A tear of petrol
Is in your
eye
The hand brake
Penetrates your thigh
Quick - Let's make
love
Before you die
- The Normal, Warm
Leatherette
Ich sitze im Zug in Richtung Süden. Nicht weil mein Leben gerade
so spannend und toll ist und ich von Land zu Land und Stadt zu Stadt
hoppe, um die Schönheit meiner Existenz abzufeiern, sondern um mich
eventuell von einem todkranken Menschen zu verabschieden. Angeblich
soll einen so ein Scheiß ja zum Mann machen. Was natürlich Blödsinn
ist. Wer schon einmal geliebte Menschen verloren hat, weiß, dass
einen das weder zum Mann, noch zur Frau, noch zu sonst irgendwem
macht. Es macht einen traurig und still; ernst und langsam manchmal.
Sonst gar nichts.
Die letzten Wochen, eigentlich Monate, hatte ich wenig Lust zu
schreiben. Das Thema fühlt sich irgendwie durchgekaut an. Es macht
mich müde. Boy meets girl. Uralt und eigentlich tolles Thema, aber
irgendwie auch weder Atomphysik noch eine Kulturrevolution. Die
'Szene' enttäuscht mich zunehmend und entzaubert sich mit der Zeit
mehr und mehr selbst. Phlegmatisch und bemitleidenswert hilflos
wartet ein großer Teil still und leise darauf, vom Internet und ein
paar überteuerten DVDs zu einem neuen, besseren Menschen gemacht zu
werden. Ein anderer Teil verkauft ihnen skrupellos dumpfes
Allgemeinwissen als heilbringende Lösung, feiert sich selbst als
Helden der Neuzeit, weil sie wissen, wie man das eine Ding in das
andere steckt, und kassiert dafür auch noch Kohle, als hätten sie
wirklich etwas geleistet. Der Rest begibt sich, auf Grund fehlender
Lösungen, auf die Suche nach einem Schuldigen für ihr Elend und
verteufelt dann abwechselnd die moderne Gesellschaft dafür, dass sie
nicht 'Mann sein dürfen', anstatt zu begreifen, dass Freiheit wäre,
nicht 'Mann' sein zu müssen, sondern man selbst sein zu dürfen, und
natürlich die Frauen dafür, dass sie nicht so funktionieren wie man
es sich in unreifen Jungen-Träumen, fragwürdigen Internet-Foren und
konservativen Männerbünden vorstellt, sondern eben leider doch
eigenständig denkende Individuen sind. Nicht zu vergessen die
Handvoll emotionaler Krüppel, die ihre Angst vor Frauen, Gefühlen
und Verletzlichkeit damit verstecken, dass sie zwischenmenschliche
Kälte, pornografisch-mechanische, entmenschlichte Sexualität und
Respektlosigkeit als erstrebenswertes Ziel, als 'befreite Sexualität'
oder als 'unverschleierte, harte - aber eben ehrliche - Wahrheit'
verkaufen und damit einer verzweifelten, leicht steuerbaren Gruppe
junger Männer beibringen, ihre persönliche Sozialstörung sei die
eigentliche Norm und der Rest der Welt sei krank, verlogen oder
zumindest dumm. Am Ende feiern dann Männer, die eigentlich in die
Community kamen, um eine Frau zu finden, die sie ehrlich liebt,
jemanden, der in seinen Texten anderen Menschen zwar schon so
ziemlich überall hin gespritzt hat, aber in dieser langen Zeit noch
kein einziges Mal irgendein emotionales Interesse an anderen
geäussert, sich vielleicht sogar mal verliebt, geschweige denn sich
überhaupt mit Menschen jenseits ihrer Körperöffnungen beschäftigt
hat. Und all das tickertackert Woche für Woche vor sich hin, ohne
dass die 'Szene' es kritisiert oder wenigstens hinterfragt. Das traut
sich anscheinend keiner. Kritik wird hier streng hierarchisch nur von
oben nach unten verteilt. Aber 'Alpha' wollen sie dann schon alle
werden. Schade eigentlich. So viel Potential. So viel Gequatsche von
Mut und Aufstehen und 'für sich einstehen'... Aber die Herde schaut
nur kurz auf, und lässt sich dann weiter füttern, mästen und
schlachten. So, jetzt reicht's aber auch wieder... Schluss!
...Stopp!... Aus!...Willst du wohl.... Aus jetzt!! Ich wollte doch
eigentlich nicht mehr so viel abkotzen... und es gibt ja auch einige
echt tolle, bunte Schafe in dieser Herde, bei denen ich sehr dankbar
bin, sie über diesen komischen Weg gefunden zu haben... Bin ja jetzt
außerdem auch schon an Leipzig vorbei und die Landschaften werden
blühender. Also zurück zum eigentlichen Thema: Die letzten Monate
und vor allem ihre seltsamen Wochenenden.
Scheiße ohne Erdbeeren

Ich überholte die Straßenlaternen und mein Schatten überholte
mich. Die Steinplatten bildeten unter mir seltsame Muster, während
ich absurd schnell einen Fuß vor den anderen setzte. Es war einer
dieser Heimwege, an die ich mich sicher morgen nicht mehr erinnern
würde. Sturzbetrunken und wie auf Schienen oder Autopilot flog ich
durch meinen Kiez; mein mp3-Player dröhnend laut und beide Hände in
den Jackentaschen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber der
Himmel hatte schon dieses neonblaue Leuchten. Ich genoss den Rausch,
interpretierte in jede Textzeile ozeantiefe, persönliche Bedeutung
und versank in meiner Alkohol-Romantik. Ich blickte nur auf den
Boden, schloss gelegentlich die Augen, sang leise mit und ergab mich
ganz der gerechten Willkür der Spätsommernacht, als ich
überraschend und hart mit dem Gesicht gegen ein Metallschild schlug.
Genau genommen stolperte ich erst über die knöchelhohe Umzäunung
einer dieser kleinen Grünflächen, die hauptsächlich dazu dienen
von Hunden vollgeschissen zu werden, und fing mich dann, da ja beide
Hände in meinen Jackentaschen, elegant mit dem Gesicht an dem, gegen
die Grünfläche geradezu riesig wirkenden, Hunde-Verboten-Schild ab.
So richtig erinnern kann ich mich eigentlich nur an das metallische
Krachen; wahrscheinlich hatte ich gerade die Augen geschlossen. Nach
dem ersten Schreck sah ich mich kurz um und musste zum einen
feststellen, dass ich in einem kleinen Gebüsch lag und zum anderen,
dass ich sonst eigentlich fast nichts sah, was da herrührte, dass
ich meine Brille leider nicht mehr aufhatte und dass es auch noch
ziemlich dunkel war. Ich tastete einige Minuten halbblind den Boden
in meiner Umgebung ab, fand aber nichts und stand erstmal auf, um mir
den Dreck abzuklopfen und nochmal nach Blut oder anderen Anzeichen
einer Verletzung zu suchen. Ich stellte fest, dass ich ausser meiner
Brille und meiner Coolness erstmal nichts verloren hatte und fühlte
den deutlichen Impuls die Szenerie dieser Erniedrigung möglichst
schnell zu verlassen. Aber das ging leider nicht. Ich konnte
unmöglich meine teure Brille in diesem wahrlich beschissenen Gebüsch
zurücklassen. Es half alles nichts. Ich musste zurück auf den
Boden. Und das in so vielen Bedeutungen gleichzeitig.
Ich versuchte es mit Hinknien, aber so erreichte ich nur den
äußeren Rand dieser urbanen Installation aus Müll, Pflanzen und
Kot. Nach 2 Minuten Wühlen begann ich damit, kleine Büschel Unkraut
herauszureißen, sie nach Brillenspuren abzusuchen und wütend hinter
mich zu werfen. Als auch das keinen Erfolg brachte, erkannte ich,
dass kein Weg daran vorbeiführte, mich wieder auf alle Viere zu
begeben und tiefer in das Gebüsch zu kriechen. Ich buddelte mit
beiden Händen in dem, wovon ich mir wünschte, es wäre nur Erde.
Ich fluchte innerlich und schwor, hier nicht ohne meine Brille
wegzugehen. Als ich neben mir Schritte hörte, und beim Hochsehen,
den fragenden und gleichzeitig verächtlichen Blick des
Mitte-Hipsters sah, der gerade an mir vorbeiging, wurde mir bewusst,
dass es in meinem Leben wohl bisher keinen Moment gab, an dem ich
näher an einem Penner war als diesen hier. 34 Jahre alt,
sturzbetrunken, auf allen Vieren in einer von mir selbst gut
durchgerührten Mischung aus Scheiße, Dreck, noch mehr Scheiße und
einer verbogenen Designer-Brille – so blickte ich also von unten
auf das neue, coole Berlin. Und es ging ohne zu stoppen, oder sich
noch einmal umzudrehen, an mir vorbei. Wäre ich besser drauf
gewesen, hätte ich ihm sicher etwas Schlaues hinterhergerufen. Aber
ich war ja damit beschäftigt, Unkraut, Erde und Hunde-AA blind nach
der jeweiligen Konsistenz zu sortieren. Ich hatte also deutlich
wichtigeres zu tun. Die guten ins Töpfchen, die schlechten hinter
mich auf den Gehweg...
„Was ist ihnen denn passiert?“ fragte mich die Frau in dem
kleinen Brillengeschäft am nächsten Nachmittag. „Sagen wir, ich
hatte einen kleinen Unfall“ antwortete ich und versuchte sie, mit
dem einen Auge unter- mit dem anderen über dem Brillenrand, zu
fixieren. Erst als ich wieder in meiner Wohnung war und das Ergebnis
ihres halbstündigen Biegens in meinem Spiegel prüfen wollte,
entdeckte ich die riesige, rote Beule auf meiner Stirn. Ich legte
meine Brille ab, und mich wieder ins Bett, zog mir die Decke über
den Kopf und lies der Welt den ganzen restlichen Samstag Zeit, mich
ausgiebig am Arsch zu lecken.
Last Minute Resistance
Oder: So sind wir Männer eben...

Es war eine der letzten Nächte, die
noch sommerlich genug war, dass sich das schwarzgekleidete Grüppchen
Menschen vor statt in meiner Stammbar aufhielt. Kaum bog ich um die
Ecke, hörte ich schon das liebliche Klirren von Bierflaschen, die
laute Musik und das angenehme Gegrummel von vielen betrunkenen
Menschen, die sich dummes Zeug erzählten. Als ich mich den dunklen
Gestalten auf 10 Meter genähert hatte, hörte ich meinen Namen.
Wing3 kam mir, so freudig und so torkelnd wie ein Kleinkind, entgegen
gestolpert, fiel mir um den Hals und drückte mir eines der zwei
Biere in die Hand, aus denen er offensichtlich vorher abwechselnd
getrunken hatte. Er lallte mir dazu irgendetwas völlig
unverständliches und nasses ins Ohr, das ich als überschwänglich
freundliche Aufforderung interpretierte, sein halbvolles Geschenk
anzunehmen und mit ihm zu feiern. Ich lobte ihn, wie man eine Katze
lobt, die einem einen toten Vogel vor die Füße legt und nahm
glaubwürdig dankbar einen tiefen Schluck des warmen
Speichel/Bier-Gemischs. Der Abend versprach jetzt schon spaßig zu
werden.
Mein treuer Wochenend-Freund zog mich
sofort die letzten Meter bis vor die Bar und stellte mir schwankend
zwei Mädchen vor. Eine davon war die kleine, rothaarige V, die er
mir schon bestimmt vier Mal im letzten Jahr vorgestellt hatte. V
hatte, seit sie sich von ihrem DJ-Freund getrennt hatte, fürchterlich
angefangen zu koksen und ihre offen zur Schau gestellte Supercoolness
lies darauf schließen, dass sie auch heute Abend schon reichlich
Näschen gepudert hatte. Ihre Freundin kannte ich nicht, aber sie
wirkte nicht weniger abwesend. Wir wechselten trotzdem die üblichen
Inhaltslosigkeiten, während ich mein halbes Bier vernichtete. Dann
packte mich Wing3 auch schon wieder am Arm. „Los! Wir gehen rein!“
frohlockte er, zog mich bis zur Tür, stoppte dort, blickte
nachdenklich auf sein Bier und an sich herunter und meinte dann, als
sei ihm die Lösung eines schwerwiegenden Problems eingefallen:
„Moment. Das geht so nicht...“. Daraufhin zog er sich vor mir,
der versammelten Gemeinde vor der Bar und dem verdutzten Türsteher
erst die Hose herunter, goss sich dann sein restliches Bier über den
Kopf, kommentierte dies kurz und hochzufrieden mit „so. jetzt.“
und marschierte in kleinen Schritten mit seiner Hose an den Knöcheln
an mir und dem Türsteher vorbei in den Laden und direkt an die Bar
um sich ein neues Bier zu bestellen. Ich wartete gespannt auf die
Reaktion des Türstehers. Als mich dieser nur vergnügt angrinste und
meinte „na dit kann ja noch lustich werdn, wa?“ wusste ich mal
wieder, warum dieser Laden meine Stammbar ist.
Ich folgte also dem Beispiel des
biergetränkten Freaks und bestellte mir neben ihm am Tresen
ebenfalls ein neues Erfrischungsgetränk. Allerdings behielt ich
meine Hose dazu an. Dafür fühlte sich der langhaarige Barkeeper
anscheinend um so inspirierter von Wing3 und entledigte sich, bevor
er mir ein Berliner über den Tresen schob, seines Hemdes. Ich
befürchtete schon es würde mal wieder zu einer allgemeinen
Entkleidungswelle in der Stammbar kommen, aber dafür war es wohl
noch zu früh am Abend. Auch Wing3 erkannte die bewegungstechnischen
Einschränkungen seiner Entscheidung, die Hose um die Schuhe zu
tragen, und zog sich nach einigen Minuten des coolen
am-Tresen-Lehnens, die Hose wieder hoch. Hatten ja jetzt auch alle
mitbekommen. Wir tranken und spaßten uns im weiteren Verlauf des
Abends immer wieder kreuz und quer durch die Bar, bis wir
schließlich, wie zwei müde Krieger nach der Schlacht, auf einer
Bank in einer Ecke strandeten. Wing3 zeigte deutliche
Ausfallerscheinungen, während ich noch relativ aktiv war und in der
Sorge, meinen tapferen Kameraden an den bösen Flaschengeist zu
verlieren, nach einer kurzen Erholungspause versuchte am Tresen
Leitungswasser zu bekommen, um ihn vor dem herannahenden K.O. zu
bewahren. Als ich endlich mit dem großen Glas Wasser vor ihm stand,
war er leider bereits dem Türsteher aufgefallen. In für ihn
typischer Pose lag er, halb auf seinen Ellenbogen gestützt, mit
offenem Mund und geschlossenen Augen, quer über der Bank und
erinnerte wie immer an ein Kriegerdenkmal auf einem beliebigen
Soldatenfriedhof. Ich hatte ihn so schon einige Mal, und auf den
unterschiedlichsten Untergründen, liegen sehen. Es war immer wieder
wahrlich ein Bild für Götter. Doch noch bevor ich etwas sagen
konnte, nahm der sonst so friedliebende Türsteher Wing3s Nase
zwischen seine Finger und zog ihn an dieser nach oben, bis Wing3 ihn
mit aufgerissenen Augen anstarrte. „Weest ja was wa ausjemacht ham,
oda? Wenn de penn' willst jeste Heim!“ erklärte der Türsteher dem
verwundeten Kameraden kurz und zog sich dann an die Front zurück.
Zumindest musste ich ihn jetzt nicht mehr wecken.
Ich legte sofort meine
Schwesternuniform an, zog mir die kleine, weiße Haube auf und nahm
die Erstversorgung des immer noch verwirrten Kollegen vor. Nach ein
paar Schluck Wasser kam er halbwegs zu sich. Doch statt ihn nach
Hause zu schicken, was ich wahrscheinlich hätten tun sollen, begann
ich ihn zu überreden, mit mir weiter in Club1 zu ziehen. Zu meiner
Überraschung war er zwar nur schwer in der Lage das Wasserglas
ordentlich zu halten, zeigte sich aber von meinem Vorschlag in den
Club zu gehen sofort absolut begeistert. Er ist eine wahrlich tapfere
Seele. Gott segne ihn.

Ich half ihm auf und wir
verabschiedeten uns von dem finstren Ort und machten uns gemeinsam
auf den Weg in den Nächsten. Der Club war erstaunlich leer. Einige
letzte versprengte Grüppchen fielen und tanzten quer durch den
Laden, aber die Schlacht war wohl bereits geschlagen und die Massen
schon auf dem Weg in die Betten, um ihren Rausch auszuschlafen oder
diesen komischen 'Sex' zu haben von dem immer alle reden. Ein Blick
auf die Uhr erklärte mir die Situation. Es war kurz vor 6, und Club1
nicht für die längsten Parties bekannt. Wing3 steuerte quer über
die Tanzfläche ein altes, ekliges Sofa an als wäre es ein frisch
gemachtes Bett. Ich beschloss erstmal die Bar zu besuchen, um mir ein
feines, kleines Bierchen zu genehmigen. Als ich zurückkam und mich
dem Rand der Tanzfläche näherte fielen mir zwei Mädels auf. Sie
tanzten relativ nahm am DJ-Pult und passten beide nicht so ganz zu
dem für Club1 üblichen Publikum. Die eine war groß und blond, die
andere extrem klein und dunkelhaarig. Beide waren sehr schlank und
für Club1 etwas zu prollig gestylt. Die Kleine fixierte mich schon
von weitem und kam, als ich sie ansah, direkt auf mich zugesteuert.
Sie packte mich am Arm und zog mich auf die Tanzfläche. Als jemand,
dem so etwas vielleicht alle zehn Monate mal passiert, reagierte ich
leicht überfordert. Ich tanzte zwar ein wenig mit, tat aber vor
allem das, was ich immer tue, wenn ich nicht weiß wie ich reagieren
soll: Ich fing an zu reden. Und in Ermangelung angemessener
Reaktionszeit natürlich auch gleich noch ziemlich dummes Zeug.
Elia: „Na, ihr gehört doch
eigentlich gar nicht hier her?“
Einmeterfünfzig:
„Hä? Wie meinste denn das?“
Elia: „Na ihr
zwei gehört doch eigentlich eher ins XXX(prolliger
Teeny-Hardrockschuppen).“
Die Mädels
flüsterten und kicherten.
Einmeterfünfzig:
„Ja, stimmt. Da sind wir auch immer. Aber das is ja nur
Donnerstags.“
Ich tanzte noch
eine Weile mit ihr und redete ähnlich inhaltsfreien Dünnschiss. Die
Kleine stand ganz eindeutig auf mich. Ich sah sie mir nochmal genauer
an. Man will ja schließlich keine voreiligen Entscheidungen treffen.
Sie war wirklich winzig, schien aber einen ziemlich guten Körper zu
haben. Der Rest an ihr verhieß allerdings keinerlei Gemeinsamkeiten
mit meiner Welt. So weit ich mich erinnere hatte sie ein Piercing im
Gesicht, ihre seltsam unechte Bräune ließ auf den regelmäßigen
Besuch im Sonnenstudio schließen, die hüftlangen, glatten,
schwarzen Haare schrien förmlich 'Extensions' und auch der Stil
ihrer Klamotten roch irgendwie nach Arschgeweih, Golf III und Böhse
Onkelz. Mädels wie sie verirrten sich eigentlich selten in kleine
Kellerclubs, sondern sammelten sich normalerweise in den
Großraumdissen und Jugendzentren im Brandenburger Umland oder den
Touristenfallen in Friedrichshain. In meinem Kopf begann eine wilde
Diskussion. Die eine Hälfte meiner inneren Stimmen plärrte, ich
solle gefälligst jetzt mal die Gelegenheit beim angeschweißten Zopf
packen und hoffen dass dieser hält, die andere Hälfte schüttelte
ungläubig und verächtlich den Kopf über den Gedanken, mit dieser
Frau alleine zu sein, geschweige denn eine längere oder auch nur
kurze Unterhaltung zu führen. Ich selbst war in erster Linie mal
verwundert über ihre Reaktion auf mich, da nach meiner Erfahrung
Mädels wie sie eher auf tätowierte Typen mit gestählten
Brustkörben, viel zu kleinen Ed-Hardy-Shirts und peinlichen
Alufelgen abfahren, statt auf blasse, kleine Glatzköpfe mit Brille.
Sie begann mich ziemlich eindeutig (ich hasse schon das Wort)
'anzutanzen'. Es blieb nur noch Kampf oder Flucht. Ihr kennt mich.
Ihr wisst, dass ihr euch auf mich verlassen könnt. Ich wählte die
Flucht.
Obwohl ich aus dem
Augenwinkel beobachtete, wie Wing3 sich zwar kaum noch auf den Beinen
halten konnte, aber trotzdem von zwei Mädchen gerade vom Sofa und,
durch eine sonst verschlossene Tür, in den Backstage gezerrt wurde,
berief ich mich darauf, meinen sozialen und gesellschaftlichen
Verpflichtungen nachkommen zu müssen:
Elia: „Ähm...
ich muss mal nach meinem ...äää... Kumpel... schaun.“
Einmeterfünfzig:
„Ok, ich komm mit!“
Ich war irritiert.
Die Realität bewies mir mal wieder zwei Dinge: Zum einen, dass
dieser ganze Pick-Up-Schmonz von wegen, der Mann muss immer
diesunddas machen und die Frauen lassen sich 'gamen', genau so wahr
ist wie der Weihnachtsmann und zum anderen, dass es dem Universum
einen Heidenspaß macht, seinen dreckigen Finger in meine
Pick-Up-Wunde zu legen und dann noch genüsslich drin rum zu popeln.
Jetzt hatte ich also monatelang nach einer Gelegenheit geplärrt,
engeren Körperkontakt unter Alkoholeinfluss mit einer mir völlig
unbekannten Person zu praktizieren, und nun als sie, winzig klein,
betrunken und bereit mir zu folgen, vor mir stand ging mir nichts
anderes durch den Kopf als: „Oh. Scheiße.“
Mein Hinweis
darauf, dass sie aber doch mit ihrer Freundin hier sei, wurde von der
kleinen, aber extrem entschlossenen Frau schweigend in den Wind
geschlagen und so blieb mir nichts anderes, als mich mit ihr auf die
Suche nach meinem 'verlorenen Freund' zu machen. Ich fühlte mich
stark an diesen blöden Dreiteiler mit dem Ring und den scheiß
Zwergen erinnert. Speziell als wir im Gänsemarsch die endlos lange
Treppe in den oberen Bereich des Clubs hinaufstiegen wie einen
Bergpass, und ich das beklemmende Gefühl hatte, sie würde mir jetzt
auch ohne zu zögern in einen dunklen Wald folgen. Oben angekommen
suchten wir meinen Freund. Das hatte ich ja schließlich so gesagt.
Die Suche endete, wie zu erwarten war, erfolglos. Und so standen wir
schließlich ziemlich planlos und schweigend zwischen den leeren
Sitzecken voreinander. Die Barleute räumten im Hintergrund bereits
Stühle, Gläser und Müll zusammen und ich blickte hilflos in
Richtung meines Bauchnabels, auf dessen Höhe mich diese fremde Frau
anstarrte. Es vergingen einige Sekunden und nur ein sozial völlig
behinderter Idiot hätte nicht gecheckt, worauf sie wartete. Der
Druck stieg. Ich wusste, ich würde im Pick Up Forum erst geköpft,
dann ausgelacht, dann im Gesicht angemalt und dann gebannt, wenn ich
jetzt nicht tue, was man eben tut, wenn man morgens um 7 mit einem
betrunkenen Mädchen im Club steht und sie einen so ansieht.
Mir
kam es ewig vor. Es fühlte sich ein bisschen an wie Sterben, nur
dass nicht mein Leben an meinem inneren Auge vorbeizog, sondern eine
komische Liste an Plus- und Minus-Punkten. Beide Seiten der Liste
waren nicht allzu lang. Auf der Plus-Seite erschien als erstes ihr
offensichtlich guter Body, gefolgt von einigen ekligen Eimern voller
Erwartungen, Rollenklischees und sozialem Druck a'la 'Mann sein
müssen' (Hallo Philipp Czerny!), 'Eskalieren müssen',
'Comfort Zone sprengen' und dann natürlich dem Respekt anderer Kerle
in Forum, facebook und natürlich auch, nicht zu vergessen, dem
'echten Leben'. Auf der Minus-Seite meldete sich vor allem der
kleine, introvertierte Kontrollfreak in mir zu Wort. Ich fragte mich,
worüber ich mit dieser Frau nur jemals reden sollte? Morgen früh?
Im Taxi? Auf dem Weg aus dem Club? Jetzt?... Über
Rammstein-Konzerte, 'Hang-Over-III' und was man alles mit
Jägermeister mischen kann? Über Tribal-Tattoos, Pfefferminzlikör,
Fitnessstudios und Pauschalurlaub auf Malle? Und wie das überhaupt
jetzt laufen soll?...Mein Kopf malte sich diverse Szenarien aus. Ob
sie dann überhaupt bei mir pennt? Oder ob ich sie danach nachhause
schicke? Wie ich jetzt überhaupt auf solche Scheiß-Fragen komme, wo
doch noch gar nichts passiert ist? Und dann war sie vor allem ja ein
fremder Mensch! Oh my god! Und das auf so vielen Ebenen. Wir waren
uns nicht nur fremd, sondern hatten tatsächlich noch keine zehn
Sätze miteinander gewechselt. Wollte ich wirklich diesen fremden
Menschen in meiner Wohnung, in meinem Bett, in meinem Mund? Alle
anderen wollen das doch auch immer... Und sie starrte mich immer noch
so erwartungsvoll an. Dabei war ich doch noch mitten in der
Minus-Liste! Ich müsste mich sowieso setzen. Ja richtig, setzen. Sie
war ja viel zu klein. VIEL zu klein! Ich müsste mich ja sonst
bücken! „Wollen wir uns setzen?“ ging mir durch den Kopf.
Vielleicht hatte ich es auch ausgesprochen, ich weiß es nicht mehr.
Aber der Moment war bereits vorbei. Das konnte man spüren und vor
allem sehen. Ihr Blick war ein anderer. Die Erwartung war weg. Da war
nix zu holen. Es war so verzweifelt wie blödsinnig. Zwei betrunkene
Menschen morgens um 7 in einem leeren Club. Es sprach einfach nichts
dafür, mit dieser Frau Sex oder sonst irgendwas zu haben, ausser der
wagen Möglichkeit dazu und der Aussicht auf Reibung und Wärme. Es
verband uns nichts und ich konnte für mich zumindest sagen, dass
mich nichts an ihr anzog, ausser der Tatsache, dass sie der Hälfte
der Menschheit angehörte, die keinen Penis ihr Eigen nennen kann.
EJECT. So heißt das ja im Pick-Up. Oder vielleicht besser 'Last
Minute Resistance'? Wobei es in meinem Fall wohl eher eine 'First
Minute Resistance' war. Beides ist im Pick Up leider nur für Wesen
ohne Penis vorgesehen. Männer haben eigentlich gefälligst immer zu
wollen. Freiheit ist irgendwie was anderes. Wir gingen zusammen
wieder nach unten. Glaube ich zumindest. Die Zeit und der Alkohol
haben die Erinnerung an den Abend schon etwas ausbleichen lassen.
Irgendwo um die Tanzfläche herum trennten sich unsere Wege und auch
Wing3 tauchte nicht mehr auf.
Ich verlies, halb frustriert, halb geschmeichelt, den Club. Zwei
Häuser weiter stolperte ich in einen winzigen Gothic-Schuppen. Auf
der Tanzfläche waren genau noch zwei Mädels. Beide nicht mein Fall.
Ähnliche Klientel wie die beiden Tanzmäuse in Club1. Vielleicht
hätte man die Vier miteinander bekannt machen sollen...Ich drehte
nach 30 Sekunden um und ging wieder raus auf die Straße. Ich lief in
Richtung des Absturzclubs und musste dabei über mich selbst
schmunzeln. Wie unvermittelbar bin ich eigentlich wirklich? Sind
meine Ansprüche tatsächlich so absurd hoch oder speziell? Hat das
was mit dem Alter zu tun? Ist das die berühmte 'Verkorkstheit' der
Ü-30er-Singles? Fragen über Fragen. Ich erkannte, dass nur Alkohol
mir hier weiterhelfen konnte.
Im Absturzclub trank ich ein Bier und bekam Lust zu tanzen. Leider
war die Musik so abgrundtief scheiße, dass ich auch diesen Laden
wieder verlies und mich auf den Weg in die Hass-Bar machte. Die
Hass-Bar ist ein verkokster, schmutziger, kleiner House-Schuppen in
dem man aber bis in den Nachmittag hinein gut feiern kann,
vorausgesetzt man schafft es die versnobten Schnösel und die
dazugehörigen Blondinen zu ignorieren. Ich kaufte mir dort ein
letztes Bier und stellte mich in die zuckende Menge, als ich
plötzlich ein breites Grinsen auf der anderen Seite der winzigen
Tanzfläche entdeckte. Es war Wing2. Ich hatte nicht mehr mit
sozialem Kontakt gerechnet, und war eigentlich auch nicht mehr
wirklich in der Lage dazu. Wir begrüßten uns also kurz und nickten
dann nebeneinander zum monotonen Beat.
„Irgendwas scheine ich heute auszustrahlen“ dachte ich mir,
als mir nach einigen Minuten auffiel, dass mich der DJ seltsam
freundlich anlächelte. Als ich seinen Blick etwas fragend erwiderte,
führte er mir kunstvoll pantomimisch den Konsum einer Line Koks vor.
„Hervorragende Idee“ dachte ich mir „guter Mann“ und machte
mich auf den langen Weg, die kurze Strecke durch die dichte Menge bis
zum DJ-Pult. Dort angekommen stellte ich mich neben meinen neuen
Freund. Der freute sich und begrüßte mich herzlich mit „und?“.
„Ja. Los...“ gab ich ebenso ausführlich zurück und wartete auf
meinen versprochenen Fitmacher. „Hast du Koks?“ plärrte der DJ
mich jetzt etwas konkreter an. „Ne, ich dachte du“ gab ich
zurück. Und da war er wieder. Dieser enttäuschte Blick. Ich schien
in dieser Nacht einfach niemanden glücklich machen zu können. Auch
aus dieser peinlichen Situation blieb mir nur die Flucht und schon
wieder hinterließ ich einen Menschen, dem ich einfach nicht geben
konnte, was er von mir wollte.
Ich zuckte noch eine Weile neben Wing2, dann zog es mich wieder
hinaus. Ich war endlich richtig betrunken und der festen Überzeugung
jetzt mein Glück im Absturzclub finden zu können. Dazu kam es
allerdings nicht mehr. Ich scheiterte auf der Hälfte des Weges und
winkte mir mechanisch eines dieser schönen, gelben Rettungsboote
heran, das mich nachhause in mein geliebtes Bett brachte. Ob das
Mädchen und der DJ in dieser Nacht noch bekamen, wonach sie sich
sehnten, weiß ich nicht. Ich ging jedenfalls schlafen. Ohne Sex und
ohne Koks.
Der Morgen an dem mein Gewissen begann mich zu siezen

Ich habe diesen Text auf dem Weg in die Heimat vor zwei Wochen
begonnen. Jetzt sitze ich in Tegel vor dem Gate C48 und warte auf
meinen Flug. Es geht wieder in die Heimat. Diesmal allerdings mit
fröhlicheren Gedanken - diesmal warten Plätzchen und Whisky auf
mich. Alle Kunden-Weihnachtsfeiern sind erfolgreich hinter mich
gebracht und von den meisten fehlt mir das Ende und der Nachhauseweg.
Mein Hang zu Blackouts hat sich in den letzten Monaten nochmal
deutlich gesteigert. Inzwischen ist es für mich eigentlich fast
normal, dass mir mein Gehirn, wenn ich Sonntags versuche mich an die
letzten Stunden des gestrigen Abends zu erinnern, nur eine sich
langsam vor sich hin drehende Sanduhr zeigt. Vor ihr schlafe ich dann
meistens auch wieder ein.
Mit genau dieser schwammigen Leere im Kopf wachte ich vor ein paar
Wochen mal wieder Sonntag Nachmittags auf und fragte mich kurz, wie
ich gestern nur nachhause gekommen war. Was die Antwort war, hatte
ich ja gerade schon beschrieben. Ich wälzte mich also die letzten
Stunden des Tages zwischen Kopfschmerzen und Magengrummeln noch ein
wenig im Bett hin und her und schlief dann bis Montag Mittag durch.
Ausgeschlafen und voller Energie und Tatendrang stand ich am
Montag auf und machte mir einen kräftigen Kaffee. Ich schlenderte
ein wenig durch meine Wohnung und entwarf einen enthusiastischen Plan
für den heutigen Tag. Beim Spaziergang durch meine Wohnung schaute
ich auch kurz in meinem Arbeitszimmer vorbei. Hier gibt es ein großes
Fenster, an dem man prima stehen und bedeutungsvoll Kaffeetrinken
kann, während man den gehetzten Lohnsklaven auf dem Weg zur Arbeit
zusieht. Und genau so stand ich an besagtem Fenster und dachte mir
„war das ein Fahrrad an dem ich da gerade vorbeigelaufen bin? Ein
fremdes Fahrrad?“. Die Nespresso-Werbespot-Atmosphäre war
schlagartig verflogen und ich drehte mich langsam um.
Tatsache. Da stand es. Ein mir vollkommen fremdes Damenrad - zwei
Gepäckträger, 18Gang-Schaltung, gut in Schuss. „Holy...
Mother.....fuck!“. Ich blieb zwei Minuten vor dem Eindringling
stehen und versuchte mich krampfhaft an irgendwelche Bilderfetzen zu
erinnern, die mir weiterhelfen könnten, diese Situation zu erklären.
...Sanduhr. Sonst nichts. Ich hatte keinen blassen Dunst, wie dieses
Fahrrad in meine Wohnung kam. Aber ich hatte eine dunkle Ahnung.
Meinen Hang zur Sachbeschädigung und Kleinstkriminalität dachte ich
mit 15, 16 und 17 ausgiebig ausgelebt zu haben und seit dem hatte ich
auch, wie es sich für einen richtigen Erwachsenen gehört, die
Finger von Spraydosen, Mercedes-Sternen, und fremdem Eigentum
gelassen. Aber Betrunkene sind bekanntlich manchmal wie Kinder. Und
ich war immer eher ein seltsames Kind.
Ich versuchte mich so gut es ging als Sherlock Holmes und sammelte
Hinweise. Die zwei auffallend großen Gepäckträger wiesen auf einen
Zeitungsausträger als Opfer der Tat hin. Das würde auch das
fehlende Schloss erklären. Denn so kriminell mich der Rausch der
letzten Nacht auch anscheinend hatte werden lassen, Schlösser
knacken gehört trotzdem nicht zu meinen Fähigkeiten. Im Laufe des
Tages fand ich ein U-Bahn-Ticket in meiner Hose. Ich Arschnase hatte
der armen Sau anscheinend nicht nur das Fahrrad vor der Tür
weggeklaut, sondern das auch noch nur wegen dem Spaß, oder zumindest
dem kurzen Weg von der U-Bahn bis zu meiner Haustür. Ich suchte
weiter und fand zwei leergefressene Bäckertüten in meinem Bett.
Mein Croissant-Junkietum ist grundsätzlich nichts Neues, aber es
eröffnete in diesem Fall eine weitere Version des Tathergangs. Ich
sah mich förmlich mit fliegenden Zeitungen und kichernd davon
fahren, während hinter mir ein armes Menschlein fluchend aus einer
Bäckerei rannte. Kein schönes Bild. Eine Mischung aus Scham und
Ungläubigkeit bereitete mir Gänsehaut. Als ich Wing2 die Geschichte
am Telefon erzählte erntete ich einen ordentlichen Anschiss. Hätte
ich mir auch denken können. Der Mann ist Fahrrad-Fetischist und ich
hatte praktisch ein Fahrrad entführt und aus seiner vertrauten
Umgebung gerissen. Es dauerte einige Tage, bis ich ihn wieder
versöhnlich stimmen konnte und er mir glaubte, dass ich das Ganze
ohne böse Absichten und vor allem ohne Bewusstsein getan hatte.
Vor drei Wochen ist ein zweites Fahrrad dazugekommen. Auf die
gleiche Weise. Es muss ein
Weibchen sein. Die zwei haben sich sofort
verstanden. Inzwischen sind es Vier. Zu meiner Verteidigung muss ich
anmerken, dass ich mich an den Einzug des vierten Fahrrads wenigstens
erinnere. Wing2 hatte mich wegen der ersten drei dieses Wochenende
noch einmal ordentlich zur Sau gemacht. Wir waren gerade auf dem Weg
in eine neue Bar und er meinte es könne doch gar nicht sein, dass
man so schnell mal einfach ein unangeschlossenes Fahrrad finde. Er
sagte, er würde mir ein Bier zahlen, wenn ich bis zur Bar eins
fände. Zwei Blocks weiter radelten wir schon nebeneinander her. Es
war ein Jugendrad, mir etwas zu klein, und es war vorne und hinten
platt, aber das war mir egal. Bis wir an der Bar waren, war selbst
der Gummimantel durchgefahren. Ich bekam mein versprochenes Bier und
wir tranken und amüsierten uns über das Fahrrad und sahen zu, wie
vor uns eine dicke Frau auf den Tresen kletterte und völlig
betrunken auf der Bar tanzte. Als wir die Bar verließen und Wing2
sein Fahrrad aufsperrte stand direkt daneben ein schönes, halbwegs
neues Damenrad. – unangesperrt! Betrunkene scheinen auch das
gleiche Glück wie kleine Kinder zu haben. Zumindest fällt es mir
leichter, fremde Fahrräder mit in meine Wohnung zu nehmen, als
fremde Frauen. Was ich allerdings mit den vielen Fahrrädern in
meiner Wohnung jetzt mache, weiß ich noch nicht genau.
Join the car crash set
In den letzten Wochen dieses Jahres sind einige komische Sachen
passiert. Aber vielleicht bin ich auch nur in dieser seltsamen,
nachdenklichen Stimmung, in die man verfällt, wenn sich das Jahr dem
Ende neigt. In meiner Post fand ich jedenfalls neulich noch ein
liebes Schreiben mit herzlichen Weihnachtsgrüßen einer
Anwaltskanzlei aus München, die mich wegen des Herunterladens eines
Filmes mit Brad Pitt in der Hauptrolle, um 1000 Euro baten. Als würde
ein normaler Mensch 1000 Euro für einen Brad-Pitt-Film zahlen! Diese
Bayern...humorige Menschen. Man muss sie einfach mögen.
Es gibt manchmal so Phasen, da fühlt sich das Leben an, wie eine
Aneinanderreihung von Unfällen. Man denkt ständig „Hoppla! War
das jetzt meine Schuld?“ oder „Oh verdammt! Das hab ich nicht
kommen sehen!“ aber nach dem dritten oder vierten Rumms gewöhnt
man sich an das Quietschen der Reifen und das Geräusch von Blech auf
Beton. Wie immer ist auch hier die große Kunst das Loslassen. Und
nach einiger Zeit fängt man an sich zu entspannen. Unfall-Zen nenne
ich das. Man wartet lächelnd auf den nächsten Aufprall und genießt
den ganz besonderen Geruch von brennendem Kunstleder.
Worüber ich mir
allerdings nicht mehr wirklich sicher bin ist, ob die Entdeckung von
Pick Up für mich und mein Leben nun eigentlich das Eintreffen des
Krankenwagens, oder nicht viel eher einen weiteren Unfall darstellt.
Ohne Pick Up wäre mein Liebesleben dieses Jahr jedenfalls auch nicht
viel anders verlaufen. Gevögelt habe ich nicht. Aber verliebt habe
ich mich immerhin ein mal. Und das ist lustiger Weise schon ein Mal
mehr, als einige bekannte Pick Up Blogger. Allerdings kann man das
Verlieben natürlich auch nicht erzwingen, sondern nur zulassen.
So Kinderlein, nun
werde ich mich mal zu Oma und Mutti an den Kaffeetisch begeben, bevor
ich die zwei 'HBs' zur nächsten Location 'bounce', um dort die Sache
mit dem Jesuskind abzufeiern. Mein Kater hat sich etwas gebessert und
mein Magen könnte die Lebkuchen vielleicht behalten. Ich wünsche
euch allen von Herzen ganz viel Liebe und noch andere tolle Sachen!
Feiert schön, rutscht gut rein, und tut nichts, was ich nicht auch
tun würde!
Elia