„Ja ich weiß. Du hast recht. Ich
komme irgendwie keinen Millimeter weiter. Es ist als hätte ich einen
Berg Müll abgetragen und darunter eine verschossene Tür gefunden.
Und die bekomme ich einfach nicht auf. An der hängt anscheinend so
viel bei mir, dass ich sie irgendwann mal so fest verschlossen habe,
dass ich sie jetzt nicht mehr auf bekomme. Ich bin mir ja sogar
ziemlich sicher, dass ich nicht wirklich auf One-Night-Stands
abfahre. Aber was mich so fuchsig macht ist, dass ich es beim besten
Willen nicht mal hinbekomme es einfach mal auszuprobieren. Sobald ich
merke, dass ich den Move jetzt machen könnte werde ich wie starr.
Ich spüre da deutlich eine Grenze und ich kann es nicht leiden, wenn
ich merke, dass ich etwas einfach nicht kann. Zumal ich ja auch gar
nicht verstehe, was mich da so furchtbar abhält.“ antworte ich und
taste nebenher halbblind in meinem Küchenschrank nach einer Aspirin.
„Ja, ich sag doch: Du musst dich
jetzt einfach einmal dazu zwingen. Wenn deine Energie noch reicht,
geh heute Abend nochmal alleine raus und nimm die Erste mit, die
nicht schnell genug wegläuft. Du musst das einfach hinter dich
bringen. Am besten gehst du alleine. Dann sind Wing1 und ich nicht
dabei und du fühlst dich vielleicht weniger beobachtet. Und vergiss
die Stammbar. Da kennt uns jeder, dass ist scheiße.“ sagt er,
immer noch in einem viel zu ernsten Ton für meinen schwachen Magen.
„Du hast so recht. Aber heute geht
bei mir echt nichts mehr. Ich bin komplett tot.“ murmle ich
kraftlos.
Nach dem Telefonat durchwühle ich
meinen Kleiderstapel nach meinem Geldbeutel. Sein kompletter Inhalt
beläuft sich auf drei Euro und eine Taxiquittung. Verfluchte Scheiße
ich habe gestern 70 Euro versoffen. Für manchen vielleicht normal,
aber in Berlin und in den Clubs in denen ich mich gestern
rumgetrieben habe lässt das auf eine enorme Menge an Alkohol
schließen. „Du solltest anfangen dein Geld lieber für Nutten
auszugeben“ macht sich mein zynisches Hirn angeschwipst über mich
lustig „das wäre gesünder und du hättest mehr Sex“.
Was war passiert am Abend davor? Ganz
einfach: Nichts war passiert. Wie immer. Wie seit Monaten. Wie seit
Beginn meines abstrusen Projektes. Absolut nichts. Und langsam gehen
mir dafür auch die Ausreden aus. Ja ich suche eigentlich nach der
„richtigen“ nach jemandem für eine Beziehung blablabla und ja,
die zwei Ladys gestern waren keine Models und eher Notlösungen aber
warum können andere Kerle das einfach ausblenden und eben mal einen
wegstecken und ich dagegen Quatsch meinen „Notlösungen“ die
Ohren voll bis sie klatschnass willig und zu allem bereit sind und
stehe dann auf und gehe? Woher kommt diese Blockade in mir?
Ich war mit Wing2 durch diverse Bars
gezogen und als sich endlich ein mögliches Target in einem 2er-Set
direkt vor mir an die Bar setzte, hatte ich nicht reagiert. Und als
ich gerade anfing mich innerlich dafür auszuschimpfen hatte Wing2
drei Schritte nach vorne gemacht und schnell mal nebenbei die
hübscheste Blondine der Bar angequatscht. Leicht gefrustet hatte ich
mir das ganze dann eine halbe Stunde angesehen als ich plötzlich
eine recht bekannte Berliner Prominente sturzbetrunken auf einem
Stuhl tanzend entdeckte. Als der Druck zu groß wurde, musste ich
dann doch Wing2 und seine blonde Schönheit unterbrechen um ihn auf
diese Attraktion hinzuweisen. Der Erfolg meiner großartigen
Wing-Aktion war dann der, dass seine Blondine sich kommentarlos in
die andere Ecke der Bar verabschiedete. Wie sich herausstellte war
sie wohl mit besagter Promi-Braut da. Bäm! Der Pick-Up-Killer hatte
wieder zugeschlagen. Kurz und tödlich. Ich hatte es tatsächlich
geschafft meinem lieben Wing binnen Sekunden ordentlich die Tour zu
vermasseln. Ich fühlte mich wie der größte Pick-Up-Loser der Welt.
Als mein Wing, fleißig wie er ist, es nach einer halben Stunde
geschafft hatte, die Blonde ein weiteres Mal anzulabern und
offensichtlich wieder im Geschäft war, floh ich zusammen mit meinem
Frust und meiner Enttäuschung in den Regen und in den
nächstgelegenen Club.
Ich quatsche mit Wing2, lasse mir von
seinem Blondie und seinem Number-Close berichten und gehe natürlich
nicht wieder zu meiner Australierin aufs Sofa. Wing2 erträgt es
nicht lange in dem Laden. Er war eh nur auf der Suche nach mir hier
reingestolpert und verabschiedet sich daher bald. Ich tanze noch eine
ganze Weile und verlasse, als die Tanzfläche nur noch einstellig
bestückt ist, den Laden. Checke die Stammbar, stehe vor
verschlossener Tür, lerne zwei betrunkene Goth-Kids kennen die
ebenfalls vor verschlossener Tür stehen und schleppe beide in den
einzigen Club, in dem zu dieser morgendlichen Stunde noch was los
ist. Dort fällt mir eigentlich nur ein tätowiertes kleines
Rockabilly-Mädel auf, das mit einem jungen Skinhead an der Bar
sitzt. Nach zehn Minuten stößt ein Schönling zu den beiden und
spannt dem Mann ohne Haare binnen kürzester Zeit das Mädel aus, bis
dieser sich von der Bar verzieht. Ich setze mich an seinen Platz,
ringe mit dem Gedanken ihn zu rächen und die Ehre der kahlköpfigen
Männer zurückzuerobern, beobachte die Beiden einige Zeit und
erkläre die kleine für verloren und mich mal wieder für zu feige.
Stattdessen setze ich mich kurzer Hand
zu ihrer (es ist nicht zu übersehen, dass die zwei zusammengehören)
etwas weniger spannenden Freundin, die allein an einem Tisch sitzt.
Ich wiederhole mein Spiel aus dem letzten Club nach Schema-X. Das
Mädel wird nach allen Regeln der Kunst zugetextet bis sie mir aus
der Hand frisst und die Krümel danach von meinen Fingern leckt. Ihre
kleine Freundin kommt zwischendrin mit ihrem Schönling zu uns an den
Tisch und flüstert kurz mit ihr. Nachdem die zwei wieder
aufgestanden sind erklärt sie mir, ihre Freundin hätte darum
gebeten, sie jetzt schnell hier rauszubringen, da sie sonst mit dem
Dream-Boy mitgehen würde. Sie bleibt aber sitzen und beschäftigt
sich weiter mit mir. Irgendwann meine ich zu ihr sie solle vielleicht
doch besser nach ihrer Freundin sehen (ich HORST). Wir gehen zur Bar
und finden beide knutschend. „Siehst du, sooo geht das“ sagt mein
Hirn und zeigt mit nacktem Finger auf mich „schau dir das mal genau
an. Man nennt es Eskalieren.“ Es ist inzwischen sicher schon 9 und
ich laufe nur noch auf Notprogramm. Ich tausche Nummern mit meinem
Ersatz-Mädchen, gehe mit allen Dreien nach draußen, wo es bereits
taghell ist und setze mich kommentarlos in das erste Taxi. Der
Schönling bleibt bei den zwei Mädels. Keine Ahnung wie die Nummer
für ihn zu Ende ging. Vielleicht mit einem Dreier?
Ich fahre allein nach Hause. Ich
schlafe allein ein. Ich wache allein auf.
Wing2 hat recht. Das kann so nicht
weitergehen. Irgendetwas muss sich radikal ändern. So hat das Ganze
keinen Sinn.
Elia
Nein, die Uschi, jetzt erst erkannt.
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