Ich bin ja erklärter Feind von
Massenveranstaltungen und Gruppen-Zwang-Ereignissen mit
Alle-Jetzt-Spass-Vorschrift von Fussball-WM bis Love-Parade, aber
vorgestern Nacht bin ich als uninformierter Nicht-BILD-Leser,
Nie-Radio-Hörer und Keinen-Fernseher-Haber natürlich völlig
unvorbereitet in eine Halloween-Party gestolpert, die zu meiner
Überraschung dann doch recht amüsant wurde.
Ich hatte mich mit Wing2 zum
traditionellen Feierabend-Pizza-Essen getroffen. Wir sprachen über
dies und das und unter anderem über die Tücken von
Eye-contact-halten und Lächeln ohne ersichtlichen Grund,
beziehungsweise Lächeln während des Eye-contact. Wing2 erzählte
mir von einem Gespräch mit einer Bekannten, die ihm den Tipp gab:
„Keine Frau sieht einem Mann direkt in die Augen, wenn sie nicht
von ihm angesprochen werden will“. Grundsätzlich interessant. Für
EC-Muffel wie mich, die lieber Starren bis das Mädel ein Loch im
Rücken hat, aber sofort auf die eigenen Schuhe schauen, als hätten
sie gerade zum ersten Mal ihre Füße entdeckt, sobald das Mädchen
einen anschaut, allerdings eine schwierig umzusetzende Information.
Wings2, oder wie ich ihn nenne, der „König des Eye-contact“,
strahlt Frauen ja meist derart an, dass man es nur noch mit
Kleinkindern vor dem Weihnachtsbaum vergleichen kann. Und bekommt
dabei meist eben auch ein Lächeln zurück, womit ja das erste Eis
immer schon mal gebrochen ist. Wie ich bereits erwähnte, sehe ich
wenn ich erzwungen lächle eher aus wie ein gesuchter Massenmörder
auf Opfersuche oder ein Aphex-Twin-Cover. Ich kann Lachen, wenn es
einen Grund dafür gibt, sobald ich es aber fake, wird es gruselig.
Nun finde ich die meisten Frauen nur bedingt Lustig und so fällt die
Option des natürlichen Lachens schon mal flach. Da aber gestern ja
Halloween war konnte ich meine Lächel-Übungen im Notfall auch
leicht als Grusel-Maske (wie hiess der Vater in Shining?) verkaufen
und so grinste ich also ein wenig meinen Wahnsinn in die Welt hinaus.
Der Erfolg war mässig.
Wir wechselten in die Bar nebenan und
entdeckten den Fuß-Opener. Man sitzt an der Bar mit dem Rücken zur
Bar, unterhält sich und legt die Beine entspannt übereinander.
Läuft ein mögliches Target vorbei, streckt man den Fuß gerade
soweit vor, dass das Target daran hängenbleibt und einen
„anrempelt“. Die Mädels entschuldigen sich natürlich höflich
und lächeln einen an. Grundsätzlich nicer Move, solange man noch in
der Pubertät steckt (innerlich war meine Entwicklung mit 12
abgeschlossen). Ich muss aus eigener schmerzlicher Erfahrung
allerdings dringend davon abraten sich, wenn sich das Mädel dann
entschuldigt hat und einen anstrahlt, direkt zu seinem Wing zu drehen
und gut hörbar zu verkünden „Yo, das mit dem Fuß klappt ja echt
gut“. Mädchen-Lächeln OFF. Hm. Egal. War lustig, aber eben auch
Schwachsinn.
Später werden wir in der Bar noch von
einem vollkommen verstrahlten Mädel geöffnet. Wir sind ja nunmal
auch nur ein 2er-Set, wie jedes andere. Sie ist mit ihrem, wie sie
sagt, „Date for tonight“ da, freut sich aber total, dass wir
deutsch sprechen und quatscht uns, selbst nachdem wir uns mehrmals
deutlich desinteressiert zeigen, einfach immer noch mal an. Zum
Abschluss wird sie dann auch noch recht touchy und besteht darauf
mich dringend anfassen zu müssen (Ich zu meinem Wing: „Ich glaube
ich kenn die ausm PickUpForum“). Ich frage mich, wie das wohl
ausgesehen hätte, wenn man da jetzt mal die Geschlechter getauscht
hätte. Ein Typ der so auf zwei Mädels zugesprungen wäre hätte im
Extremfall wahrscheinlich schon den Polizeieinsatz angedroht
bekommen. Des Rätsels Lösung folgt aber auch auf dem Fuße, denn
nachdem ich mich zum dritten mal etwas verwirrt von ihr wegdrehe,
verkündet sie, als würde sie den Auftritt der
Grundschul-Theatergruppe ansagen: „Jaaaaa ich bin hetero! Aber ich
hab sooo viele schwule Freunde, die sind aber alle anders als ihr.“
Memo an uns beide: Wieder einen Strich
auf der Wir-wurden-für-schwul-gehalten-Liste machen. Der Abend fängt
ja schon mal super an!
Nachdem wir uns von dem Schlag mit der
Schwul-Klatsche erholt hatten verliessen wir die Bar. „Tüdelüü-hüüü“
dachte ich mir noch, als ich unsere Schwulen-Freundin mit ihrem Date
am Ausgang sah. Was kann man tun? Wir sind zwei Typen, sitzen
zusammen an der Bar und es ist Berlin, wer kann da schon ahnen, dass
wir auf der Suche nach Frauen sind.
Mein neuer Boyfriend verabschiedet sich
vor der Bar dann aber von mir, da er morgen früh raus muss. Armer
Kerl. Geregeltes Arbeitsleben ist ein Konzept das mir immer wieder
unmenschlich und brutal erscheint, speziell wenn man als
Mitte-30-Jähriger ganz normal Mittwoch Nachts bis in die Puppen
feiern, saufen und Frauen kennenlernen will.
Und so latsche ich alleine los, stelle
auf dem Weg fest, dass der Bankautomat meines Vertrauens genauso
wenig von geregelten Arbeitszeiten hält wie ich und ich somit noch
genau 15 Euro in der Tasche habe. Das bedeutet entweder zwei Bier und
mit dem Taxi nach hause oder 6 Bier und morgen eine Erkältung. Aber
solche Entscheidungen soll man ja spontan treffen und so lasse ich
mir beide Optionen mit all ihren tollen Vor- und Nachteilen noch
offen.
Ich sehe im Vorbeilaufen, dass vor den
Clubs schon beachtliche Schlangen stehen. Scheint wirklich was los zu
sein heute, dafür dass morgen in Berlin nicht einmal Feiertag ist.
An meiner Ziel-Bar angekommen bestelle ich mir erst mal ein Bier,
suche mir ein lauschiges Plätzchen am Tresen und quatsche eine Runde
mit der Barfrau. Nach einer halben Stunde stellt sich eine Ü-30erin,
deren Haarschnitt wohl kurz vor ihrer Geburt mal angesagt war, neben
mich und will angesprochen werden. Jeder der mal mit einer
experimentierfreudigen Friseurin zusammen war weiß, dass es Dinge an
einer Frau gibt, die auch ein schönes Gesicht entstellen können.
Ein 80er-Jahre Locken-Undercut gehört zu dieser Kategorie (Gruß an
meine Ex-Freundin!). Nach einem ¾ Becks gibt sie auf, sucht sich
einen Sitzplatz und streichelt in einer dunklen Ecke ihr Telefon.
Es erscheinen die ersten schräg
kostümierten Gäste. Ich bestelle mein zweites Bier und will den
Typen, der sich gerade neben mich an die Bar gestellt hat und der mir
zwar extrem bekannt vorkommt, an dessen Namen ich mich aber nicht
mehr erinnere, schon übertrieben herzlich begrüßen um mein
schlechtes Gedächtnis wieder wett zu machen, als ich bemerke, dass
ich den Typen überhaupt nicht kenne, sondern nur sein Gesicht und
das aus Filmen. Berliner Promi-Effekt. Herr Stadlober verzieht sich
mit Bier und Kumpel in die hinterste Ecke der Bar und ich fange an
mir vorzustellen, wie das mit dem PickUp wohl so wäre, wenn man mal
für eine Nacht mit seinem Gesicht durch die Clubs ziehen dürfte.
Ich glaube das war wohl der Moment an diesem Abend an dem ich ganz
kurz das „Kleinkind-vor-dem-Weihnachtsbaum-Lächeln“ von Wing2
hinbekommen habe. Leider hatte ich damit auf eine leere Wand gezielt
und nicht in die Richtung irgendeines Mädchen-Sets. Die Wand
lächelte scheu zurück und wurde kurz Rot.
Ich erinnere mich an eine
Mystery-Geschichte, wo es um Trust-Tests ging. Nicht die Nummer mit
dem Hände-Halten sondern ein Move bei dem er Mädchen etwas von ihm
anvertraut um kurz darauf aufzupassen, während er z.B. auf Toilette
ist und wenn er wiederkommt hat sich ganz automatisch eine Art
Vertrauensbasis aufgebaut. Das ganze passt hervorragend zu der
Meldung, die ich seit ca. 10 Minuten von meiner Blase erhalte und so
denke ich mir „Was hast du schon zu verlieren?“
„Du hast deine Jacke, deinen
MP3-Player, dein Handy und deinen Geldbeutel zu verlieren, du Idiot,
du bist hier schließlich in Berlin!“ meldet sich meine linke
Gehirnhälfte lautstark zu Wort. Und so verlagere ich unauffällig
meinen Geldbeutel in meine Hosentasche, stehe auf und spreche die
kleine Charlotte an:
I: Hey, kannst du mir einen Gefallen
tun?
C: Klar.
I: Kannst du kurz auf meine Jacke
aufpassen und mir den Barhocker frei halten. Ich bin gleich wieder
da.
C: Na klar.
Als ich von der Toilette wiederkomme
lächelt sie mich an. Ich gehe auf Nummer sicher und übe NICHT
weiter an meinem Come-To-Daddy-Smile.
I: Danke.
C: Ich hatte kurz überlegt, deine
Jacke zu verkaufen, hab mich dann aber dagegen entschieden
Aaaaaaaand i'm in the Set!
Die Unterhaltung startet praktisch
sofort als ich mich setze. Wahnsinn, aber der gute alte Mystery hat
da schon ein paar feine Sachen entdeckt, man kann es nicht anders
sagen.
Wir unterhalten uns den gesamten
restlichen Abend wirklich gut. Für meine übliche Zielgruppe ist sie
mit 31 recht erwachsen und als Autorin auch intellektuell deutlich
überqualifiziert aber man soll ja neue Wege beschreiten. Ich
bemerke, dass bei Frauen ab einer gewissen geistigen Reife mein C&F
kaum noch zum Einsatz kommt. Bin mir nicht sicher, warum ich das tue.
Entweder traue ich mich nicht, oder vielleicht wäre es bei einem
Gespräch über frühkindliche Prägung bei Scheidungskindern oder
Nahtoderfahrungen und deren religiöse Interpretation auch irgendwie
unangebracht ein Paar freche Negs einzustreuen.
Ihre Schwester will mehrfach gehen,
verabschiedet sich dann auch irgendwann mit einem anderen Typen an
ihrer Seite, kommt aber nach ca. 15 Minuten dann doch wieder alleine
zurück in die Bar. Was auch immer.
Nachdem ihre Schwester lange genug den
Girl-Code-Quengel-Modus gefahren hat teilt mir C mit, dass sie morgen
viel zu tun hat und sich jetzt auch verabschieden wird. Sie bleibt
danach aber noch komische 30 Sekunden aktionslos sitzen und ich habe
das Gefühl, sie wartet auf einen Number-Close.... Ich hadere mit mir
selbst, da die Mädels eigentlich sowieso öfter in der Bar zu sein
scheinen und ich irgendwie das Gefühl habe noch nicht genug Rapport
für einen Number-Close bzw. keine Time Bridge aufgebaut zu haben,
plappere aber dann doch einfach los.
I: Äääähm.... äää.. Hast du ne
E-Mail Adresse?
Was?? E-Mail-Adresse?? Wieso hab ich
das denn jetzt gesagt? Was soll das denn bitte sein? Der
Facebook-Close für Ü-30er oder was? Frag sie doch gleich nach ihrer
Fax-Nummer du Depp!
C: Ja, klar. Warte mal ich schreib sie
dir auf.
Sie sucht in ihrer Handtasche nach
einem Zettel.
Puh! Grade nochmal halbwegs gut
gegangen. Keine Ahnung wo der Gedanke in meinem Kopf plötzlich
herkam... War wohl so ein Time-Bridging-Ding von wegen „ich schick
dir mal den Link zu dem Film von dem ich gesprochen hatte“
allerdings ohne eben vorher die Time Bridge Geschichte ausgesprochen
zu haben...
Ich drücke ihr mein Handy in die Hand,
weil sie immer noch am Suchen ist und sie tippt mir ihre
E-Mail-Adresse rein und erklärt mir noch kompliziert, dass der erste
Buchstabe aber klein geschrieben gehört und dass der Punkt ein @
sein soll undsoweiter.... Ich verabschiede sie und sie verschwindet
mit ihrer Schwester.
Hm... Komischer Close.
Ich trinke noch ein Bier, genieße die
immer absurder werdenden Kostüme und gehe dann nach hause.
Am nächsten Tag beschliesse ich beim
Arbeiten, dass so eine halbkalte E-Mail-Adresse auch nicht besser
wird indem man nix schreibt und schicke eine kurze Mail a´la
„Habt-gestern-noch-was-verpasst“(total gelogen...) und den nicht
versprochenen Link zu dem Film von dem ich ihr erzählt hatte.
Bis jetzt kam keine Antwort. Egal.
Mittlerweile nehme ich sowas ja recht sportlich.
Beim Thema Mail fällt mir aber noch
ein, zu erwähnen, dass meine Argentinierin noch eine Mail geschickt
hatte, ob ich denn Lust hätte sie für ne Woche oder so in Budapest
zu besuchen. Kurz überlegt. Aber ne, das war mir in Berlin schon zu
kompliziert ohne dass überhaupt etwas passiert wäre oder eben
gerade deswegen. Und bei so einem Besuch ist man dann ja irgendwie
auch wirklich ne Woche gezwungen miteinander abzuhängen. Ich sage
also höflich ab. That's it.
So, was gibt es also zu lernen? Es
hängt irgendwie immer noch am Close. Der Rest ist ausbaufähig aber
geht zumindest meistens.
Mal sehen, was das Wochenende bringt!
Elia
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