Mal wieder ein
Freitags-Ausgeh-Wochenende gehabt. Das wollte ich ja nicht mehr
machen. Mal wieder in der Stammbar gewesen. Das wollte ich ja auch
nicht mehr machen. Und mal wieder so lange geblieben, dass in anderen
Clubs nichts mehr los war. Auch das wollte ich nicht mehr machen. Und
dann auch noch den Abend mit L beschäftigt. Und das wollte ich ja
nun wirklich überhaupt nicht mehr machen.
An dieser Stelle wird es dann wohl mal
Zeit für eines meiner all-time, life-long Lieblingszitate:
Man wäre kein wahrer Anarchist,
wenn man auf Grundsätzen beharren würde.
- Eva Demski
Der Abend war
trotzdem sehr, sehr lustig und markiert wohl einen der bisherigen
Höhepunkte in der absurden Geschichte von L, mir und der Stammbar.
Ich war, wie so häufig, mit Wing2 Pizzaessen und danach durch
diverse Bars gestolpert. Wing2 hatte kurzfristig angefangen zu
rauchen, um Frauen Zigaretten anbieten zu können und ich hatte mich
über das Berliner Barpublikum amüsiert als wir schließlich doch
mal wieder in der Stammbar landeten. Ich hatte L schon beim
Hereinkommen entdeckt, hatte kurz Augenkontakt, war aber dann in ein
Gespräch mit einem Bekannten verwickelt worden.
Als nächstes
entdeckte ich C, mein Vorweihnachtsdate, am anderen Ende der Bar. Sie
war mit einem Typen da, der aber anscheinend nicht wirklich
unterhaltsam war. Jedenfalls freute sie sich, als ich dazu kam und
wir unterhielten uns erstmal eine halbe Stunde über ihre Pläne
demnächst mal Sex mit einer Frau zu haben und ähnlich amüsante
Themen. Plötzlich tippte mir eine alte Freundin auf die Schulter,
die zu Besuch in Berlin war und zufällig ebenfalls in die Stammbar
gefallen war. Kurzer Schnack mit ihr und wieder zurück zu C. Nach
weiteren 20 Minuten seichtem Sextalk mit C über ihre Baraffären
stand plötzlich L neben mir. „Oha“ dachte ich mir. So handzahm
und nah an mir dran hatten wir das kleine schwarze Rehlein ja
überhaupt noch nie erlebt. Sie schenkte mir genau abgezählte 200
Millisekunden Augenkontakt und drehte sich dann zu C um über
Silvester und Radiosendungen zu plaudern. Als ich mich von dem
Endorphin-Trip den der Augenkontakt mit L hinterlassen hatte wieder
halbwegs erholt hatte, dachte ich mir „Momentchen mal! So einfach
geht das aber auch nicht. Jetzt hier neben mich stellen, aber mich
einfach ignorieren...“.
Bei ihrer nächsten
Gesprächspause lehnte ich mich also möglichst weit zu ihr, zum
einen um ihr Ohr zu erreichen und zum anderen um Mystery zu ärgern,
und flüsterte:
I: Ein gesundes
Neues erst mal.
L: Was? Ach so,
ja. Ein frohes Neues dir auch.
I: Wie war denn
dein Silvester? Ich wollte ja eigentlich auch hier vorbei schauen,
aber wir haben's nicht mehr geschafft...
L erzählt mir,
ohne mir länger als 200 Millisekunden in die Augen zu sehen von
ihrer Silvester-Nacht und was sie so getrieben hat. Mit einer ihrer
Freundinnen daneben geht das Sprechen mit mir ja inzwischen schon
fast entspannt. Nach ein paar Geschichten verschwindet L aber wieder
in den Tiefen des Waldes, äääh, der Stammbar und ich quatsche noch
eine Runde mit C.
Der Abend wird
später, Wing2 verabschiedet sich, C auch und ich parke mich erstmal
nahe der Tür bei einem Bekannten. Von dort aus sehe ich L mit einem
ihrer Kumpels an einem Tisch am Fenster. Ich entdecke aber ebenfalls
noch das Blonde Mädel das mich an der gleichen Bar im November
(Schwarzer Freitag 2) angequatscht hatte. Tipp-Tipp auf die Schulter.
Sie erinnert sich an mich. Wir kommen sofort ins Gespräch. Sie ist
mit ihrer Schwester da. Es geht erst um Musik (ich hatte damals schon
festgestellt, dass wir einen extrem ähnlichen Musikgeschmack haben)
und später um Geschwister. Als wir beim Thema Silvester-Erlebnisse
angekommen sind ist die Musik in der Bar gerade extrem laut. Ich
schreie schon fast in ihr Ohr: „Do you really wanna hear the dirty
part of the story?“. „Of course she wants to hear that“ kommt
die Antwort von hinten über meine Schulter. Ich drehe mich um und
sehe gerade noch L auf dem Weg zu den Toiletten.
Das war nun
Gespräch Nummer zwei heute Nacht in das sich L kurz eingeklinkt hat.
Ich hatte schon länger die Vermutung, bin mir jetzt aber ziemlich
sicher, dass auch die Blonde eine gute Freundin von L ist. Ich taste
mich also nicht nur quer durch die Bar sondern inzwischen auch quer
durch ihren Freundeskreis auf L zu. Als L zurückkommt bekomme ich
meine gewohnten 200 Millisekunden und sie sitzt wieder an ihrem
Tisch. Ich unterhalte mich noch eine gute halbe Stunde mit den zwei
Schwestern, bis diese sich verabschieden. Ich gebe ihnen ein paar
Musik-Tips mit auf den Weg und stelle mich zu einem Bekannten direkt
neben L's Tisch. Nun ist es also fast geschafft. Ich habe mir zur
Tarnung Reh-Ohren aufgesetzt, bin mit dem Hasen um die Wette
gehoppelt und habe mit den Vögeln gezwitschert. Alle Tiere des
Waldes sind jetzt meine Freunde außer Bambi. Und Bambi konnte sehen,
dass ich keines davon gefressen habe. Und nun habe ich mich ganz
langsam bis an den Rand der Lichtung vorgeschlichen auf der Bambi
steht. Ich halte Futter in meiner zitternden Handfläche und Bambi
blinzelt mich scheu an. Für 200 Millisekunden. Dann steht Bambis
Saufkumpane auf und verabschiedet sich. Er geht an mir vorbei ohne
mich, meine peinlichen Reh-Ohren oder das Futter in meiner Hand zu
bemerken. Jetzt sind da nur noch Bambi und ich. Ich bin
hochkonzentriert. Über sechs Monate Vorbereitung, endlose Gespräche
mit ihren Freunden, durchkämpfte Nächte und ein riesiger Stapel
Pick-Up-Bücher liegen hinter mir um dort zu sein, wo ich jetzt
stehe. Und der bester Opener der mir einfällt ist:
I:
Naaaaaaaaaa.....?
Bambi zuckt kurz,
bleibt aber stehen und blickt starr auf ihr halbvolles Glas Wodka.
I: Was machst du
denn jetzt eigentlich so, wenn du nicht hier bist....?
Ich höre was ich
gerade gesagt habe und habe das unstillbare Verlangen mir eine Gabel
in die Stirn zu rammen.
Bambi blinzelt mich
an, greift in ihre Tasche, zieht einen kleinen Flyer heraus, knüllt
ihn zu einer noch kleineren Kugel zusammen und legt diese zu dem
Rehfutter in meine Hand. Ich rate drei Mal falsch was mir der Flyer
sagen soll und dann beginnt doch tatsächlich Bambi mit mir zu reden.
Und Bambi hört gar
nicht mehr auf zu reden. Nach einer halben Stunde steht Bambi auf,
läuft quer über die grüne Lichtung zur Bar und kommt mit einem
großen Glas zurück. Bambi stellt sich neben mich und hält mir das
große Glas hin. Ich hebe meinen viertelvollen Whisky und denke Bambi
möchte jetzt anstossen auf die neugewonnene Freundschaft mit dem
zitternden Jäger mit den Rehohren auf dem Kopf. Statt anzustossen
schüttet Bambi schwungvoll die Hälfte ihres Drinks auf meinen
Whisky. Ich versuche trotz des Verlustes meines Whiskys freundlich zu
Lächeln und Dankbarkeit vorzutäuschen. Dieses Ritual scheint etwas
in der Reh-Kultur zu sein, das ich noch nicht verstanden habe. Bambi
erklärt kurz und knackig:
L: Das ist Wodka
mit Wasser.
I: Oh. Ok. Äääh,
Danke!
Dann stößt Bambi
doch mit mir an und ich beruhige mich langsam.
Nach 10 Minuten
traue ich mich, mich vorsichtig neben Bambi ans Fenster zu setzen.
Sie erzählt mir von ihrer großen Vision für die Welt und die Tiere
des Waldes. Von ihrem Leben auf dem Bauernhof und wie sie dort
weggelaufen ist. Mir kommt es ziemlich surreal vor und die Zeit
scheint zu verfliegen. Irgendwann sagt Bambi, sie müsse jetzt nach
Hause. Ich klopfe die Futterreste von meiner Handfläche und halte
ihr freundlich die Hand hin. Bambi lehnt sich vor und küsst mich
rechts und links. Ich kann gar nicht richtig reagieren so überrascht
bin ich von all der Zutraulichkeit.
Ich bestelle mir
noch ein Bier, setze mich an die Bar und sehe zu, wie Bambi sich von
all ihren lustigen Freunden verabschiedet.
Nach dem Bier mache
ich mich auf den Weg in Club1. Es ist viel zu spät und auf der
Tanzfläche springen nur noch die um Aufmerksamkeit buhlenden
ungefickten Reste des Abends auf und ab. Mir ist das egal, ich fühle
mich wie auf Droge. Ich bestelle noch ein Bier und stelle mich an den
Rand der Tanzfläche um das amüsante Paarungsverhalten einiger
Teenager-Zombies zu beobachten. Als selbst die Teenager zum Kotzen
oder Bumsen davongezogen sind verlasse auch ich Club1 und mache mich
auf den Weg zu Club2. Dort ist mehr Publikum, aber genauso schlechte
Frauenauswahl. Mir ist auch das egal. Ich habe mit der Bienenkönigin
getanzt. Und mein Bier schmeckt immer noch nach Honig. Wäre
tatsächlich ein schönes Mädchen da gewesen hätte ich sie bei
meinem Energy-Level wahrscheinlich ohne Worte bis vor den Altar
bekommen, aber es ist eher schauderhaft, was sich an diesem Morgen
noch in Club2 rhythmisch zu bewegen versucht.
Gegen 7 oder 8
verlasse ich Club2 und setze mich in ein Taxi. Auf der Fahrt ruft
mich Wing2 an. Ich gehe ran und höre zwei Minuten das dumpfe
Stampfen eines Technobeats. Ich erkläre ihm, dass er in einem Club
ist und ich ihn daher leider überhaupt nicht hören kann, wüsche
ihm noch viel Spaß und Erfolg, und lege auf. Er ist doch mal wieder
in seinen Absturzclub gegangen.
Es ist hell als ich
mich zuhause aufs Bett setze. Ich krame die kleine Papierkugel aus
meiner Hosentasche. Der Flyer macht überhaupt keinen Sinn. Für
Menschen. Er ist von einem Reh und offensichtlich auch nur für Rehe
verständlich.
Ich lege mich hin
und träume die ganze Nacht von Zombies. Eigentlich wollte ich doch
von Frauen träumen. Deswegen hatte ich doch aufgehört Pornos zu
schauen. Anscheinend muss ich wieder anfangen Zombie-Filme zu sehen
um von Frauen träumen zu können.
Ich hab schon ewig
keinen Zombie-Film mehr gesehen. Aber als nächstes leihe ich mir
erstmal Bambi aus. Den Film.
Gute Nacht.
Elia
Immer wieder ein Schmaus dein Blogeinträge.
AntwortenLöschenMachst wirklich toll
(PuA und den Blog meine ich)
Grüsse
syncronisiert (ausm Forum)