2. Januar 2013

Prost Neujahr !

So, die Wohnung ist wieder in ihren alten Zustand zurückversetzt und damit Silvester offiziell abgeschlossen. Und da ich gerade gute Gründe suche, um mich vor meiner Steuererklärung zu drücken habe ich beschlossen kurz mal den Jahreswechsel zu Papier zu bringen.

Das alte Jahr verabschiedete sich von mir liebevoll mit einem Vollseiten-Foto von meiner Ex, küssend mit ihrem neuen Boyfriend, in einem großen deutschen Jugendmagazin (Yes, da kommt doch Stimmung auf!) und einer SMS von C, meinem Vorweihnachtsdate.

Zu Silvester hatte ich kurzfristig noch ein kleines Abendessen mit Wing1und2 auf die Beine gestellt und die Stimmung war feuchtfröhlich, als wir um ca. 1:30 ins Taxi stiegen um zur einzigen Party unserer diesjährigen New-Years-Party-Liste zu fahren.

Am Club angekommen fällt mir auf der Straße eine Gruppe Österreicher auf (kaum zu überhören) die wild am diskutieren sind. Vier Jungs, ein Mädel. Sie dunkelhaarig, extrem hübsch und mit ner komischen Fellmütze mit Kätzchen-ohren. Das Ösi-Kätzchen geht auf den Club zu und steuert mich an. Ich antworte bevor sie fragen kann.

I: Ja, das ist er auf jeden Fall.

K: Wer?

I: Na genau der Club in den du jetzt gehen solltest.

Mizi bleibt ungerührt, schnurrt nicht und bleibt sachlich:

K: Ist das der …. ?

I: Ja, sage ich doch.

Sie stellt sich mit ihren Jungs hinter uns in die Schlange. Enttäuscht über ihre Nicht-Reaktion auf meinen Opener setze ich nicht nochmal nach. Als Wing2 schon fast am zahlen ist, stellt sich heraus, dass die Party auf die wir wollen eigentlich in einem Club zwei Häuser weiter ist. Tja, sayonara Sissi...

Endlich im richtigen Club sind wir erstmal etwas enttäuscht über die Größe des Ladens und die anwesende Weiblichkeit. Der Club liegt nur leicht über der Grundfläche einer durchschnittlichen Privatparty. Was mich noch nicht so sehr stört. Unangenehmer ist da schon eher die schnelle Erkenntnis, dass der Freundeskreis der Bekannten die uns eingeladen hatte ja zum größten Teil schwul-lesbisch ist und daher die Frauen im Club gut zur Hälfte unübersehbar lesbisch sind. Tja, das hätte mir eigentlich auch vorher klar sein müssen. Ich Tölpel.

Im Gegensatz zu Wing2 lasse ich mir von all den anwesenden Lesben in Jeansjacken und daraus resultierenden nicht anwesenden Minikleidern und High Heels aber nicht allzu lange die Stimmung verderben. Das Jahresende will schließlich gefeiert werden, mit oder ohne Pick Up. Also ab an die Bar. Ein Bier in die Hand und erstmal an die Meute gewöhnen. Kaum stehe ich neben der Tanzfläche platziert sich ein hübsches dunkelhaariges Mädel im gestreiften Minikleid (ein paar waren's dann doch) direkt vor mir und schwingt ihre Hüften auffallend weit in meine Richtung. Eye-Contact, Lächeln, Aaaah... das geht mir zu schnell...da war ich jetzt nicht drauf vorbereitet...äää... drei, zwei, eins...äää... Blick nach hinten... Die zwei Wings sind schon am tuscheln und gackern... Verdammt. Die vier Augen im Nacken machen's jetzt auch nicht entspannter. Augen wieder nach vorne. Hossa! Die Kleine kann auf jeden Fall tanzen! Puh! Und ich hasse, hasse, hasse Dance-Game... Plötzlich drängelt sich von links hinten ein kleiner etwas bulliger Mexikaner (Sah wirklich aus wie die Jungs die einem in der U-Bahn mit ihren Maya-Flöten auf die Eier gehen) an mir vorbei, schnappt sich die Hüfte der Kleinen und fängt direkt an mit ihr zu tanzen. „Ach komm schon, Gott! Ich hab's ja verstanden. Aber nicht an Silvester, bitte!“ denke ich mir und drehe mich zu meinen grinsenden Wings.
Später sehe ich die Kleine mit dem Mexikaner wild knutschen und packe sie völlig ungläubig auf die Das-Muss-Ich-Noch-Klären-Liste. Gegen den Schock verschreibe ich meinem geschundenen Körper aber erstmal zwei Bier und ein paar Drogen (einmal im Jahr ist das erlaubt). Als ich mich wieder beruhigt habe und mit meiner Bekannten entspannt über die Tanzfläche schwofe (Social Proof) bekomme ich von der kleinen Möchtegern-Latina, die am Rand der Tanzfläche neben ihrem Speedy-Gonzales und seinen Kumpels steht, einen längeren Eye-Contact. „Nix da jetzt reicht's“ denke ich mir „Mark Manson schreibt man solle möglichst schnell, möglichst ehrlich kommunizieren was man will und denkt und die Lady so dazu bringen sich zu positionieren. Was (oder wen) sie will hat sie mir ja gerade erst vorgemacht, dann kann ich jetzt wenigstens noch (lieber spät als nie) kommunizieren was ich will (oder wollte)“. Ich entschuldige mich kurz und gehe straight zu ihr.

I: Hey, sorry ich muss das jetzt mal schnell loswerden, sonst geht mir das heute noch zehn mal durch den Kopf wenn ich an dir vorbeilaufe: Du bist heute abend hier echt das schönste Mädchen im Raum. Phhu jetzt ist es raus...

Sie lächelt breit

S: Danke.

I: Ich heiße Elia und du?

S: ...

I: Du bist mit den Jungs hier, oder?

S: Ja. Das da ist mein Freund und ich war mit ihm und seinen Freunden heute abend....

Ab da muss ich gestehen hab ich nicht mehr wirklich zugehört. Ich hatte mein Häkchen unter „Ehrlich Approachen“ gemacht und das Geheimnis um den kleinen Mexikaner gelöst. Ich weiss nicht mal mehr was ich darauf sagte aber es lässt sich wohl grob mit „EJECT“ zusammenfassen.

Mein Hetero-Frauen-Counter sprang damit für diesen Club von 7 auf 6. Ich ging zurück auf die Tanzfläche und entdeckte eine 6er Gruppe (3 Mädchen, 3 Jungs) die anscheinend zusammen da waren. Mädel Nummer Eins: (für meine Verhältnisse) riesig, blond und mit ihren Boyfriend am knutschen. Äääät raus. Mädel Nummer Zwei: niedlich, klein aber für mich ein wenig zu mollig und außerdem auch mit nem Typen im Gespräch. Äääät auch raus. Mädel Nummer Drei: leicht angepunkt, klein und etwas zu jung. Dingdingdingdingding genau mein Fall! ...Aber halt. Was ist mit dem großen, bärtigen Hipster neben ihr? Der Typ der so gestylt ungestylt aussieht als ob er stundenlang überlegt hat welche Klamotten zusammen so aussehen würden als hätte er sie rein zufällig ausgewählt? Der Typ der sich die Haare nach dem Duschen wieder einfilzt und sich kurz ins Bett legt um seinen Out-Of-Bed-Look zu perfektionieren? Der Typ der .....gerade ....seine .....Zunge ......in ..........ihren ............Hals .....................steckt. ….Verdammt! Gibt's denn in Berlin keine Türsteher mehr?? Wer zur Hölle lässt denn bitte all diese scheiß Pärchen in UNSERE Clubs? Die nehmen doch nur Platz weg wo eigentlich Single-Frauen stehen könnten und verseuchen unsere Luft mit all ihrer Liebe!! Voller Wut latsche ich durch die Gruppe durch, unterbreche die Turtel-Täubchen beim Knutschen und lege eine Runde (Wing2 hat das neulich erfunden und auch so getauft) „Pärchen-Bashing“ ein. Im Vorbeigehen grunze ich den Hipster wie ein böser kleiner Silvester-Zwerg an:
I: Frohes Neues Jahr!
Ich gehe zwei Schritte, lausche, drehe mich um und gehe nochmal zu ihm zurück um ihn für all seine Liebe und den vielen Sex mit dem kleinen Punkermädel büßen zu lassen.
I: Ich sagte gerade Frohes Neues Jahr!
H: Ääh ja, aber ich kenn dich nicht und ich war etwas überrumpelt..
„Du meinst wohl du warst damit beschäftigt mit deinem ekligen Waschlappen an MEINEM Punkermädchen rumzulecken damit ich sie nicht approachen kann bis ihr Hören und Sehen vergeht“ denke ich mir, antworte aber knapp:
I: Aber die Tradition an sich ist dir schon bekannt oder?
H: Ja. ...Frohes Neues Jahr.

Stolz über meinen beknackten Auftritt drehe ich mich um und latsche zur Bar, bestelle mir ein Bier und bin mal wieder erleichtert darüber, wie selten ich doch auf die Fresse bekomme im Verhältnis dazu, wie oft ich es verdient hätte.

An der Bar approache ich dann zum Druckausgleich ein ganz offensichtlich lesbisches Mädel mit dem ich mich auf Anhieb blendend verstehe. Ich traue mich leider nicht, ihr die enormen Vorteile von Sex mit Menschen die einen Schwarz haben zu erläutern und nehme sie statt dessen mit um meiner Bekannten, die in ein Gespräch mit zwei Mädels vertieft ist, überraschend zusammen den Rücken zu massieren (Double Social Proof!). Meine Bekannte stellt mich daraufhin den beiden vor und ich unterhalte mich eine ganze Weile mit einer der Beiden....klein, Asiatin, nicht aus Berlin,....etwas langweilig …..langweilig …..spießig. EJECT. Kurzer Besuch bei den Wings. Keine großen News. Wing2 meckert immer noch über die fehlenden High-Class-Girls und dass die Berliner Mädchen sich alle anziehen wie Jungs und Wing1 macht sich Sorgen um unsere Jacken, da in dem Laden anscheinend gerade ein Rucksack und ne Jacke geklaut wurden.

Ich tanzte noch eine ausführliche Runde mit meiner Bekannten und gehe dann wieder zurück zur Bar. Dort sind Wing1+2 nun gerade am verhandeln, ob die drei Mädels vor ihnen alle mit ihren Boyfriends hier wären, oder nicht. „Klar“ werfe ich ein „die Große gehört zu dem Spießer und die Punk-Lady zu dem Bärtigen“. Und dann überkommen mich schon wieder der kleine und der große Satan...
„Und die Kleine wahrscheinlich zu dem da“ sage ich grinsend und tippe dem riesigen Schönling der gerade im Gespräch mit dem kleinen Mädel vertieft ist von hinten auf die Schulter.
I: Hey, sag mal hast du dir schon mal überlegt als Model zu arbeiten? Bei deiner Größe und deinem Aussehen wäre das doch bestimmt ne easy Art Kohle zu machen?
Nach zwei Sätzen sind wir nicht nur im Gespräch, sondern der Hüne hat auch die kleine Dame komplett vergessen und labert mir sein halbes langweiliges Leben inklusive Zukunftsplanung ans Ohr.
I: Du, sorry, hab ich dich jetzt eigentlich von deiner Freundin weggeholt?
H: Wer? Ach die? Nö, die kannte ich gar nicht. Aber was ich noch blablablablabla...
„Du bist ein großer, dummer Baum und ich hätte jetzt gerne eine Axt“ singe ich in meinem Kopf vor mich hin. Das kleine Mädel hat sich wieder zu ihren Freundinnen verkrochen und ich ihm oder ihr anscheinend den Approach versaut. Ich komme sicher mal in die PickUp-Hölle.

Endlich kann ich die große Laberbacke abschütteln und stelle mich wieder zu Wing1. Der weist mich zum einen darauf hin, dass Wing2 gerade an der Wand gegenüber seinen obligatorischen Silvester-KissClose mit einer Blondine im roten Minikleid vorführt und er zum anderen jetzt mal auf Toilette will um diese als erster Gast an diesem Abend zu ihrem eigentlichen Zweck zu benutzen und ich doch solange bitte mal auf unseren Jackenstapel aufpassen soll. „Klar“ meine ich und drehe mich, nachdem ich kurz noch ehrfürchtig einen Blick auf Wing2 und seine Blondine geworfen habe zu unseren Jacken um. Hoppla! Da sitzt ja ein gar niedliches kleines Mädel mit Lockenkopf, schwarzer Glitzerleggings und Turnschuhen direkt neben unseren Jacken. „Zwei Fliegen mit einer Klappe..Da werde ich doch mal gleich ganz besonders gut auf unsere Jacken aufpassen“ denke ich mir und setze mich auf unsere Jacken, direkt neben sie. Situativer Opener.

I: Oh mann, ihr müsst hier echt auf euer Zeug aufpassen. Hier sind gerade schon Leuten die Jacken geklaut worden.

Sie versteht mich nicht auf Anhieb. Ich frage, ob sie kein Deutsch spricht. Sie erzählt mir, dass sie aus Belgien ist und schon Deutsch spricht, aber nur wenn ich langsam spreche. Englisch will sie aber nicht sprechen, weil sie ihr Deutsch üben will. Wir verstehen uns gut und ich finde sie eigentlich ziemlich sweet. Sie erzählt mir noch eine ganze Weile von ihrem Studium in Belgien und dass sie gerade ihre Schwester hier besucht aber plant bald selbst nach Berlin zu ziehen. Nach einer viertel Stunde ejecte ich und sage ihr ich würde kurz zur Bar mir ein Bier holen. Ich setze mich danach nicht wieder zu ihr. Keine Ahnung warum. Ich habe es mir so erklärt, dass ich wohl das Gefühl hatte, dass schon ein Number-Close möglich gewesen wäre, mehr aber an diesem Abend mit ihr nicht und ich hatte wahrscheinlich keine Lust auf ein wirklich langes Kennenlern-Gespräch. So wirklich kann ich meine Reaktion in dem Fall aber trotzdem nicht erklären.

Ich stehe neben der Tanzfläche und beobachte wie Wing1 ein Mädel an der Bar approacht. Das Gespräch geht nicht lange dann stellt er sich zu mir. „Die war nice“ sage ich. „Ja aber sie ist nicht so richtig angesprungen“ antwortet er. In der anderen Ecke ist Wing2 immer noch am Knutschen. „Man kann uns zumindest nicht vorwerfen, wir würden es nicht versuchen“ denke ich mir „vor einem halben Jahr wären solche Situationen zumindest noch echte Besonderheiten gewesen“.

Ich lege nochmal eine Runde Engtanz mit einer Bekannten aus der „Women-Only“-Fraktion hin und ernte prompt wieder Blicke aus der Salsa-Und-Merengue-Ecke. Puh. Das ist ne Wiederholung. Langweilig. Ich tanze noch ne Runde mit der kleinen Asiatin. Dann quatschen wir kurz. Sie wirkt interessiert. Wir kommen ins Flirten. Mir rutscht der Satz „Sag mal, aber du hast doch sicher nen Freund oder?“ raus. Keine Ahnung warum. Total unkallibriert und überflüssig. Anfängershit. Und sie antwortet auch noch mit „Ja. Finde ich gut, dass du fragst. Ich sag so was immer lieber gleich“. Oh mann. So was nennt man sich selbst ins Knie schießen. Welcome to Friend Zone !

Also zurück zu den Jungs. Da ist Wing2 inzwischen auch wieder am Start. Und kaum hat er seinen Orden entgegengenommen können wir auch schon zusehen, wie seine Knutsch-Blondine mit einem kleinen Latino Speichel austauscht... Jesus Christus! „Das macht sie nur, weil ich sie vorhin kurz hab stehen lassen... Dass Frauen überhaupt nicht den Hygiene-Aspekt dabei sehen... Da will ich sie doch jetzt erst recht nicht mehr küssen!“ kommentiert er trocken.

Direkt im Anschluss überredet er dafür meine Bekannte (wir waren vor fast 15 Jahren mal zusammen) mit mir rumzuknutschen und hakt sein persönliches Social-Proof-Experiment mit der Erkenntnis ab „Sieh mal an. Bei den drei Mädels von vorhin hast du gerade echt für Aufmerksamkeit gesorgt“. Das habe ich anscheinend wirklich denn in der folgenden halben Stunde funkt die Kleine der ich ihren großen Schönling abgezogen hatte mich ziemlich deutlich an. Leider ist es inzwischen auch schon knapp 8Uhr morgens und ich bin langsam zu träge zum Approachen. Und als mir klar wird, dass sie die einzige und letzte Chance in diesem Club ist, ist sie auch schon verschwunden. Damn it! Wing1 und Wing2 beschließen noch nach einem besseren Club zu suchen. Ich entscheide mich hier zu bleiben und meinen Rausch auszutanzen. Nach einer Stunde stehen sie wieder vor mir. Inzwischen sitze ich mit einem alten Freund an der Bar und versuche ihn zu überreden Neil Strauss zu lesen. Es ist 9:00 und Wing2 hisst die weisse Fahne und gibt als Erster auf. Wing1 und ich stellen beide mit Frustration fest, dass wir leider noch viel zu fit zum Schlafen sind (scheiß Drogen) und Folgen noch der letzten Gruppe Übriggebliebener in einen der Berliner Techno-Zombie-Schuppen. Gegen 10 oder 11 geben wir dann aber auch auf und packen unsere Knochen ins Taxi. Zuhause kann ich natürlich trotzdem nicht schlafen. Gegen 13:00 fangen meine lieben Nachbarn an ihre After-Hour mit einer Runde Techno zu zelebrieren. Und gegen 14:00 verballert irgendein Kid vor meinem Schlafzimmer alle seine restlichen Böller. Mein matschiges Hirn spuckt eine Textzeile aus einem alten Deutsch-Punk-Silvester-Song von Boxhamsters aus:

über uns das geile Schwein

fickt seine Frau grad' kurz und klein

und morgen gibt's wieder auf's Maul

guten Rutsch, du dumme Sau

Welch tiefe Romantik doch in manchen Momenten stecken kann. Warum also versuchen, wenn's ein Anderer schon perfekt in Worte gefasst hat. Um 14:30 schlafe ich dann endlich ein. Gute Nacht Berlin! Bald ist wieder Wochenende.



Um 16:00 wache ich auf und bin topfit. Was geht denn ab? Ich sagte: GUTE NACHT BERLIN! ...Das kann ja ein lustiges neues Jahr werden.


Elia

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