Es war Freitag und ich war alleine in
die Stammbar gezogen. Am Eingang begrüßten mich C und ein guter
Bekannter. Die Bar war relativ voll aber das Publikum leider recht
langweilig. Eigentlich hatte ich vor bis 2 oder 3 zu trinken und dann
in Club1 zu gehen.
Als Bambi sich durch die Gästemenge
hindurch an mir vorbei zwängt und mich entdeckt werde ich mit
Küsschen und Umarmung reichlich herzlich begrüßt. Ich hatte mir –
oh wartet mal auf dem Satz liegt schon ziemlich dick Staub –
vorgenommen sie herzlich aber nüchtern wahrzunehmen aber keine
weiteren Moves zu starten. Dies ging auch die ersten vier bis fünf
Stunden ganz gut. Spulen wir also etwas vor.
Gegen 2 oder 3 erscheint eine alte
Bekannte von mir mit ihrem Boyfriend. Ich quatsche mich leider
ziemlich fest und verwerfe meinen Plan in den Club zu gehen. Bis
dahin konnte ich Bambi auch noch ganz gut ausblenden. Als ich
aufstehe und an die Bar gehe um mir ein neues Bier zu holen grinst
mich besagtes Reh aber auch schon an.
BAMBI: Hallo Elia.
I: Äh. Hallo...
Bambi.
BAMBI: Hier. Das
geht auf mich. Ich lad dich jetzt mal auf ein Bier ein.
I: Äh. Danke.
BAMBI: Hey!
Schau mich jetzt nicht so an als würde ich mich dadurch irgendwie
verdächtig machen, ok!
I: Alles klar.
Prost.
Ich gehe zurück zu
meinen Bekannten. Der Abend wird lang und die Diskussionen heftiger
(es sind Schauspieler anwesend). Als meine Freunde sich nach einigen
Stunden verabschieden lungert Bambi bereits neben uns in einer Ecke
herum und ist sichtlich gelangweilt. Ich kann nicht widerstehen.
Bambi ist auffallend gut gelaunt. Sie zeigt mir Bilder, die sie dabei
hat und erzählt Erbsen-Witze. Die Seite mit den Erbsen-Witzen kannte
ich an ihr noch gar nicht. Nach kurzer Zeit schließt die Bar auch
schon und Bambi fragt mich, ob wir in Club2 oder ClubX gehen sollten.
Ich entscheide mich für Club2 und eine halbe Stunde später laufen
wir mit einigen anderen Gestrandeten dort ein. Bambi entdeckt erstmal
einen Bekannten und ich beschäftige mich mit einem nur noch halb
ansprechbaren, blonden, norwegischen Feenwesen an den Bar. Nach einer
halben Stunde lallender Ansprache zum Thema Wälder steht Bambi
plötzlich vor mir und streckt mir ihre Hand entgegen.
BAMBI: Komm! Wir
gehen in den anderen Raum.
Ich kann mich nicht
wehren und folge brav. Bambi will sich mit mir an einen Tisch setzen.
Sie erzählt mir wirre Geschichten über Nietzsche und ihren
Frauenarzt, zwei Themenbereiche die wahrscheinlich nur sie in einem
Atemzug abhandeln kann, und ich starre sie verzaubert an. Als sich
ein deutlich betrunkener junger Mann inklusive seines
Migrationshintergrunds zu uns an den Tisch gesellen möchte, erklärt
ihm Bambi kurz und knackig, dass er sich jetzt zu verpissen habe, da
sie ihn sonst vom Türsteher auf die Straße setzen lassen würde.
Ich bin hin und weg. Draussen wird es langsam hell und unsere
Gespräche werden deutlich alkoholgetränkter. Irgendwann beginnt
Bambi sich einen riesigen Joint zu drehen. Sie bietet ihn mir an aber
ich lehne dankend ab. Ich erinnere mich unwillkürlich an das letzte
Mal, das ich ihr beim Kiffen zugesehen habe und auch an das
lautstarke Ende. Langsam bekomme ich eine böse Vorahnung.
Nach dem Joint will
mich Bambi unbedingt auf einen Wodka an der Bar einladen. Wir
bestellen eine Runde Wodka zusammen mit einem gemeinsamen Bekannten
und die Barfrau kommentiert das ganze mit einer gar zauberhaften
Prise Berliner Charme, wie man ihn nur morgens um 8 in ausgewählten
Tanzlokalen der Hauptstadt finden kann.
BARFRAU: Du bist
echt ekelhaft.
Ich drehe mich
instinktiv um, da ich davon ausgehe, dass wohl jemand hinter mir
steht, der offensichtlich ziemlich ekelhaft ist. Leider ist da
niemand in ansprechbarer Entfernung.
I: Hast du
gerade gesagt, ich sei „ekelhaft“?
Alle drei starren
wir, mit mehr oder weniger weit geöffneten Augen, die kleine wütende
Barfrau an.
BARFRAU: Ja. Hab
ich. Bist du auch. Vorhin standest du noch mit der Blonden da hinten
an der Bar und jetzt stehst du hier mit einem anderen Mädchen.
Ekelhaft bist du.
Ich schaue etwas
ungläubig in die Runde und mir fällt nicht wirklich etwas
schlagfertiges dazu ein, als ich erkenne, dass Bambi gerade innerlich
Anlauf nimmt. Wir stürzen alle unseren Wodka herunter und dann
entfernen mein Bekannter und ich uns schnell von der Bar, an der
hinter uns bereits ein lautstarkes Trommelfeuer an Beschimpfungen und
Belehrungen quer über den Tresen hinweg abgefeuert wird, so dass man
eigentlich schon geneigt ist an alle Umstehenden Helme zu verteilen.
Ich gehe auf
Toilette, oder zumindest in die kleinen, dunklen, stinkenden und
knöchelhoch gefluteten Räume, die man in diesem Etablissement so
bezeichnet. Ich versuche im Halbdunkel meine Blase in grob die
Richtung zu entleeren in der ich einen Abfluss oder Ähnliches
vermute und taste mich dann vorsichtig gen Licht. Draussen steht
Bambi bereits wieder neben der Tanzfläche und starrt geradeaus.
Was genau ich in
dem folgenden Moment zu ihr gesagt habe, kann ich leider nicht mehr
im Wortlaut rekapitulieren aber es bewegte sich sinngemäß wohl so
zwischen „Na was ist jetzt eigentlich mit uns“, „Und? Wie geht
das jetzt weiter?“ und „Na, dann ma Butter bei die Fische!“
jedenfalls drehte sich Bambi daraufhin zu mir und ich konnte gerade
noch kurz das Rote in ihren wunderschönen Rehaugen sehen als es
schon zu spät war. Sie fauchte mich derart heftig an, dass unser
gemeinsamer Freund, um meine körperliche Unversehrtheit zu
gewährleisten, reflexartig seinen Arm um das kleine Reh mit den
ausgefahrenen Krallen legte. Doch auch er geriet damit sofort unter
Beschuss. Ich wich knappe drei Meter zurück und konnte zwar noch den
hilfesuchenden Ausdruck in seinem Blick erkennen, aber mir war klar,
dass ich nichts mehr für ihn tun konnte und er sich, wie so viele
vor ihm, wohl für eine höhere Sache zu opfern hatte.
Ich rettete mich
schweißgebadet und ohne einen Kratzer im Gesicht an die Bar, wo ich
einen weiteren alten Bekannten traf, mit dem ich, während im
Hintergrund die letzten Fetzen Haut und Kleidung aus Richtung der
Tanzfläche gegen die Wände flogen, ein Bier auf mein neues Leben
trank und erkannte wie knapp ich gerade dem Tod von der Schippe
gesprungen war. Ich blieb die übrige Zeit mit einem Tarnnetz über
dem Kopf am Tresen sitzen, bis wir zu den letzten hartnäckigen Zehn
gehörten, das Licht anging und wir nach Draussen komplimentiert
wurden. Mit meinem Bekannten schleppte ich mich über die Straße, wo
wir uns vor den grausamen Sonnenstrahlen in eine Bäckerei
flüchteten.
Wir saßen mit
Croissant und Espresso am Tresen an der Glasfront als ich auf der
anderen Seite der Kreuzung das kleine, schwarze Reh mit einer Tüte
Schrippen an der Ampel stehen sah. Ich stand völlig ferngesteuert
und kommentarlos auf und ging nach Draussen, blieb aber schon einen
Meter nach der Tür stehen. Ich weiß nicht ob sie mich auch gesehen
hatte. In meinem Kopf vergingen Minuten, wahrscheinlich waren es 3
Sekunden bis ich mich wieder fing und zurück zu meinem
Veteranenfreund und meinem Espresso ging. Er erwähnte meinen kurzen,
gefährlichen Ausflug mit keiner Silbe. Stattdessen tunkte er
genüsslich sein Croissant in seinen Doppelten, blinzelte durch das
dreckige Glas auf die Kreuzung hinaus und sagte monoton: „Diese Bar
ist keine Bar. Das ist wie eine Sekte. Pass auf, dass du dich da
nicht zu weit hineinziehen lässt.“
Die folgende Woche
verhielt ich mich ruhig. Bambi und ihr Verhalten kamen mir krank bis
albern vor. Ende der Woche schickte ich ihr aus einer
Scheißegal-Stimmung heraus eine SMS. Ich müsse in ihrer
Nachbarschaft ein Bild abholen, ob sie sich noch erinnere, warum wir
uns in die Haare bekommen hätten und ob sie Lust auf einen
Friedenskaffee hätte. Natürlich kam keine Antwort. Dann flog ich in
den Heimaturlaub. K meldete sich, warum ich das Wochenende nicht in
der Bar aufgetaucht sei und dass man mich dort vermisse.
Dieses Wochenende
hat mich Berlin wieder. Obwohl über Ostern traditionell nicht viele
Berliner unterwegs sind und die Clubs eher mit Touristen geflutet
sein werden. Mal sehen, was die Stadt ausser Bambi und der Stammbar
noch so zu bieten hat. Irgendetwas war da ja mal...
Elia
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