Es ist Frühling.
Die Röcke werden kürzer,
die Kätzchen werden rollig,
und ich werde immer nur allergisch.
'Cock farm' oder auch 'sausage fest'
sagen die Amerikaner. Damit meinen sie meist eine Party auf der nur,
oder zumindest zu viele, Männer rumstehen. Tim von RSD hatte so mal
die Situation beschrieben, die die meisten von uns kennen. Man steht
mit 3-5 Kumpels in einem Club oder einer Bar, hält sich an seinen
Bierchen und an seinem männlichen Ego fest, klopft Sprüche über
die Blonde da hinten oder die zwei Süssen Mädels am Eingang, und
dass der Kollege doch jetzt mal rüber gehen sollte, und es passiert
nichts. Gar nichts. Das einzige was irgendwann passiert ist, dass man
Zeuge wird, wie andere Typen besagte Mädchen ansprechen. Und die
einzige Reaktion die man, gefangen in seiner Schleife aus Angst vor
Verlust seiner männlichen Coolness, darauf weiß, ist sich über die
Typen aufzuregen, was sie doch für Flachpfeifen und Affen wären.
Und wenn die Mädels sich dann auch noch darüber freuen angesprochen
worden zu sein und positiv reagieren, dann kann man auch gleich noch
eine Runde Frust und Sprüche über diese blinden, dummen Schlampen
auskotzen und all das dann mit noch 5 Runden Bier runterspülen, bis
wirklich alle Mädchen im Club mit anderen Typen beschäftigt sind
und man beschließt, den Heimweg anzutreten und sich in der Bahn oder
im Taxi nochmal eine Runde über die Ungerechtigkeit der Welt und die
Dummheit der Frauen auszuheulen oder andersherum sich gegenseitig zu
bestätigen, dass die Mädels ja auch eh fett, dumm und hässlich
waren und man sie deswegen gerne den Prolls überlassen konnte.
Ich habe Jahre in solchen Gruppen
rumgestanden. Ich weiß, wie giftig sie sind. Aber für die meisten
Männer sind sie vor allem ein Schutz. Ein Schutz vor der
Konfrontation mit der Außenwelt, ein Schutz davor aktiv werden zu
müssen und ein Schutz vor der Auseinandersetzung mit sich selbst.
Sie sind ein warmes, sicheres Nest aus Schwänzen, Bier und kernigen
Sprüchen in das man sein kleines, zitterndes Ego legen kann, damit
es sich fühlt wie ein arschcooler, neunmalkluger Bruce Willis.
Zumindest bis zu dem Moment, wo man mit 4 Litern Bier im Magen
zuhause liegt und vor einem Internetporno in sein Fleshlight spritzt.
Versteht mich nicht falsch! Ich habe weder etwas gegen Bier, noch
gegen Pornos oder Plastikmuschis. Das sind alles tolle Erfindungen.
Wogegen ich etwas habe, ist Feigheit, Passivität und verpasste
Chancen. Und die Natur hat uns für Situationen in denen wir Angst
haben nunmal nur zwei Reaktionen gelassen: Flucht oder Kampf. Und
wenn man im Kampftraining gerade nicht weiterkommt, hilft es oft
schon, sich einfach selbst die Fluchtmöglichkeit zu entziehen. Wer
keinen PlanB hat, ist gezwungen nach PlanA vorzugehen. Das ist
natürlich nicht immer so, und es gibt Jungs, die selbst wenn sie in
Zehnergruppen mit nur Männern ausgehen, immer noch das Mädel neben
sich ansprechen. Ich gehöre leider nicht zu dieser Spezies. Daher
hatte ich schon länger beschlossen, nicht mehr in Männergruppen in
Clubs zu gehen.
Ich stand also in der Stammbar und
freute mich tierisch, als Wing1 und Wing2 die Bar betraten und mich
herzlich begrüßten. Aber solche Situationen haben natürlich
durchaus einen Schizophrenen Charakter. Man hatte vor heute Nacht
alleine loszuziehen und Frauen anzusprechen, klar. Aber man mag seine
Kumpels natürlich auch und verbringt gerne Zeit mit ihnen. Nur war
der Plan für heute eben ein anderer. Also heißt es umdenken und
sich darauf einrichten, dass die Nacht wahrscheinlich etwas anders
laufen wird als vorgesehen.
Die Stimmung war dann auch genau so
matschig, wie befürchtet und so becherte man also lustig vor sich
hin. Ich hatte wohl gerade mein drittes oder viertes Bier bestellt,
als ich mich vom Tresen umdrehte und sie vor mir stand. Ich konnte im
letzten Moment noch verhindern, mein frisches Bier direkt auf ihre
Füsse fallen zu lassen. Sie war ein winziges Stück zu groß für
meinen Geschmack aber der Rest war perfekt. Schwarzer Mini, schwarzes
Top, kurze blonde Haare und ein offenes, lebendiges Strahlen von Kopf
bis zu den Doc Martens. Ich starrte sie für gefühlte zehn Sekunden
an, wie das Schulmädchen den Exhibitionisten und reagierte dann
natürlich... - NICHT. Ich fühlte die Blicke meiner zwei Freunde
neben mir und entweder war es das oder ich benutzte diese Tatsache
nur als Ausrede, was im Endeffekt völlig egal ist, weil es auf das
gleiche Ergebnis hinausläuft. Auf Nichts. Ich musste allerdings auch
gar nicht lange im großen, kalten Meer des Nicht-Ansprechens
paddeln, denn direkt neben dem blonden Engel tauchte Wing3 auf und
begrüßte mich überschwänglich. Ich konnte mich augenblicklich
soweit zusammenreißen, dass bis auf mein linkes Auge, der Rest
meines Gesichts Wing3 ansah, während er mit mir sprach. Von dem was
er sagte, kam dafür leider um so weniger zwischen meinen Ohren an.
Der schwarz gekleidete, blonde Elektromagnet, der jetzt neben mir an
der Bar seine Drinks bestellte, raubte mir leider jede Fähigkeit zur
Konzentration. Und meine Fähigkeit dies zu verbergen schein
offensichtlich auch deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden zu
sein, denn Wing3 bemerkte meine fehlende Aufmerksamkeit. „Das ist
übrigens PINA“ meinte er kurz und nickte in Richtung der Sonne,
die gerade mein astronomisches Zentrum bildete. Und Zack! Da war sie
wieder, meine Aufmerksamkeit. „Oh, Mann du kennst echt immer die
heißeste Frau in der Bar“ antwortete ich und freute mich schon
über die einfachste aller Möglichkeiten, gleich besagten Fixstern
kennenzulernen. „Ja, Mann. Die ist super heiß. Aber ich bin dran.“
erklärte er. „Wie, was heißt du bist dran? Läuft da was?“
fragte ich und betete für ein Nein. Die Antwort war so unklar, wie
die Ansage davor: „Naja...Also es lief schon mal was. Aber das ist
kompliziert.“
'Dibs!' Ruft der Amerikaner, wenn er
etwas zuerst gesehen hat und es für sich zu reservieren gedenkt.
'Dibs' ist zu akzeptieren und es sollte keine Diskussionen geben.
Zumindest nicht unter Freunden.
Ich drehte mich um und stellte mich
PINA vor. Während ich ihre schmale Hand schüttelte und versuchte
die richtige Mischung aus freundlich und cool in eine Art Tonfall
umzuwandeln, rannte in meinem Kopf ein kleiner, wütender Troll mit
verschränkten Armen fluchend im Kreis und diskutierte laut mit sich
selbst. „Hat dieser Idiot sie jetzt gerade reserviert? Soll ich
kotzen, oder was? Und was soll das überhaupt heißen, es lief schon
mal was? Hatte er etwa die Frechheit, diese Perle mit seinen
Schmutzgriffeln zu besudeln?“ fauchte der unrasierte Zwerg in mir,
während ich weitere Belanglosigkeiten mit PINA wechselte und dann
zusah, wie Wing3 sie in die dunkelste Ecke der Bar wegschleifte. Ich
brauchte zwei Bier um mich halbwegs abzukühlen. Der Troll war zwar
immer noch stinkwütend, saß jetzt aber wenigstens schmollend in
einer Ecke. Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich reagieren sollte,
aber meine Loyalität verbot mir zumindest einen Frontalangriff und
so bastelte ich mir vorerst ein Nest an der Bar und beobachtete die
Situation zwischen Wing3 und seiner “Eroberung“. Die Stunden
vergingen, Wing1 und Wing2 machten sich auf den Heimweg und ich stand
so irgendwann alleine am Tresen. Selbst die Tatsache, dass BAMBI
heute anwesend war, konnte mich nicht von den Beiden ablenken. Ich
hatte im 20-Minuten-Abstand die Lage zwischen PINA und Wing3 in
Augenschein genommen und zur Freude meines Gewissens saßen die
Beiden seit einer halben Stunde schweigend nebeneinander und starrten
synchron auf ihre Schuhe. Als sich daran weitere 10 Minuten nichts
änderte, hob ich zumindest einige Jagdbeschränkungen für den
hinteren Teil der Bar auf.
Ganz zufällig schlenderte ich kurz
danach an den Beiden Trauerweiden vorbei und setzte mich, als kein
Widerstand zu hören war, neben Wing3, so dass er zwischen PINA und
mir saß. Ich begann ein Gespräch mit ihm, das allerdings aufgrund
seiner demonstrativen Lustlosigkeit schon nach zwei Sätzen strandete
wie ein dicker Wal. PINA setzte freudig ein und übernahm das
Gespräch, während Wing3, besoffen, depressiv oder beides, weiter
vor sich hin starrte. Das Gespräch mit PINA lief phantastisch. Wir
stellten praktisch am laufenden Band Gemeinsamkeiten in unseren
Lebensläufen fest. Nach 10 Minuten hatten wir Wing3 komplett
ausgeblendet. Er geriet erst wieder in unser Sichtfeld, als er
kommentarlos aufstand und sich träge in Richtung Bar schleppte.
Allerdings waren wir zu sehr im Flow um darauf auch nur zu reagieren.
Während wir feststellten, dass wir nicht nur beide unsere Pubertät
als picklige Dorfpunks verbracht, sondern später auch beide unsere
Zeit in ANTIFA-Gruppen mit der Planung der Weltrevolution verballert
hatten, setzte sich Wing3 mit einem neuen Bier in der Hand etwas
abseits von uns an die Wand und schwieg weiter mit sich selbst um die
Wette. Die Zeit begann zu rasen und nachdem jeder von uns Wing3
einmal ergebnislos dazu aufgefordert hatte, sich doch wieder zu uns
zu setzen, rutschten wir ein Stück zusammen und schlossen die Lücke,
die er hinterlassen hatte. Die Frage, die mir nicht aus dem Kopf
ging, war: Wie geht das hier jetzt weiter? Ich konnte ja wohl
schlecht jetzt auch noch vor den Augen meines Kumpels die Nummer
seines Mädchens abstauben.
„Woher kennt ihr euch eigentlich“
fragte ich PINA schließlich, um mir zumindest mal die Geschichte aus
ihrer Sicht anzuhören. „Er hat mich draußen vor der Bar
angesprochen, aber wir kennen uns noch von früher“ gab sie kurz
zurück. Für mich klang das alles so gar nicht nach einer jungen
Romanze und während ich noch am grübeln war, wie man von hier aus
nun diplomatisch weiterspielen konnte, kam mir PINA zuvor. „Hey,
was machst du eigentlich am 1.Mai?“ fragte sie „wir wollten nach
Kreuzberg auf die Demo. Komm doch auch.“. „Dingdingdingdingding!
Deal closed!“ klingelte es in meinem Kopf. Leider beschloss Wing3
in genau diesem Moment, sich doch wieder zu uns zu setzen um uns zu
erklären, dass es hier heute scheiße sei und er jetzt nachhause
gehe. Wir standen alle drei auf und PINA schien ebenfalls gehen zu
wollen. Die Runde löste sich also auf, noch bevor ich konkreter auf
ein Treffen am 1.Mai eingehen hätte können. Nachdem beide gegangen
waren, genehmigte ich mir noch ein Bier und zog dann weiter in Club2.
In Club2 durfte ich mal wieder Zeuge
der einzigartigen BAMBI-Show werden, die mich mittlerweile aber kaum
noch aus dem Konzept bringt. In den frühen Morgenstunden tauchte das
Psycho-Reh im Club auf und setzte sich in die dunkelste Ecke. Sie
sprach mich im Vorbeigehen kurz an, schickte mich dann aber mit dem
Verweis, sie wolle heute lieber alleine sein, wieder weg, um mich im
Anschluss die übrige Zeit mit grimmigem Blick aus ihrer Ecke
anzustarren als hätte ich ihr etwas getan.
Es war schon lange hell als ich
nachhause kam und meine neue Mitbewohnerin (Hallo Sophia) war gerade
am Kofferpacken. Ich erzählte ihr von dem PINA-Disaster und half ihr
noch mit letzter Kraft die Koffer ins Auto zu wuchten. Gegen Mittag
fiel ich dann in einen hundertjährigen Schlaf.
Als der Prinz mich wach küsste und ich
zu meiner Erleichterung feststellen musste, dass es nur die fiese
Abendsonne war, die in mein Schafzimmer ballerte, stand ich auf,
machte mir einen Kaffee und begann zu überlegen, wie das mit dem
1.Mai zu handhaben sei. Wing3 ist ein Brot. Daran brauchte man nichts
schön zu reden. Wahrscheinlich konnte ich mich getrost bei ihm
melden um mich für den 1.Mai anzukündigen, ohne dass er etwas ahnen
würde. Und was mein Gewissen betraf, entschied ich mich zu der
Haltung, wer 'Dibs' ruft, musst auch B sagen... äää... oder so
ähnlich.
Der 1.Mai begann leicht verkatert. Ich
wusste, ich hatte vor PINA (und Wing3) zu treffen, aber in der Nacht
vor dem Kampftag der Arbeiterklasse war nunmal in den Berliner Clubs
und Bars die Hölle los und daher bestand Partypflicht. Gegen
14:00Uhr hatte ich mich mit Kaffee soweit aufgepäppelt, dass ich
mich unter die Dusche traute. Danach kontaktierte ich Wing3. Wie zu
erwarten schlug er begeistert vor, wir sollten uns am besten in einer
Rockabilly-Bar in Kreuzberg treffen. Sie würden sich jetzt auf den
Weg dorthin machen. Ich bügelte mein Gesicht, putzte die Zähne,
wusch mir das Hirn und machte mich auf den Weg nach Kreuzberg. Ich
war zu früh und die zwei waren noch nicht da als ich in der Bar
ankam. Ich entscheid mich erstmal für Frühstück (16:00Uhr) und
setzte mich in einen Gözleme Imbiss auf die andere Straßenseite.
Nach den ersten Bissen sah ich Wing3 um die Ecke biegen. PINA, die
hinter ihm her schwankte und sich gelegentlich an einer Hauswand
stützen musste, hatte sich seit dem Wochenende offensichtlich in
einen volltrunkenen, großen Typen mit Sonnenbrille und Mod-Styling
verwandelt. Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Spasti! Und dafür
hatte ich mich so früh (13:00Uhr) aus dem Bett gequält? Na klar,
einmal wenn man nicht alles gegen checkt.... Er hatte eben am Telefon
immer nur “Wir“ gesagt aber das nicht genauer spezifiziert. Mit
fiel fast der Bissen Gözleme aus dem Gesicht als die zwei
betrunkenen Vögel sich lustig schnatternd zu mir an den klapprigen
Biertisch setzten. Auf den Schreck brauchte ich erstmal einen Tee.
Außerdem wollte ich auch nicht, dass nach einer durchfeierten Nacht
das erste was mein Magen an Flüssigkeit zu sehen bekommt schon
wieder Bier ist.
Zehn Minuten später bestellte ich bei
dem hübschen Rockabilly-Mädel auf der anderen Straßenseite ein
Bier. Die anderen waren mir sowieso schon uneinholbare 5-6 Bier
voraus. Eine Stunde später begann ich zu quängeln. Ich wollte auf
die Demo. PINA hatte ja gesagt, sie würde auf die Demo gehen. Die
Jungs waren inzwischen ziemlich breit und dementsprechend leicht von
fast allem zu überzeugen, was man mit ihnen anstellen wollte. Auf
dem Weg schnitt ich unauffällig gegenüber Wing3 das Thema PINA an.
„Ja, die hat sich vor nem halben Jahr von ihrem Freund getrennt“
erklärte er mir „Ihr Ex war Straight Edge. Die waren 7 Jahre
zusammen. Naja... Und seit ein paar Wochen haben wir so bisschen was
am Laufen, aber sie will nix festes, weil sie sagt, sie kann nur mit
einem Mann zusammen sein, der Veganer ist.“. Ich dachte erst er
hätte einen Witz gemacht, bis ich sein toternstes Biergesicht sah.
„Oh, verdammt!“ dachte ich mir. Offensichtlich war die so tolle
gemeinsame Vergangenheit in den Reihen der humorlosen Politniks, die
ich mit PINA neulich erörtert hatte zwar durchaus gegeben. Nur dass
ihre “Vergangenheit“ ein paar Monate und meine 15 Jahre
zurücklag. „Naja... Noch nicht gleich abhaken“ beruhigte ich
mich selbst „vielleicht ist das auch nur ihre Art sich Wing3 etwas
vom Hals zu halten“.
Wir erreichten die Demo, die wie
geplant um 18:00 nicht los ging. Und um 19:00 auch nicht.
Mittlerweile waren meine zwei Begleiter so sternhagelvoll, dass man
ihnen schon zu ihrer eigenen Sicherheit zeigen musste, was ein dicker
Baum und was ein Bulle war, damit sie nicht einem Freund oder gar
einem Helfer gegen das Bein urinierten. Als sich langsam eine Art
Formation zu bilden begann, versuchte ich die zwei Freaks erstmal
davon abzuhalten permanent kurdische Mädchen zu approachen, die
Unterschriften für die Freilassung Abdullah Öcalans sammelten und
im Übrigen die Namen meiner zwei Freunde mittlerweile auch schon
knappe zehn mal auf ihren Listen hatten, um dann Beide in Richtung
Spitze des Zuges zu bewegen. Auf dem Weg wurden die Klamotten der uns
umgebenden Menschen immer schwärzer und einheitlicher. Zwischen ein
paar Bäumen stoppte Wing3 plötzlich, deutete auf eine Gruppe
Autonomer und stammelte irgendetwas unverständliches in den Ärmel
seiner Lederjacke. Ich erkannte sie zuerst nicht. Autonome sehen am
1.Mai in Kreuzberg, wie gesagt, alle ziemlich gleich aus. Dafür
erkannte sie jetzt uns. Wir müssen ein seltsames Bild abgegeben
haben, was ich ihrem Gesichtsausdruck entnehmen konnte. Wing3 kippte
gerade langsam mit ausgestrecktem Arm nach rechts. Neben ihm stand
zum Glück sein genauso besoffener Kollege mit zwei Plastikbechern
Bier in der Hand und einer völlig schiefen Sonnenbrille im Gesicht
und versuchte ihn unter erheblichem Bierverlust aufzufangen. Und ein
Stück dahinter stand ich. Unvorbereitet auf diesen Moment, in meinem
coolsten Hemd und natürlich so ganz ohne Kapuzenpulli. Und auch ohne
Schal. Und auch ohne Sonnenbrille und schwarze Cappy. Und auch ohne
radikale politische Ansichten. Ich hatte ihr nichts davon
mitgebracht. Noch nicht einmal Hass, Hass, Hass. Nicht mal einen
beschissenen kleinen ANTIFA-Anstecker, eine Palästina-Fahne,....
Nichts! Mein social proof war auf Null. Meine Chance, politisch
korrekten Sex mit ihr zu haben ebenso. Sie lächelte kurz zu uns
herüber und winkte. Ich winkte zurück. Die zwei anderen führten
eine Art modernen, avantgardistischen Ausdruckstanz mit Bierbechern
auf. Dann zog einer der radikalen, schwarzvermummten, jungen, wilden
Sex-Veganer PINA mit sich in die Demo und von uns weg. Ich hab sie
seit dem nicht mehr gesehen.
Wir hatten an diesem Abend noch
reichlich Spaß. Es floss noch einiges an Bier, es wurden diverse
radikale Forderungen in die Welt hinaus gerufen, Dinge durch die
Gegend geworfen und kleinere Autos auf den Kopf gedreht. Aber es war
keiner von uns, der in dieser Nacht PINA schmutzige Tier- und
Pflanzen-Namen geben durfte und es war keiner von uns der es ihr
radikal von rechts und ganz links besorgte. Schade eigentlich. Aber
so ist die Welt nunmal. Ungerecht. Ein Schweine-System.
Ich habe neulich einer Kollegin, die
Veganerin ist, von PINAS Ansichten zu Beziehungen mit Nicht-Veganern
erzählt. Sie meinte überraschenderweise, sie könne das sehr gut
verstehen. Ihr ginge es auch oft so. Allerdings gar nicht aus
politischen Gründen sondern aus ganz physischen. Sie behauptete,
Menschen die tierische Produkte essen, hätten einen anderen
Körpergeruch als Veganer und sie würde diesen Körpergeruch als
sehr unangenehm empfinden. Ich fragte sie, wonach wir denn nach ihrem
Empfinden riechen würden. Sie sagte, nach Käse.
Ich sollte dringend mal wieder auf ein
ANTIFA-Plenum gehen. Und dieses Käse-Thema ansprechen.
Elia
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