
Der Abend hatte sehr ruhig begonnen.
Ich hatte mich mit Wing1 in der Stammbar verabredet und gelangweilt
ein paar Bier getrunken, bis uns besagtes Mädchen auffiel. Sie
entsprach äußerlich so exakt meinem Beuteschema, dass wir nichts
sagen mussten und trotzdem sofort beide wussten, was Phase war. Sie
stand draussen vor der Bar und gestikulierte wild. Aus der Bar heraus
konnten wir weder hören, was sie sagte, noch sehen mit wem sie so
aufgebracht diskutierte. Erst als die beiden Streithähne schweigend
hintereinander in die Bar zurück trotteten, sahen wir das zweite
Mädchen. Sie war im gleichen Alter und fast genauso hübsch, wie
ihre Freundin. Ich kann nicht genau sagen, ob es nur die Art war, wie
die beiden miteinander stritten, oder noch andere Indizien dazu
kamen, jedenfalls schlug mein Lesben-Radar deutlich aus. Ich
benötigte ein Frust-Bier, um wieder woandershin sehen zu können.
Wir saßen noch eine ganze Weile an der Bar, bis Wing1 sich
verabschiedete, um in den Absturzclub weiterzuziehen. Fast zeitgleich
erschien Wing3, merklich vorbetankt wie immer. Ich machte mit ihm
also direkt da weiter, wo ich mit Wing1 aufgehört hatte. Ich musste
aber schon nach kurzer Zeit feststellen, dass er in einem noch
verheerenderen Zustand war, als ich angenommen hatte. Er hatte sich
offensichtlich bereits über den „Talky-Mode“, wie ich ihn nenne,
hinübergetrunken und war in der Phase angekommen, in der die meisten
eher still werden und auf ihr Bier starren. Dann kam Sie.
Sie lief an uns vorbei und Wing3 fuhr
hoch, wie ein Junkie, dem der Notarzt die reanimierende Ladung
Adrenalin gespritzt hat. Er war plötzlich wieder voll da.
Wäre ich mir nicht so verdammt sicher
gewesen, hätte ich ihn natürlich niemals zurückgehalten. Der Mann
war im perfekten Zustand um alles und jeden anzusprechen, solange er
sich dabei nur irgendwo hätte festhalten können. Aber aus meinem
Blickwinkel hatte ich die Schönheit auch schon eine ganze Weile
dabei beobachtet, wie sie sich mit ihrer Begleitung wieder versöhnt
hatte und war mir einfach zu sicher, dass er ohne
Geschlechtsumwandlung bei ihr heute Abend keine Chance haben würde.
Letztendlich war es aber auch ganz egal, denn seit er sie gesehen
hatte, kam bei meinem lieben Bargenossen sowieso nichts von all dem
mehr an, was ich zu sagen hatte. Ich redete also noch eine knappe
viertel Stunde mit seinem Gesicht und trank mein Bier aus. Dann ging
ich kurz zur Toilette. Ich hätte wissen müssen, was nun kam.
Als ich zurückkehrte, war der
Barhocker, auf dem Wing3 gerade noch gesessen hatte verlassen. Ich
ließ meinen Blick kurz durch den Raum wandern und entdeckte ihn
schließlich. Er saß zwischen(!) den beiden Mädels und redete unter
seinen halb geschlossenen Augenliedern hindurch mit der hübscheren
von beiden. „Oh, well...“ dachte
ich mir und gesellte mich kommentarlos zu dem seltsamen Trio. Als ich
mich gerade setzte, blickte Wing3 kurz hilflos zu mir hoch und ich
hörte, wie die hübsche Kleine ihm gerade, mit der sanften Betonung
einer Kindergärtnerin, erklärte „Yes, but as i told you allready,
we are lesbians“. Ich war zu gespannt auf den Fortgang dieser
Unterhaltung, um irgendetwas sagen zu können. Ich nickte den beiden
Mädels freundlich zu und wartete darauf, dass Wing3 etwas sagen
würde, aber der starrte mich nur ausdruckslos und traurig an. Nach
einer Pause, die mir endlos erschien, drehte er sich langsam wieder
zu seiner Traumfrau um, und antwortete „Yea, ok.... Ok. But...
Ähm... But, what about a threesome?“.
Ich konnte es
selbst kaum glauben, und dem Ausdruck in ihrem Gesicht nach, musste
auch das Mädel erst kurz überlegen, ob sie sich vielleicht verhört
hatte. Ich war fast ein wenig stolz auf Wing3. Er hatte es in seinem
Suff-Hirn doch tatsächlich geschafft, noch einen letzten Funken
Hoffnung, einen letzten kleinen Weg zu finden, um vielleicht doch
noch Sex mit einer Frau haben zu können, die ihm gerade erklärt
hatte, dass er zwischen ihr und ihrer Lebensgefährtin saß. Fast
mittleidig legte sie ihren Kopf etwas schräg, bevor sie ihm
antwortete „No. No, i'm sorry. No threesomes“. Man konnte fast
hören, wie ein Trinkerherz brach und ein weiterer großer Traum der
Menschheit beerdigt wurde. Es folgte ein geradezu andächtiger Moment
der Ruhe zwischen den Dreien. Wing3 brauchte ein paar Sekunden um zu
trauern und die Mädels suchten den Raum wahrscheinlich insgeheim
nach versteckten Kameras ab. Ich entschloss mich, diesem
zwischenmenschlichen Drama einen Ausweg zu bieten. „Hi, i'm Elia“
stellte ich mich vor. So was wie Erleichterung machte sich bei den
Mädels breit, während Wing3, immer noch in sich zusammengesunken da
saß. Mit ihm war für heute wohl nicht mehr zu rechnen, und so
begann ich ein wenig Smalltalk um von der menschlichen Tragödie
unter uns abzulenken.
Es stellte sich
schnell heraus, dass die hübschere von beiden zufällig den gleichen
Job hatte wie ich, und so entstand blitzschnell eine sehr angeregte
Unterhaltung, wenn auch über ihre Freundin und die Reste meines
Freundes hinweg. Wing3 sagte nicht nur nichts mehr, er bewegte sich
auch nicht mehr, seit er erfahren hatte, dass es heute keinen Sex
mehr geben würde. Wozu auch?
Nachdem ich mich
eine ganze Zeit sehr gut mit den Mädels unterhalten hatte, stand er
dann aber urplötzlich doch ganz langsam auf. Wie ein Zombie oder ein
Narkosepatient machte er vier Schritte von uns weg, und ließ sich
zwei Meter weiter erschöpft auf eine Bank fallen. Er lehnte seinen
Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Wir betrachteten das
Schauspiel alle kurz und setzten dann unsere Unterhaltung fort. Ich
setzte mich jetzt zwischen die Beiden, da keine von ihnen Anstalten
machte, aufzurutschen. Nach einer halben Stunde fragten wir etwas
besorgt bei Wing3 nach, ob er sich nicht doch wieder zu uns setzen
wolle. Er öffnete kurz die Augen, aber verneinte. Stattdessen stand
er zwei Minuten später auf, verabschiedete sich kurz (bei mir, nicht
bei den Mädels) und ging nachhause. Er wirkte gebrochen. Also
deutlich gebrochener als sonst. Er hatte mutig und hoch gepokert und
war mit all der Euphorie, mit all dem Endorphin, und Adrenalin, und
was sein kleiner Körper sonst noch so produziert hatte, und mit ganz
viel Anlauf gegen eine regenbogenfarbene Wand gerannt. Ich blickte
ihm noch kurz nach, dann setzte ich mein Gespräch fort. Die beiden
waren tatsächlich ziemlich witzig, und ich konnte mit der Hübscheren
endlos über unseren Job philosophieren.
Es war der
Höhepunkt unseres Gespräches, ich war gerade richtig in Fahrt und
gestikulierte wild, als mir auffiel, dass die zwei Mädels mich gar
nicht mehr ansahen, während ich meinen Vortrag hielt. Stattdessen
blickten sie beide auf meine Hand, oder besser gesagt, auf meinen
Ärmel, oder noch besser gesagt, auf das Kabel, das aus meinem
Jackenärmel hing und an dessen Ende dieses kleine Mikrofon baumelte
und durch die Luft wirbelte, während ich sprach.
Hupsi!... Das Teil
hatte ich ja völlig vergessen! Und jetzt starrten wir es alle drei
an....
Ich
überlegte kurz, nahm dann das Mikrofon und klemmte es einfach
kommentarlos wieder an meinen Jackenärmel. Dann sprach ich weiter,
als wäre nichts gewesen. Zu meiner Überraschung reagierten die
Mädels kein bisschen und fragten auch nicht nach. „Eigentlich auch
logisch“ dachte ich mir erleichtert „wer würde auch auf die Idee
kommen, dass ein Typ nachts in einer Bar seine Gespräche mit einem
Mikrofon im Ärmel mitschneidet. Welcher Vollpsycho würde denn so
eine Scheiße machen?“
Es wurde noch ein
sehr langes und lustiges Gespräch, an dessen Ende wir Nummern und
Mailadressen tauschten, da die Kleine mir unbedingt Arbeiten von sich
schicken wollte. Aus 'PUA-Sicht' hatte ich voll versagt und die halbe
Nacht mit zwei Lesben verplempert. Als Nice-Guy verstehe mich
aber logischerweise auch einfach zu gut mit schwulen Mädchen. Wir
verabschiedeten uns und ich zog weiter in den Absturzclub.
Ich habe mir gerade
nochmal schnell einige Stellen meiner Aufnahme aus dieser Nacht
angehört. Inzwischen kann ich das sogar fast ohne aus dem Zimmer
gehen zu wollen. Erstaunlicherweise war es gar nicht so spät, als
ich in den Absturzclub ging und ich hatte dort noch einige Stunden
reichlich Spaß (auch wenn ich mich nicht an jedes Gespräch erinnern
konnte). Ich flirtete lange mit einem Mädel am Eingang, traf Wing1
wieder, flirtete mit einer großen Blonden, die ich eigentlich für
ihn anquatschen sollte (ich Kameradenschwein) und betrank mich zu
guter Letzt mit BALU an der Bar. Alles in allem ein sehr lustiger
Abend. Trotzdem war das Gespräch mit der hübschen, lesbischen
Kollegin für mich der beste Teil. Wir haben uns noch ein paar Mal
geschrieben, und sie ist wirklich gut in ihren Job. Vielleicht sieht
man sich ja auch demnächst mal wieder in der Stammbar und führt ein
gutes Gespräch. Ganz ohne Reinstecken.
Wie immer.
Elia
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