich das Game um das Game selbst dreht. Ist das nicht auch so was Ähnliches?“ sagte sie ruhiger und massierte mir das Shampoo in die Glatze. „Ja so was in der Art ist das wohl schon. Irgendwie verwischen da ja die Grenzen, wenn der Aufreisser den Aufreisser aufreisst, der ja auch noch aufgerissen werden will. Da fickt sich doch die Katze mit dem eigenen Schwanz.“ gab ich zurück, während sie langsam zur Spülung griff. Ich bekam noch eine entspannende Kopfmassage und konnte danach wieder halbwegs klar denken. Man sollte bei komplizierten Fragestellungen, und speziell bei solchen, bei denen Mann gerne mal das Blut vom Hirn nach unten abfließt, viel öfter Frauen um Rat fragen.

Ich habe Lolita noch am selben Abend mein und auch ihr Dilemma, so wie ich es sehe, erklärt. Ich beschloss, dass das Unsinn sei, was wir begonnen hatten. Sie verstand mich sofort. Lolita ist ein extrem kluges Mädchen mit einem riesengroßen Herz und einem noch größeren Dachschaden. Solche Mädchen sind selten und meiner Meinung nach das spannendste was Mutter Natur uns auf diesem Planeten geschenkt hat. Ich beschloss, dass es besser wäre, wenn wir den Kontakt abbrechen. Lolita verstand auch das.

Seit dem chatten wir jeden Tag.

Lolita plant in nächster Zeit alleine nach Berlin zu ziehen. Eine Stadt in der, so wie ich es erlebt habe, im Verhältnis zu anderen Städten weit überdurchschnittlich viele junge Katzen überfahren werden. Man kann aber leider nicht mehr tun, als das jungen Katzen zu sagen und zu hoffen, dass sie nicht jede Erfahrung auf der Welt auch erstmal selber machen wollen.

Ich bin trotzdem heute zu Obi gefahren und habe eine kleine, orangene Warnweste gekauft. Ich hoffe Lolita trägt sie auch, wenn sie in Berlin durch die Clubs streift. Zum einen wird sie so auf der Strasse viel besser gesehen und zum anderen erkenne ich sie damit vielleicht ja irgendwann mal zwischen all den Menschen auf der Tanzfläche.

Und wer weiß, vielleicht ist das ja auch der Beginn einer wundervollen Friend Zone.

Äääh, Freundschaft.


Elia

4 Kommentare:

  1. Dein Schreibstil gefällt mir! Und auch ansonsten ein schöner Text.

    Aber unabhängig davon, ob Cat oder nicht: Eine Frau die das erfolgreiche Flirten gelernt hat, weil sie ihre Lebensenergie aus der Aufmerksamkeit zieht, die sie erhält, ist immer gefährlich. Im Zweifelsfall bekommen sie nicht einmal mit, welche Signale sie ihrem Gegenüber senden und wundern sich über die vielen gebrochenen Herzen auf ihrem Lebensweg.
    Cats, die bewusst in der PU-Szene wildern, sind natürlich auch bedenklich. Als Cat sollte einem schließlich bewusst sein, dass man sich gerade an jemanden heranpirscht, der noch gar nicht halten kann, was sein wackeliger Frame verspricht. Und dann ist er vorprogrammiert, der Katzenjammer! ;-)

    LG
    Cat Oylalia

    AntwortenLöschen
  2. In der Tat schön geschrieben, gerade das Ende

    AntwortenLöschen
  3. @D
    najo... es soll auch Mädels geben die unter "AFCs" wildern, hab ich gehört. Das machen sogar ziemlich viele, wenn du Samstag Mittags mal durch die Stadt gehst und die Pärchen anschaust :D

    Von daher... ich fände das nicht schlimm. Solche Cats würden doch nur das Selbstbewußtsein der angehenden PUAs steigern und somit deren Entwicklungszeit verkürzen, denke ich....

    was ich übrigens nicht verstehe: schreibt diesen Blog ein Mann oder eine lesbische Frau???

    AntwortenLöschen
  4. Aber das Spiel mit dem Feuer ist auch sehr interessant...
    Psychologisch gesehen ist die pervertierte Jagd mehr als nur ungesund, also "wenn der Aufreisser den Aufreisser aufreisst, der ja auch noch aufgerissen werden will. Da fickt sich doch die Katze mit dem eigenen Schwanz."
    Aber wenn du jagst, ohne mit Cats als Targets (absichtlich) in Berührung zu kommen, dann ist das noch im Rahmen.
    Imho sind also andere Mitglieder der PU-Community (vor allem Frauen) nur als technische Bezugspersonen zu verbuchen.
    lg PsyWar

    AntwortenLöschen