Die Vorgeschichte zu unserem Treffen
begann aber deutlich früher. In diversen Foren und Facebook-Gruppen
sammelten sich schon länger erste Anzeichen eines aufziehenden
Pick-Up-Sturms über Berlin. Dass dieser sich aber zu einer heftigen
Flut ausweiten würde, war erst gegen Anfang der vorletzten Woche
abzusehen. Als erster hatte sich Mark Manson zu einem Vortrag
angekündigt. Ich wollte ihn auf keinen Fall verpassen und ließ mir,
um von angereisten Pick-Up-Nerds (Hallo Mirko) und rolligen
PUA-Groupies, die mich eventuell mit Sebastian-X verwechseln könnten,
nicht erkannt zu werden lange, goldene Locken wachsen und besorgte
mir eine lustige, runde Brille mit Plastiknase und Schnurrbart. So
verkleidet saß ich dann fast eine ganze Woche vorher schon aufgeregt
in meiner Wohnung und entscheid mich kurz davor doch lieber gar nicht
hin zu gehen. Es waren nicht so sehr die Mädchen, die mir Angst
machten. Gegen die Groupies hatte ich schon extra ein gelbes Post-It
mit der Aufschrift „Ich bin nicht Sebastian-X“ vorbereitet, aber
bei Mirko konnte man einfach nie wissen und vielleicht hätte mich
meine Tarnung ja auch erst recht verraten. Das konnte ich nicht
riskieren.
Nachdem Mark Manson also als Direktor
die Eröffnung des großen Pick Up Zirkus in Berlin übernommen
hatte, folgte ihm wenige Tage später, wie in jedem guten
Abendprogramm, die erste schöne Frau in Form von Clarisse Thorn, die
sich selbst als “feminist, pro-BDSM, sex-positive activist“
bezeichnet und in Berlin ihr Buch Confessions of a Pick Up Artist
Chaser vorstellte, dass gerade
in Deutschland unter dem Titel Fiese Kerle?
erschienen war (übrigens mein persönlicher Literatur-Tip des
Monats). Auch diesen Auftritt konnte ich gerade noch mit letzter
Kraft meiden, aber ich bemerkte mit Sorge, dass es dunkler wurde am
Himmel über Berlin und sich langsam aber sicher etwas
zusammenbraute. Nachdem der Direktor gesprochen hatte und die schöne
Frau erfolgreich zersägt war, war es Zeit für den Auftritt der
Clowns. Milan Marko sprang unter tobendem Applaus aus einer riesigen
Torte. In meinen Augen ein Mann, der von sich zwar behauptet ein
Coach zu sein, in Wirklichkeit aber ein Clown ist (mal ganz ehrlich –
weiß jemand, was wirklich aus Herman Van Veen geworden ist?). Und
noch bevor das Lachen sich legte, eierte Sasha Daygame auf einem
klitzekleinen, bunten Einrad in die Manege. Ein Mann, der von sich
zwar behauptet ein Clown zu sein, in Wirklichkeit aber wohl ein Coach
ist. Und Sasha kam nicht allein. Ihm folgte ein winziges, buntes, mit
Ballons und Fähnchen dekoriertes Auto aus dem zu allen Fenstern
seine Kollegen winkten. Im Gefolge hatte er James Marshall, Alan
Roger Currie, Badboy, Steve Pavlina und besagten Johnny Soporno. Mit
einer derartigen Pick-Up-Flut war das Berliner Kanalsystem endgültig
überfordert. Nur die wenigsten Mütter konnten ihre Töchter noch
von den Straßen holen und in die obersten Stockwerke retten. Binnen
Stunden liefen hunderte Kellerclubs voll. Selbst Steven Bethkes
Milchschnittenlager in Kleinmachnow wurden von den hereinbrechenden
Fluten gnadenlos weggespült.
Ich fühlte mich in meiner Wohnung im
dritten Stock noch bis Donnerstag relativ sicher. Jedenfalls bis zu
dem Moment als ich beim Kaffeekochen beobachten konnte, wie Sophia
Marlen mit einem Schlauchboot und geschätzten 15 Koffern an meinem
Balkon anlegte. „Ich komm grad von Sebastian-X!“ trällerte sie
mir durch die Fensterscheiben entgegen „der hat mich gestern
bekocht. Und heute bist du dran!“. Das war der Moment als ich mich
das erste mal an meinem Kaffee verschluckte. Endgültig zur Nase raus
kam mir das heiße Zeug als sie, während sie die ersten fünf Koffer
auf meinen Balkon warf, hinterhersetzte „Ich teste gerade meine
Theorie, dass Männer umso besser kochen, desto weniger Sex sie
haben. Demnach müsstest du ein wahrer Paul Bucuse sein!“.
Als ich meine Nebenhöhlen, meine
Plastiknase und meinen Schnurrbart nach einer halben Stunde wieder
kaffeefrei hatte, begann ich also zum einen mit dem Gemüseschnippeln
und zum anderen, mich damit abzufinden, dass die Pick-Up-Flut jetzt
auch mein Stockwerk erreicht hatte. Ich überließ Sophia die
Whisky-Auswahl (Madame hat überraschenderweise eine Vorliebe für
die torfigen Islays) und wir machten es uns in meiner Küche
gemütlich. So gemütlich jedenfalls, wie man es sich machen kann mit
jemandem, dessen Handy alle 5 Minuten vibriert. „Das ist Johnny
Soporno!“ freute sich Sophia nach der gefühlt fünfzehnten SMS „er
sitzt mit Sasha und Steve Pavlina im Schleusenkrug und fragt, ob wir
noch auf ein Bier vorbeikommen wollen“. Mir gingen zwei Gedanken
gleichzeitig durch den Kopf. „Die Einschläge kommen näher...“
war der eine. Der andere war „Wer ist Johnny Soporno?“.
Titten, Titten, Titten. Und daneben
immer wieder ein grinsender Typ mit buntem Hemd und Teufelshörnchen
auf den Geheimratsecken. Das war es was die Google-Bildersuche mir zu
dem Namen Johnny Soporno ausspuckte. Ich lag auf meinem Bett, starrte
auf meinen Laptop und tat sonst nichts außer darauf warten, was mein
Magen zu der großen Menge Lachs und Ardbeg noch zu sagen hätte als
Sophia in mein Zimmer getänzelt kam. „Denkst du ich kann das so
anziehen? Na los komm mit! Was sagt dieser Rock zu dir? Lass mich da
nicht alleine hingehen!“ ballerte sie los und drehte sich vor
meinem Spiegel hin und her. „Boa, ne....Lass mal. Ich glaube das
ist keine gute Idee“ grummelte ich von Bett. „Du meinst den Rock
zu dem Top?“ „Nein! Ich mein, dass ich da jetzt mitkomme“ „Ach
komm, das wird lustig. Wir stellen dich als Felix vor und du kannst
was witziges für deinen Blog schreiben. Bitte, bitte, bitte, bitte.“
„Nein! Ende, aus. Das ist keine gute Idee. Punkt.“. Sophia gab
sich geschlagen und zog alleine los. Ich war stolz auf mich. Ich
hatte der Versuchung widerstanden. Sehr gut. „Nur nicht in diesen
Pick-Up-Sumpf reinziehen lassen“ dachte ich mir „Behalte deinen
Sicherheitsabstand zu den Freaks aus der Szene“.
„Elia. Hi.“ stellte ich mich kurz
vor, schüttelte die kräftige Hand und schielte mit einem Auge auf
die Teufelshörnchen, die vor mir auf dem Tisch lagen. Johnny Soporno
grinste mich an und Sophia winkte von dem Sofa herüber, auf dem sie
sich in bester Kleopatra-Manier lang gemacht hatte. Zu meiner
persönlichen Verteidigung sei gesagt, dass dies nicht an besagtem
Donnerstag Abend sondern einen Tage später stattfand. Sophia hatte
sich mit Johnny Soporno in einem Park verabredet und mich später
angerufen und gefragt, ob ich mich nicht mit ihnen in einem Cafè
treffen wolle. Es seien nur sie beide anwesend und der lokale
Pick-Up-Mob noch nicht in Sicht. Die Versuchung, der ich am Vorabend
noch widerstehen konnte, war nun leider zu groß.
The Cumshot Theory
Dass Johnny
Soporno in Berlin war um zu reden, wurde mir schon Sekunden nachdem
ich mich gesetzt hatte eindeutig klar. Er witzelte mit mir genau zwei
Sätze, ob es schon spät genug am Tag sei um ein Bier zu trinken und
dann legte er auch schon direkt und ungefragt los und hielt eine
Ansprache über Alphamännchen und den weiblichen Zyklus. Ich war
nicht gekommen um ein Bier zu trinken und einen Vortrag zu hören,
also schaltete ich mich mal kritisch und ohne Handzeichen in die
Ansprache ein. Resultat meiner Aktion war eine halbstündige
Diskussion über Darwinismus an deren Ende es uns beiden so schwer
fiel den feinen Unterschied zwischen Männern und Affen zu erkennen,
dass Sophia, die inzwischen sichtlich gelangweilt auf dem Sofa noch
tiefer gerutscht war, uns höflich bitten musste aufzuhören uns
gegenseitig zu lausen und darauf hinwies, dass der mittelgroße
Strauch neben uns eine Topfpflanze war und es in diesem Cafè
durchaus Toiletten gab. Völlig rausgerissen aus unserem
Steinzeit-Flow, sammelten wir unsere Hosen und Schuhe ein und setzten
uns wieder brav zu Sophia an den kleinen Couchtisch. Sie verkündete
den beiden Alphamännchen, sie sei gelangweilt und hungrig, was eine
beschissene Kombination sei, und wir würden jetzt etwas essen gehen.
Basta.
Wir zahlten und
machten uns auf die Suche nach einem Restaurant. Kaum hatten wir das
Cafè verlassen, begann es zu nieseln und wir witzelten, dass das
wohl das Berliner Anti-Daygame(oder “Gaydame“ wie Johnny Soprono
es nannte)-Wetter sei und all die kleinen Sashas da draußen jetzt
ihre Infield-Übungen ins Alexa, zu Karstadt oder zu IKEA in die
Betten-Abteilung verlegen müssten. Während Sophia uns durch diverse
Restaurants führte, die ihr aber alle nicht passten, trotteten wir
zwei Alphas hinterher und Johnny erklärte mir, wie verrückt er nach
Sophia sei und dass es keine Rolle spiele, wie lange man auf eine
Frau warten müsse, man müsse nur immer absolut ehrlich zu sich und
ihr sein und irgendwann würde es dann passieren. Sophia entschied
sich für ein kleines Thai-Restaurant und wir bestellten. Als ich
Johnny ein wenig nach seiner Heimat und seinem Lebenslauf ausfragte,
schien er mir enttäuscht über die Tatsache, dass ich ganz
offensichtlich nichts über ihn wusste. Er erzählte uns einige
kleine Anekdoten in denen er unter anderem immer mal wieder einen
gewissen “Erik“ erwähnte. Als ich schnallte, dass er von Mystery
sprach wurde mir klar, dass der lustige Onkel mit dem bunten Hemd
wohl doch schon ein, zwei Tage länger in Sachen Pick Up unterwegs
war als meinereiner. Ich fragte ihn, was er empfinde, wenn er sich
die PU-Community heute betrachte. Er schwieg zwei Atemzüge, was
ziemlich ungewöhnlich war, und antwortete: „I feel sad. I think
it's tragic. Really tragic. You know Elia, that's why i don't teach
Pick Up“. Ich war etwas verwirrt und wollte gerade noch einmal
nachhaken, aber Mr. Soporno entschied, dass es jetzt wohl an der Zeit
sei, sein volles Cola-Glas umzuwerfen um wieder ein bisschen Stimmung
an den Tisch zu bringen. Schon wieder eine Flutkatastrophe. Diesmal
waren Sophias Schuhe die tragischen Opfer.
Als Johnny Soporno
von den Toiletten zurückkam präsentierte er uns erst sein
geheimnisvolles Schuh-Foto (er bestand darauf es sei wirklich nur
Seife) und im Anschluss einen alten Bekannten, den er gebeten hatte
sich unserer Runde anzuschließen. Er stellte Sophia und seinen
Bekannten als Coaches vor. Bei mir angekommen zögerte er „And
that's Elia. Elia is....... Elia is not involved“ Ich musste laut
lachen „Thanks! I can the see the big letters on my head: NOT
INVOLVED“. Als sich die Flut und die Aufregung wieder gelegt hatten
berichtete Johnny von seiner Porno-Schule, in der er für diverse
Porno-Firmen Mädchen ausbilden würde. „Tell me your favourite
Porn-Stars!“ antwortete er auf meine Frage, welche seiner
Schülerinnen man denn vielleicht kennen könnte. Bei Jenni Lee
musste er passen, aber als ich nach Kasey Chase fragte fingen seine
Augen an zu leuchten. „Oh, yeah. Kasey is a sweetheart. I knew her
before she had this tattoo“ plauderte er aus dem Nähkästchen. Da
er nicht nur in der Porno-Industrie arbeitet, sondern auch mit einem
Porno-Star zusammen ist, hatten wir ein weiteres gemeinsames
Lieblingsthema gefunden. Johnny erzählte stolz, dass er auf Grund
seiner Treffsicherheit früher gerne auch bei Porno-Shoots als
Cumshot-Double genommen wurde. Die Mädchen waren sich bei ihm
besonders sicher, nichts in die Augen zu bekommen. Als wir gerade
über den Tod von Harry S. Morgan sprachen, auf dessen Beerdigung
Johnny war, bemerkte ich, dass Sophia begann an Johnnys Canon und dem
daneben liegenden seltsamen Stab herumzuspielen.
„Give me your
hand“ sagte Johnny knapp, als er Sophias Interesse bemerkte. Sie
zögerte erst etwas verdutzt, reichte ihm dann aber doch ihre linke
Hand über den Tisch. Er begann sofort ihre Handfläche mit seinen
Daumen zu massieren, nahm aber nach kurzer Zeit den kleinen
Plastikstab dazu. Sein Bekannter und ich griffen gleichzeitig nach
unseren Handys als die Tischplatte ein vibrierendes Summen von sich
gab. Es dauerte zwei Sekunden, bis wir grinsend bemerkten, dass es
Johnny Sopornos Massagestab war, der gerade Sophias Handfläche
bearbeitete. Er klärte uns nebenbei kurz darüber auf, dass er
ausserdem natürlich auch Massagetherapeut sei, widmete sich dann
aber wieder ganz Sophias Händen. Sophia schien binnen Sekunden in
eine Hypnotische Starre verfallen zu sein. Während Johnny weiter vor
sich hin knetete und vibrierte, erzählte er uns ausführlich die
Entstehungsgeschichte von Ars Amorata. Als er gerade mitten in einer
Anekdote zu Zan Perrion und der Website von Ars Amorata war, stand er
kommentarlos auf, ging hinter mir um den Tisch herum und setzte sich
neben Sophia, die jetzt erst wieder aus der Tiefenentspannung zu
erwachen schien und ihn kurz fragte, was er denn vorhabe. Ohne auf
seine weiteren Pläne einzugehen, setzte er sich neben Sophia und
begann damit ihrem Rücken die gleiche Behandlung zukommen zu lassen
wie kurz zuvor ihren Händen. Sophia schien sich kurz wehren zu
wollen verfiel aber, als das leise Brummen hinter ihrem Rücken
einsetzte, wieder in das selbe genussvolle Schweigen. Der große Mann
mit dem Blümchenhemd grinste mich zufrieden an und ich überlegte
still, ob ich mir so einen elektrischen Frauenflüsterer vielleicht
auch zulegen sollte.
Gegen Ende des
Abends war so der ganze Tisch mit entspannter Freude beseelt. Johnnys
Bekannter widmete sich, genau wie ich, den Freuden des Bierkonsums
und lauschte mit mir zusammen widerstandslos Johnnys Weisheiten.
Sophia schien ihren Körper verlassen zu haben und schwebte in
völliger Gelöstheit zwei Meter über dem Tisch, während Johnny
sich mit beiden Händen um ihren Rücken kümmerte und uns gerade zum
Besten gab: „Every person has a special talent. The problem with
our society is that only very few are trying to get good at it. Most
of us are just trying to get good ENOUGH“. Danach erörtere er uns
zum wiederholten Male die Großartigkeit von polygamen Beziehungen.
Ich gebe zu, zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon das ein oder
andere Mal meinen Körper verlassen und war ein paar Runden in meinem
Bierglas schwimmen gegangen. Offensichtlich konnte sein
Mitteilungsbedürfnis eine ebenso hypnotische Wirkung haben, wie sein
Massagestab. Irgendwann erwachte Sophia aber doch aus den Tiefen
ihrer selbst. Das, oder die Batterien von Johnnys Plastikstab waren
leer. Jedenfalls grinste sie mich zufrieden an und verkündete, dass
es Zeit sei zu gehen. Ich erzählte Johnny noch, dass ich auf
facebook gesehen hatte, dass Clarisse Thorn heute Nacht im Berghain
sei. Um zu tanzen, nicht um zu lesen. Ob die beiden sich in dieser
Nacht noch zwischen zehn riesigen, durchtrainierten Schwulen vor den
Darkrooms im Berghain begegneten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Clarisse hätte Johnnys Massage sicher auch genossen. Johnny wehrte
sich noch kurz dagegen, dass Sophia aufstehen wollte, aber wie den
ganzen Tag schon, folgten wir auch hier wieder den Entscheidungen
unseres Alpha-Weibchens. Wir zahlten und machten uns durch den
Sommerregen auf den Weg nachhause.
Johnny Soporno ist
ein großartiger Redner und mit Abstand eine der durchgeknalltesten
Personen, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Müsste ich ihn
beschreiben, würde ich sagen er ist die perfekte Mischung aus einem
Hippie, einem Pornoproduzenten und einem Sex-Guru. Er hat ein großes
Herz, einen zielsicheren Penis und einen abgefahrenen, kleinen
Massagestab. Eigentlich alles was ein Mann haben sollte. Das einzige
was ihm fehlt, ist eine Pause-Taste.
Ich hoffe er
verzeiht mir, dass ich nicht erwähnt hatte, dass ich einen Pick Up
Blog schreibe.
Elia
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