14. Juni 2014

Den Letzten beißt die Türe tot

Ich sitze mal wieder fast zwei Stunden zu früh in Berlin Tegel und trinke ein überteuertes Bier. Klassiker eigentlich. Beim Fliegen ist es bei mir so, dass ich entweder meinen Flug verpasse, oder völlig abgehetzt, einige Stunden zu früh, vor dem Gate sitze und mich darüber ärgere, warum zur Hölle ich eigentlich so sinnlos früh los bin. Die Antwort kenne ich allerdings schon lange. Ich bin ein mittelmäßig neurotischer Kontrollfreak. Ich gehe manchmal morgens mehrmals zu meiner Wohnungstür zurück, um zu checken, ob ich auch wirklich abgeschlossen habe. Nicht, dass ich es schon jemals vergessen hätte. Genauso chronisch malträtiere ich von innen mein Türschloss drei bis vier Mal, bevor ich abends ins Bett gehe. Es muss abgeschlossen sein. Ich habe den Zwang, gegen meine Kühlschranktür drücken zu müssen, bevor ich die Wohnung verlasse. Ich rede mir ein, dass ich es tue um Wohnungsbrände zu vermeiden (lange Geschichte!), aber die Wahrheit ist, ich tue es, weil es ein Tick ist; ein Kontrollzwang. Ich hasse Risiken wie die Pest. Das Risiko, sich auf einen neuen Menschen einzulassen, das Risiko, mit einer fremden Frau nachhause zu gehen, und das Risiko sich normal pünktlich auf den Weg zum Flughafen zu begeben. Alles purer Horror für mich. Letzteres hat aber zumindest ein Gutes. Ich muss jetzt irgendwie Zeit überbrücken und komme so endlich mal wieder dazu, ein wenig zu schreiben.

Das mit meiner fehlenden Risikobereitschaft war nicht immer so, bilde ich mir ein. Es scheint im Laufe meines Lebens langsam zugenommen zu haben. Früher war ich anders. Da bin ich mir jedenfalls relativ sicher. Als ich vor 15 Jahren nach Berlin kam, zog ich in eine Wohngemeinschaft mit einer meiner Ex-Freundinnen und ihrem aktuellen Boyfriend. Damals muss ich so ängstlich wie ein römischer Gladiator gewesen sein. Ich meine, HALLO!! Wie todesmutig kann ein Mensch denn noch sein? Mit einem Pärchen zusammenzuziehen ist ja schon aus der Abteilung 'Extremsport für Lebensmüde', aber dann auch noch mit einer Exfreundin? Dagegen ist Bungee-Jumping ja eine Entspannungsübung, oder was? …Nun ja... Gut überlegt war es zumindest nicht, soviel kann ich verraten. Aber es war auch irgendwie lustig. Mit besagter Frau habe ich jedenfalls, im Gegensatz zu fast allen anderen meiner Verflossenen, noch Kontakt; und sogar ziemlich guten. So guten, dass sie mich vor ein paar Wochen zu einer kleinen Party zu sich und ihrem neuen Lebensabschnittsgefährten einlud. Eigentlich hasse ich Partys von Menschen, die mit ihren Partnern zusammenwohnen. Man kommt sich als Single immer vor, als säße man mit den anderen Singles am Kindertisch, während die Erwachsenen sich über Balkonpflanzen und Küchenmöbel unterhalten; und darüber dass ja jetzt die total richtige Zeit wäre, in Berlin eine Wohnung zu kaufen, von wegen Altersvorsorge und Inflation und so, und dass man ja auch immer noch an ein extra Zimmer für den Nachwuchs denken sollte und so weiter. Man sitzt dann meist da, hört sich den ganzen Dreck an, erinnert sich daran, wie man mit ihr oder mit ihm früher tagelang schlechtes Dope in der Acrylbong geraucht, WORMS-III auf der Playstation gezockt und sich dabei abwechselnd Nutella- und Käse-Toast in den Mund gestopft hat, bis man Bauchschmerzen hatte oder einer eingeschlafen war. Dann fragt man sich, was passiert ist, was sie, er oder man selbst wohl falsch gemacht hat, wie es so weit hatte kommen können. Man hört langsam auf zuzuhören, was beim Immobilienkauf zu beachten ist. Man nickt nur noch interessiert, trinkt immer schneller und hofft, dass der Alkohol endlich anfängt zu wirken.

Da ich die letzten drei Einladungen der beiden Turteltäubchen allerdings bereits ausgeschlagen hatte, inklusive der Einweihungs- und einer Sylvester-Feier, musste ich auf diese Party wohl oder übel gehen. Meine stille Hoffnung bestand darin, dass meine ehemalige Mitbewohnerin zumindest ihren Drogenkonsum in ihr Erwachsenendasein hatte retten können, und daher wahrscheinlich genug Fluchtmöglichkeiten in diversen Aggregatzuständen vorhanden sein würden. Drogenliebhaber schaffen es ab einem bestimmten Alter nämlich gelegentlich ihren Konsum auf eine seltsam spießbürgerliche Art in ihren Kinderwunsch-Einbauküchen-Akademiker-Alltag zu übertragen, und so lag, als ich auf der Party ankam, auch tatsächlich eine bunte Auswahl an Pülverchen und Pillen, angerichtet wie frisches Obst auf kleinen Tellern und Schalen, in der Mitte des riesigen Wohnzimmertisches. Eine bunte Truppe aus Mitt- und End-Dreißigern saß darum herum, nippten an ihren Bierchen, plauderten angeregt und ließen sich von ausgewählter Minimal- und House-Musik aus dem Nebenzimmer beschallen. Ich wurde herzlich empfangen, mit einem Bier bestückt, und eingeladen, mich doch an allem Anderen einfach zu bedienen. Ich lehnte, bis auf das Bier, alles dankend ab. Aus irgendeinem Grund rede ich mir schon mein ganzes Leben ein, keine besondere Affinität zu Drogen zu haben, und werde doch in regelmäßigen Abständen eines Besseren belehrt. An diesem Abend sollte ein weiterer Strich auf diese Liste kommen.

Ich setzte mich zu zwei Mädels, mit denen ich auch sofort ins Gespräch kam. Es war nett, aber weder war eine der beiden attraktiv genug, noch war das Thema spannend genug, um mich auf längere Sicht an meinem Platz zu halten. Ich begab mich also nach einer guten halben Stunde auf einen Rundgang durch die Wohnung. In der Küche angekommen, schnappte ich mir noch ein Bierchen und gesellte mich zu einer Gruppe whisky- und rotwein-schlürfender Mediendesigner, die wie hungrige kleine Kinder um den Herd herum standen und Tierbetäubungsmittel aufkochten. Als ich mich gerade mit dem Hausherren über seine neueste GLENLIVET-Einzelfass-Abfüllung unterhielt, wurden wir von einer jungen Kindergärtnerin mit glasigen Augen und ohne Frisur unterbrochen. „Sag mal, hast du für das Ketamin nix besseres als den Teller?“ platzte sie in unsere Fachsimpelei. „Doch klar. Ich hätte so ne Duftlampe, aber da war schon Öl drin“ antwortete mein neuer Whisky-Freund. „Ach das is doch voll witzig, ey!“ quietschte die junge Pädagogin entzückt „Is bestimmt total lecker! Vanille-Keta! Hihihi.... Vanille-Keta, ey...!“. Ich spürte ihren knochigen, kleinen Ellenbogen in meiner Seite und stellte mir vor, wie die kichernde Frau mit den früchteteefarbenen Strick-Klamotten Montag wieder Kinderlieder im Sitzkreis singen würde. Wahrscheinlich englische oder französische, auf speziellen Wunsch der Eltern. Sicher alles so hochgezüchtete, mehrsprachige Prenzlauerberg-Kinder; mit japanischen Geigenlehrern, Kinder-Joga-Gruppen, niedlichen Retro-Latzhosen und so schönen nostalgischen Namen wie bei der Hitler-Jugend. Aber jetzt kratzte sie erstmal angetrocknetes Pulver vom sonnengelben Ikea-Teller und strahlte, als wäre schon wieder Weihnachten oder der erste Tag der Fusion.

Das Küchen-Grüppchen folgte dem heißen Teller mit den frischen Drogen durch die Wohnung, wie die drei Könige dem Morgenstern und ich trottete als letzter hinterher, um nicht allein in der Küche zurückzubleiben. Im Wohnzimmer begann die Hälfte der Anwesenden sofort mit dem Ketamin-Abendmahl, während ich beschloss, zum hundertsten Mal auszutesten, ob es wirklich, wirklich, wirklich immer noch eine dumme Idee ist, Whisky in Fassstärke und Bier parallel zu trinken. Es war immer noch eine dumme Idee. Der Alkohol tat also das, was er nunmal am besten kann, und so war mein Geist bald willig und mein Fleisch schwach, und als das nächste mal die kleine Platte aus irgendeinem geschnittenen Edelstein mit dem silbernen Röhrchen vorbeikam, fragte ich nur „Was ist das?“.

Die Substanz wurde mir weder als Crystal noch als Ketamin vorgestellt und fiel damit für mein Suff-Hirn inzwischen unter die Rubrik 'Zum Verzehr geeignet'. Der Vorteil an Speed zu Alkohol ist, dass man wieder ziemlich nüchtern wird und noch mehr trinken kann. Der Nachteil an Speed zu Alkohol ist, zumindest nach meinen bisherigen Erfahrungen, dass ich meist absurd gierig nach beidem werde und dazu neige, es in hohen Dosen gegeneinander 'anwirken' zu lassen um herauszufinden, wer gewinnen wird. So gab ich mich also nicht mit einmal Abtauchen zufrieden, sondern fuhr auf dem lustigen Bergkristall eine gute Runde Slalom. Danach besorgte ich mir natürlich mehr Bier, setzte mich zu einer anderen Gruppe an den Tisch und begann das Buffet durchzutesten. Zu meinem neuen Bier servierte man mir ein Tortenstück Ecstasy. Zum nächsten wieder Speed und zum nächsten wieder Ecstasy. Die Zeit begann gefährlich zu rasen. Als ich kurz auf die Uhr sah, war es bereits Fünf. Vor mir saß ein Typ, der mir seit gefühlten Stunden von dem Buch 'Die Kunst des klaren Denkens' vorschwärmte und mir dazu, als ich wieder aufsah, euphorisch eine hellblaue Pille vor die Nase hielt. „Ja, danke“ sagte ich, nahm ihm die Pille ab und segelte damit Richtung Badezimmer. Vor dem Spiegel rief ich mich zur Ordnung, befahl mir, jetzt möglichst schnell die Wohnung zu verlassen, um noch etwas von der Nacht zu haben, vielleicht eine Frau kennenzulernen, zumindest aber diesem Zeitstrudel zu entkommen. Ich spürte, wie Logik und Vernunft in mein Hirn zurückkehrten. Sie sahen sich dort um, und dann gegenseitig lange und erschrocken an. Wie ferngesteuert wusch ich mir das Gesicht, nahm ein Viertel der Pille und steckte den Rest ein.

Auf dem Weg ins Wohnzimmer, nahm ich direkt meine Jacke mit, um gar nicht erst auf dumme Gedanken zu kommen. Ich verabschiedete mich schnell von meiner Ex-Mitbewohnerin, ihrem Boyfriend und dem Mann mit dem 'klaren Denken', winkte einmal in die Runde und verließ die Wohnung. An der frischen Luft erreichte ich ungeahnte Geschwindigkeiten. Die Stadt bewegte sich wie ein Laufband unter meinen Füßen hindurch. Ich setzte meine Kopfhörer auf und war im Handumdrehen an der U-Bahn. Ich fuhr quer durch die Stadt in mein gewohntes 'Revier'. Dort angekommen lief ich drei Clubs ab, aber für die üblichen Locations war es bereits zu früh am Morgen. Also machte ich mich auf den Weg zu einem kleinen Technoschuppen, von dem ich wusste, dass dort mit Sicherheit noch genug los war. Es war inzwischen bereits taghell auf der Straße, aber ich feierte sowieso schon die großartige Musik in meinem Kopf, mich selbst und die Welt. Als mich kurz vor dem Club ein grinsender spanischer Tourist stoppte, nur um mir in schwer verständlichem Englisch ein Kompliment für meinen beschwingten Gang zu machen, bemerkt ich, dass ich mittlerweile mehr tanzte als lief, und das wahrscheinlich auch schon seit der U-Bahn. So ist das also mit dem Selbstbewusstsein. Inner-Game schwappt irgendwann nach aussen, wissen wir ja. Und dass man Inner-Game eben auch durch die Nase ziehen kann, war hiermit erwiesen.

Ich tanzte also noch die letzten Meter bis vor den Club und stellte mich in der warmen Morgensonne vor die wummernde Eingangstür. Der Türsteher blinzelte kurz ins Freie, winkte mich ran und drückte mich dann wie die letzte Dosen-Sardine in den, immer noch brechend vollen, kleinen Club. Die Tür schloss sich wieder und es gab keinen Zentimeter Platz mehr um mich herum. Die Luft war warm, feucht und roch nach Schweiß und Parfum zu gleichen Teilen. Eigentlich musste man sich gar nicht bewegen, die Masse drückte einen einfach weiter und zuckte dazu im Rhythmus. Als ich an der Bar vorbeigeschoben wurde, konnte ich ein Bier ergattern und ließ mich damit weiter bis zur Tanzfläche treiben. Dort strandete ich in der Nähe des DJs, eingeklemmt zwischen einer Gruppe zappelnder Mädchen, einem kleinen Mauervorsprung, einem Barhocker und einem riesigen Typen mit Pumperbrust und V-Ausschnitt bis zum Bauchnabel. Erstmal musste ich dem Gorilla mit meinem nettesten Lächeln klar machen, dass ich nicht vorhatte, ihm Weibchen, Baum oder Status abspenstig zu machen, dann erkämpfte ich mir ein wenig Platz zum Tanzen.

Ich hatte meinen Spaß, freundete mich mit den mich umgebenden Sardinen und dem Gorilla an, und tanzte, bis es langsam leerer im Club wurde. Der letzte Rest eingefangene Nacht entwich mit jedem Mal, das sich die kleine Tür öffnete und die Sonne in den Club schien. Einer nach dem anderen stolperte und schwankte, allein oder in Begleitung, gen Tür und hinaus in den Tag. Irgendwann waren wir zu wenige, die sich weigerten sich, diese Nacht und ihre Suche nach irgendwas oder irgendwem, aufzugeben. Das Licht ging an und der DJ legte die letzte Platte auf. Als dann auch noch die Musik der seltsamen Mischung aus Tinnitus, heiseren Stimmen und dem Klirren der leeren Gläser wich, machte sich das finale Grüppchen, gefolgt von meiner Wenigkeit, wiederwillig und kiefermalmend auf den Weg nach draussen. Ich verabschiedete mich vom Türsteher und stolperte als einer der letzten aus dem Club. Vor der Tür stand die kleine, tapfere Legion der Übriggebliebenen. Sturzbetrunkene Mädchen suchten nach den besten, noch halbwegs ansehnlichen, Männchen. Grummelnd sammelten sich Paare und Grüppchen, um sich Taxen zu teilen; nachhause, ins Bett oder ins Berghain. Schlafen, ficken oder weitermachen.

Ich stand einfach nur da und starrte vor mich hin. Ich wurde zwei mal gefragt, ob ich in einen Club mitfahren wolle, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. Ich verneinte kurz. Die Taxitüren knallten und wir wurden schnell weniger. Aus einem der Taxis stieg, ungefähr zehn Meter vor mir, ein Mädchen wieder aus, bevor der Wagen schwungvoll wendete und davon fuhr. Entweder hatte sie es sich anders überlegt, oder sie war von ihren neuen Freunden aus dem Taxi geworfen worden. Sie blieb einige Sekunden unsicher stehen und starrte auf die Stelle, an der gerade noch der urinfarbene Mercedes stand. Dann drehe sie sich zu mir, blickte auch mich einige Momente mit leeren Augen an, und begann dann, unter größeren Schwierigkeiten, langsam auf mich zuzugehen.

Sie hatte dunkelbraune Locken und trug ein fast bodenlanges, buntes Kleid. Ihr Zustand war kaum zu übersehen. Es grenzte an ein Wunder, dass sie nicht hinfiel, bis sie bei mir war. Ich redete gerade noch mit einem Typen über den ominösen Club, in den die meisten jetzt gegangen waren, als sie sich neben mich stellte. Erst stand sie nur schwankend da, dann lehnte sie sich wortlos an mich und drehte sich dann so vor mich, dass sie, mit dem Kopf an meiner Schulter schon halb in meiner Jacke verschwand. „Äh,....Hi!“ sagte ich in die dichten Locken „wer bist du denn?“. Sie stellte sich als Jana vor, nahm meine Hand und zog mich dann murmelnd einige Schritte weiter, bis wir vor einem Fahrrad standen. „Dasssismeinfahrrad“ kommentierte sie den Ortswechsel kurz und starrte mich dann wieder lange und erwartungsvoll an, währenddessen ihr zwei mal die Augen zufielen. „Du kannst aber auf keinen Fall mehr Fahrrad fahren“ sagte ich. Sie nickte kurz und lehnte sich dann wieder an mich. Ich überschlug die Situation, meinen Zustand und ihren Zustand. Ich wusste, was die meisten Typen an meiner Stelle wahrscheinlich tun würden und fühlte mal wieder diesen unangenehmen Erwartungsdruck an mich selbst. „Jetzt komm schon, Alter“ versuchte ich mich innerlich zu motivieren „morgens in solche Läden zu gehen, aber keine komatösen Frauen vögeln zu wollen, ist doch so schwachsinnig wie bei Germanys Next Topmodel zu kandidieren, wenn man gar keine Kurzhaarfrisur haben will. Na los jetzt! Mach schon!“.
Ich sah noch einmal an Jana herunter. Meine Entscheidung fiel anders aus.

„Ich ruf dir jetzt mal ein Taxi, oder?“ sagte ich in die Locken an meiner Schulter. Sie versuchte es wieder mit Alleine-stehen, sah mich etwas irritiert an und antwortete „könnnntenn wirnichteinfach zu dir, oder so?“. Ich spürte, wie der Druck noch mehr zunahm. „Nein, ich glaube das ist keine gute Idee“ erklärte ich langsam „schau mal, du bist wirklich sehr betrunken. Ich bin auch sehr betrunken und ausserdem... Weißt du Jana, vielleicht hat dir das heute noch keiner gesagt, aber... du blutest irgendwie an der linken Hand“. Sie blickte überfordert auf ihre blutverklebten Finger, sah mich wieder mit diesen Fragezeichen in den Augen an, überlegte kurz und streckte ihren Kopf dann etwas näher an mein Ohr. „Ok. ...Ichhwerde dann malsssehen, ob mich einer dieser jungen Herren da drüben mitnimmt“ lallte sie und nickte in Richtung des Clubs „das willssstdu sicher nicht mit ansehen“.

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und balancierte, den linken Arm aristokratisch abgewinkelt, auf die fünf Gestalten zu, die vor der Tür des Clubs standen. Ich wartete bis sie angekommen war und machte mich dann auf den Weg zur nächsten U-Bahn. Als ich die Kreuzung überquert hatte, blieb ich doch nochmal stehen und drehte mich um. Irgendwie wollte ich zumindest sichergehen, dass Jana nicht auf der Bank vor dem Club schlafen würde. Ich beobachtete die Verhandlungen und als ich sah, dass sich schließlich ein Pärchen ihrer annahm und die Drei zusammen losgingen, machte auch ich mich auf den Weg nachhause.


Die Situation vor einem Berliner Technoclub morgens um 10 ähnelt auf amüsante Weise der, auf dem Datingmarkt ab Mitte Dreißig. Niemand ist mehr wirklich fit, man merkt allen an, was sie hinter sich haben und die meisten nehmen, was sie noch kriegen können. Jeder hat seine Treffer kassiert und manche haben Narben davongetragen. Das große Risiko besteht jetzt nicht mehr darin, jemanden zu Fragen, ob man gemeinsam nachhause geht. Das Risiko liegt nun darin, auf diese Frage mit Ja zu antworten. Für manche kann diese Hürde gigantisch werden.

Als ich aus der U-Bahn ausstieg, rief ich meinen ältesten Freund an. Wir kennen uns schon seit der Schule und er war der einzige, den ich mich um diese Uhrzeit anzurufen traute und dem ich meinen Rede-Flash zumuten wollte. Wie erwartet, war er wach und bereits hochaktiv. Er und seine langjährige Freundin packten gerade ihr Rucksäcke für eine sonntägliche Pärchen-Wanderung mit ihren Bekannten. Da prallten mal wieder Welten aufeinander. Aber wenn mich jetzt noch jemand verstand, dann er. „Alter, das mit dem Single-Ding.... also ich kann dir was verraten, irgendwann wird das komisch“ textete ich mit verkrampftem Kiefer in mein Handy „ich mach das ja jetzt schon fünf Jahre mit, und ich sag dir was: Bei diesen Langzeit-Singles, da gibt es eigentlich nur zwei Arten... Die einen vögeln nie und die anderen, die vögeln ständig. Und weißt du was das lustigste dabei ist? Beide sind genauso einsam...“.
„Ja, Schatz! Ja, das Moskitospray“ antwortete er „nein, dich mein ich nicht! Was hast du gesagt?“. Die Unterhaltung gestaltete sich wieder erwarten doch einigermaßen schwierig, aber er hörte sich meinen drogengetränkten Redefluss geduldig an, bis ich an meiner Haustür war. Im Treppenhaus stolperte ich natürlich noch in meine 80jährige Nachbarin, die sich bei mir ausführlich über die viel zu laute Hippie-WG im Haus auskotzen wollte. Ich konnte mich irgendwie aus der Unterhaltung winden und flüchtete, mit gefährlich großen Schritten, bis in meine Wohnung. Ich sperrte die Tür (zwei Mal) hinter mir ab und fühlte mich endlich sicher. Hier drin konnte mir dieser kranke Planet für die nächsten Stunden nichts anhaben.

Aufgeputscht wie ich war, konnte ich natürlich nicht schlafen und versuchte noch ein wenig Sex mit mir zu haben, was dank des Amphetamins in meinem Blut ziemlich kläglich scheiterte. Ein weiterer guter Grund warum ich ganz froh war, niemanden mit mittleren oder gar hohen Erwartungen mit zu mir nachhause eingeladen zu haben. Es wäre ein Trauerspiel geworden. Ich hätte mich wohl dumm stellen und tatsächlich Kaffee anbieten müssen. Aber so gab es für all das wenigstens keine Zeugen. Alles in allem war die Sache also mal wieder gut ausgegangen.



...but the drugs like me.


In den letzten Monaten habe ich noch ein paar weitere Male mit der Wirkung diverser Drogen auf mein Flirtverhalten experimentiert. Im Grunde gab es aber keine wirklich nennenswerten Erkenntnisse. Die meisten Drogen wirken nicht viel anders als PickUp. Ein Großteil der Wirkung ist einfach nur Placebo, aber kurzzeitig senkt man damit seine Hemmschwelle und steigert das Selbstbewusstsein, was natürlich auf den ersten Blick zu besseren Ergebnissen führt. Genau wie PickUp verändern aber die meisten Drogen leider das Urteilsvermögen und das Sozialverhalten, verunsichern auf die Dauer mehr als dass sie helfen und hinterlassen einen ziemlich fiesen Kater. Wichtig ist also bei Drogen, genauso wie bei PickUp, irgendwann auch wieder den Absprung zu schaffen. Wer länger dabei bleibt, wird entweder zum Opfer, oder er beginnt zu dealen, und selbst aus der Schwäche und Unsicherheit anderer Kapital zu schlagen. Wenn man den Absprung schafft und sich davon erholt hat, bleiben aber in beiden Fällen durchaus ein paar lustige Erinnerungen. Und wer sie aufgeschrieben hat, kann sich später köstlich darüber amüsieren.


In diesem Sinne: Habt Spaß, haltet die Ohren steif, und lasst euch nichts andrehen!



Elia

28. Januar 2014

How to fuck up a booty call in 10 easy steps

Berlin, Sonntag Abend halb elf. Leichter Schneefall bei minus 13 Grad Celsius. Die Frisur hält. Aber vor die Tür will trotzdem keiner...



Ich saß im Bett vor meinem neu erworbenen Fernseher und lies mich mit Schwachsinn berieseln. Ja, ich hatte mir letzte Woche so einen Zeitfresser zugelegt, ich geb's zu! Was will man machen, der Winter ist für Singles nunmal NICHT die kuschligste Zeit des Jahres, sondern eher die langweiligste. Und als stolzer Bewohner einer Kohleofen-Wohnung, kann ich euch verraten, dass man froh ist, wenn die Bude und das Bett halbwegs warm sind, und man sich nicht mehr in die Kälte und auf den Weg zur Videothek begeben muss. Während also vor mir ein verzweifelter D-Promi mit Schlamm und Insekten traktiert wurde, machte auf dem IKEA-Tisch neben mir mein Handy durch rhythmisches Vibrieren auf sich aufmerksam. Eine SMS. Es war J, die einzige Affäre, die ich in der Zeit seit meiner letzten Beziehung gehabt hatte, und damit auch die einzige Frau mit der ich in den letzten Jahren Sex hatte. Meine letzte Information zu ihr war, dass sie sich in einer On-Off-Trennung von und mit ihrem lebensunfähigen Boyfriend befand.

22:44
J: Was treibste?

Ich begutachtete kurz meine aktuelle Situation. Ich saß unrasiert, ungewaschen und stark verkatert in meinem ältesten Pyjama im Bett. Vor mir eine Bande RTL-Clowns mit Tieren im Gesicht und neben mir die sterblichen Überreste eines gequälten Industriehuhns in einer Styropor-Box. Ich überlegte, ob sich mein Zustand und meine Tätigkeit vielleicht wenigstens lyrisch ein wenig aufpimpen ließen. Da ich mich aber zu ehrlich und viel zu wenig kreativ fühlte, beschloss ich, die Informationen einfach auf ein Minimum zu beschränken, um einen halbwegs zivilisierten Eindruck zu erwecken.

22:45
Elia: Vor der Glotze hängen... Sonntags-Mood. Du so?

Einen Eimer Mehlwürmer und zwei Eimer Kakerlaken später, vibrierte mein Handy erneut.

22:47
J: Weinchen aufgemacht. Ebenfalls Sonntags-Stimmung, da ich die letzten Tage nur arbeiten war. Viel gelesen. Nun Lust auf nen Film mit Gesellschaft :)

Die Verwendung von Smileys in Textnachrichten, irritiert mich bei Frauen, mit denen ich bereits Sex hatte, immer ein wenig. Diese Doppelpunkte, Strichpunkte und geschlossenen Klammern erhalten in meinem Kopf dann häufig einen komisch sexuellen Unterton, bei dem ich mir meist nicht sicher bin, ob ich ihn mir nur einbilde, oder ob er gewollt ist. Ich war noch am Überlegen, wie ich darauf antworten solle, als schon die nächste Nachricht von ihr kam.

22:48
J: Warum wohnen wir so weit voneinander entfernt? :( Berlin mein Kind du bist zu groß

Da ich noch an der geschlossenen Klammer tüftelte, brachte mich ihre offene Klammer auch nicht viel weiter. Es klang zumindest so, als wäre ich nicht das einzige Lonely Heart an diesem arktischen Sonntag Abend. Ich berechnete kurz, wie lange die U-Bahn-Fahrt von ihr zu mir dauern würde, und ob ich in der Lage wäre, mein Schlafzimmer und meinen Köper in dieser Zeit in einen anregenderen Aggregatzustand zu versetzen.

22:50
Elia: Hm... Magste rumkommen, DVD schauen? :)

Bäm! So. Da gab's jetzt mal ne offene Klammer zurück. Von wegen der sexuellen Spannung und so... Beim nächsten mal würde mein Smiley dann sicher auch noch schelmisch zwinkern. Ja, ja... Was sie kann, kann ich schon lange... Inzwischen stand ich in meinem Zimmer. Es könnte also sein, dass es an diesem Wochenende unerwartet doch noch Sex gibt! Und zwar als Nachtisch, nach diesem seifigen halben Hähnchen. „Zähneputzen“ setzte ich schon mal auf die innere Checkliste, als mein Handy sich wieder meldete.

22:53
J: Super gerne!! Aber so kalt und so weit weg... Brrrr! Was für ne Station war es nochmal? Und du zu mir :) ???

Was wird denn das jetzt? Eine offene Klammer und drei Fragezeichen? Ich schob die Vorhänge zur Seite. Es schneite und der Wind pfiff draußen deutlich hörbar. Schon beim Gedanken wurde mir kalt. Dreckswetter! Aber Wein und Js warmes Bett klangen natürlich zugegebenermaßen nicht schlecht. Trotzdem fand ich den sich anbahnenden kleinen Machtkampf zu durchschaubar. Ich hatte ja schon ein Angebot gemacht, und schließlich bin ich ja auch kein Pizzaservice, den man Sonntag Abend mal schnell bestellt. Außerdem war ich die letzten drei Male, als ihr Beziehungsschalter mal wieder auf OFF ging, schon zu ihr gefahren. Ich mischte mir also aus Mehl, Dschungel-Schlamm, Faulheit und Stolz eine leckere Entscheidung zusammen, goss diese in eine Backform, setzte zur Dekoration eine offene Klammer oben darauf, und anschließend alles auf eine Karte.

22:56
Elia: (XXX)straße. Du bist dran! :) kommste?

Ich grübelte trotzdem weiter und war hin- und hergerissen. Hätte ich vielleicht doch einfach hinfahren sollen? Puh... Aber das ist auch ganz schon viel Action für ein bisschen Sex... Und ausserdem ist es hier so gemütlich...Und dann müsste ich ja auch sowieso erst noch duschen... Undundund... Sie ließ sich ebenfalls einige Minuten Bedenk- und Backzeit. Auch ihr Kuchen war zum größten Teil aus Faulheit und Mehl.

23:04
J: Ja da geb ich dir recht ;) aber habe es mir schon zu gemütlich gemacht und 2 Gläser Wein intus... Das müssen wir wohl vertagen. Schade. Ein Beamer wäre äußerst praktisch :)

Ich war inzwischen schon wieder in mein Bett zurückgekehrt. Eigentlich kannte ich diese Art von Ereignis ja auch bereits. Zwei Menschen, die durchaus einiges an Sympathie und die gleiche Veranlagung zur Faulheit teilen, pieksen sich nach einem eher tristen Wochenende kurz an, um zu testen, ob es ohne allzu großen Aufwand möglich wäre, ein wenig körperliche Zuneigung zu schnorren. Schließlich einigen sich beide darauf, dass zwar ausreichend Sympathie vorhanden wäre, aber die altbekannte Faulheit, die Natur und die Berliner Verkehrsbetriebe mal wieder im Weg stehen, und vertagen es auf den nächsten Versuch. Dann vielleicht im Frühling, wenn es draussen wärmer ist...

Ich antwortete nicht mehr. Nicht, weil ich beleidigt oder sauer gewesen wäre, sondern weil mein Prepaid-Guthaben auf unter 20 Cent gerutscht war und ich das Gefühl hatte, wir seien uns sowieso einig geworden. Sie meldete sich eine Minute später nochmal.

23:05
J: Würde mich freuen, dich bald mal wiederzusehen.

Vielleicht hatte sie auch ein schlechtes Gewissen. Musste sie aber gar nicht. Ich konnte sie gut verstehen. Es war ja auch scheißkalt. Und so ein Bekannter im Bett hilft vielleicht gegen die Kälte, aber eben nicht gegen die Einsamkeit. „Gute Nacht“ dachte ich mir, legte das Handy weg, machte den Fernseher aus und ging Zähneputzen.

Als ich mich nur eine halbe Stunde später vor einer Pornoseite im Internet wiederfand, musste ich dann allerdings doch mal kurz lachen.

Ich könnte jetzt natürlich noch etwas total schlaues, erkenntnisreiches über moderne Menschen, Singledasein in der Großstadt , Anonymität und unsere Gesellschaft schreiben, damit die Geschichte wenigstens am Ende so klingt, als würde man irgendwas daraus lernen können. Mach ich aber nicht. Ich bin doch nicht Carrie Bradshaw.


Also Gute Nacht ihr Wichser.


Elia


11. Januar 2014

Vom Abstoßen der Hörner

...den zwei Knubbeln, die danach übrigbleiben, der Fähigkeit zu lieben und davon, dass Hörner
nachwachsen



Etwas ausgelaugt von einer anstrengenden, aber erfolgreichen, Arbeitswoche chattete ich gestern Abend ein wenig mit meiner lieben Blogger-Kollegin Esperame über das Leben, die Arbeit und unter anderem eben auch (surprise!) über Pick Up. Und während ich mir mal wieder selbst ein Schaf zeichnete, malte Espe mir - mit Worten natürlich, anders geht das ja in einem Chat nicht – ein so schönes Bild zu diesem Thema, dass ich es euch einfach nicht vorenthalten kann, und sie hier einmal zitieren will:


Ich habe gestern einem Freund erklärt, dass Pick Up wie Reha ist.
Deswegen brauchen manche nur ein paar sportgymnastische Übungen und dann gehen sie hinaus in die Welt und sind gute Sportler.
Und andere, die bleiben in der Reha, ein Leben lang, und machen da Wettkämpfe mit anderen Patienten…
Und sie sind da vielleicht die großen Champions...

Aber es bleibt doch Behindertensport.

- Esperame Robinson


Als ich mit meinem Schaf fertig war und den Wachsmalstift weggelegt hatte, dachte ich nochmal über Esperames Bild nach. Ich fand es nicht nur saukomisch, sondern eigentlich auch, in ganz verschiedenen Bedeutungen, eine ziemlich spannende Betrachtung des Ganzen. Wenn Pick Up wie Reha ist, ist Dating dann der 'wahre' Sport? Oder ist es das Führen einer Beziehung? Das Sich-wirklich-Einlassen auf einen anderen Menschen? Ist das andere tatsächlich nur eine Vorbereitung, eine Vorstufe, bestenfalls eine Trockenübung für den richtigen Wettkampf? Ist es für manche sogar wirklich nur ein isolierter, von der Realität abgetrennter Versuchsaufbau, in dem sie sich so weit in die 'Gefahrenzone' zwischen Mann und Frau hineinwagen können, wie ihre Behinderung es eben zulässt? Eine Imitation dessen, was zwischen Menschen passieren könnte, wenn sie Gefühle füreinander hätten - aber abzüglich all der Gefahren, die diese Gefühle eben mit sich bringen würden. Abgesichert, weil es einem ja eben eigentlich doch scheißegal ist, wer das Gegenüber wirklich ist. Und sollten Gefühle auftreten, drückt man den roten Schwesternknopf und schreit laut 'NEXT'. Oder ist es die Krankengymnastik, das langsame Wiederholen der immer gleichen Übung, bis man sich sicher genug fühlt, um sich auf das wirkliche Rennen, die Beziehung mit einem anderen Menschen, einzulassen? An diesem Punkt der Überlegung schlief ich ein. Das Schaf auch.



Ich wünsche dir auch einen guten Morgen“, antwortete die Rose.


Seit ich heute morgen aufgewacht bin, lässt mich der Gedanke an die 'Dating-Reha' nicht mehr los. Ich musste an zwei andere Aussagen denken, die ich in vor einiger Zeit mal gelesen hatte. Beide beschreiben das gleiche Bild nur aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie stammen von einem Mann und einer Frau, wobei das für die Aussagen egal ist und die Personen, bzw. die Geschlechter der Personen, austauschbar sind. Sie waren inhaltlich ungefähr folgende:

Ich will mich erst mal ausleben und später, wenn ich das getan habe, fange ich dann eine feste Beziehung an“

Ich will einen Partner, der sich ausgetobt hat und danach wirklich weiß, was er will. Anstatt einen, der mir später dann irgendwann fremdgeht“

Beide Aussagen begegnen einem in ähnlichen Formulierungen, wie ich finde, relativ häufig. Die Vorstellung dahinter ist klar. Im einen Fall beschreibt jemand, dass er sich erst mit vielen wechselnden Partnern sexuell ausleben möchte, um sich dann, wenn seine Neugier gestillt ist, auf eine feste Beziehung einzulassen. Die andere Aussage beschreibt das gleiche Bild nur eben aus einer anderen Perspektive. Hier wird ein Partner gesucht, der sich sexuell bereits ausgetobt hat und dadurch, so die Annahme, nun weniger 'anfällig' für Seitensprünge und Abenteuer, und bereit für eine treue, feste Beziehung ist. Auf den ersten Blick klingen diese Ansätze schlüssig. Doch desto mehr ich im Einzelnen darüber nachdenke, desto unlogischer erscheinen sie mir.

Die erste Aussage beschreibt jemanden, der Spaß daran hat, Sex mit verschiedenen Menschen zu haben; ohne Beziehung, und vor allem auch ohne jegliche emotionale Bindung. Und so wie ich es verstehe, macht der zweite Teil der Aussage auch nur dann Sinn, wenn man Emotionen zwischen Menschen sowohl beim Sex, als eben auch beim finden eines festen Partners, komplett außer Acht lässt. Denn diese zweite Hälfte der Aussage suggeriert, dass das Eingehen einer festen Beziehung einzig und allein eine rationale Entscheidung dieser Person ist. Dass man eine Beziehung aus Liebe eingeht, sich binden möchte, weil man sich verliebt hat, wird hier komplett ausgeblendet. Dann würde diese 'Planung' nämlich auch schon gar nicht mehr funktionieren, weil genau das - das Verlieben – eben jenseits, und oft entgegen, jeder rationaler Entscheidung passiert. Der Liebe ist es scheißegal, ob du dich 'bereit' fühlst, oder ob sie gerade in deine Lebensplanung passt. Und es ist ihr genauso scheißegal, ob du dich jetzt entschlossen hast, eine feste Beziehung zu wollen. Ob und wann dir der Mensch begegnet, mit dem du deine 'Plan-Beziehung' führen willst, und ob ihr euch verliebt, lässt sich eben weder im Voraus planen, noch ab einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden.

Natürlich lässt sich die Ratio soweit überzüchten, dass du dir selbst, in dem Moment in dem du Gefühle für jemanden entwickelst, oder dir eine Beziehung wünschst, einfach verbietest dies zuzulassen; du gehst auf Abstand und entziehst dich der Situation. Nur: Wie ehrlich ist dieses Verhalten dir selbst gegenüber? Wie ehrlich ist es deinen Emotionen gegenüber?

Bekanntlich gibt es auch Menschen, und zwar nicht wenige wenn man mal darauf achtet, die sich einfach nur eine feste Beziehung wünschen - oder besser eine Beziehung brauchen - und so eigentlich mit jedem Menschen, den sie kennenlernen eine Beziehung eingehen können, und oft auch tun. Bei solchen Menschen geht es um die Beziehung als Konstrukt oder Lebenssituation und nicht um den Partner, die Emotionen oder die besondere zwischenmenschliche Verbindung zu ihm. Der Partner ist für solche Personen oft erschreckend leicht austauschbar; Hauptsache man hat eine Beziehung und ist nicht 'allein'. Wenn man genauer hinsieht, sind gerade solche Menschen, mit oder ohne Beziehung, in sich selbst aber oft extrem allein.

Und genau hierin ähneln sich nun die beiden Systeme wieder extrem. Der eine Mensch, der sich selbst Emotionen (oder zumindest so starke Emotionen, dass er den Wunsch verspürt, sich zu binden) verbietet, und der andere, der fast unabhängig von seinen wahren Emotionen oder dem Partner, ständig auf eine feste Bindung drängt, weil er abhängig davon ist, in einer Partnerschaft zu leben. Beide fürchten in einen Zustand zu geraten, in dem sie scheinbar die Kontrolle über ihr Fühlen verlieren. Beide haben Angst vor Verletzungen. Der eine hat Angst alleine zu sein, auf sich selbst zurückgeworfen zu werden, gezwungen zu sein, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Der andere hat Angst, Kontrolle über sich und seinen Emotionen zu verlieren, verletzlich zu werden, in Teilen abhängig von den Entscheidungen und dem Handeln einer anderen Person. Beide bilden sich ein, sich frei zu fühlen. Aber beide sind unfrei in ihrer eigentlichen Abhängigkeit, ihrer Unfähigkeit, ihren Zustand gegen einen anderen aufzugeben - den Schmerz nicht riskieren, oder nicht zulassen zu können.

Der zweite Satz hingegen beschreibt den Gedanken, einen Partner zu finden, der sich sexuell bereits 'ausgelebt' hat und die damit verbundene Hoffnung, dieser würde dann weniger den Wunsch verspüren, fremdzugehen oder in der Beziehung zu betrügen. Hält dies der Realität und unseren Erfahrungen stand? Ich finde nicht. Nach meiner Erfahrung, gehen Menschen in den meisten Fällen nicht deswegen fremd, weil sie VOR der Beziehung zu wenig Partner oder Sex hatten. Sie gehen fremd, weil WÄHREND ihrer Beziehung etwas nicht stimmt, sie sich unbefriedigt fühlen, oder sich etwas zum negativen verändert hat. Es ist oft eher ein Hilferuf oder Warnsignal, dass in der Beziehung aktuell etwas nicht in Ordnung ist.

Ein anderer Grund kann sein, dass jemand sowieso das Bedürfnis oder die Veranlagung hat, mit vielen wechselnden Partners Sex zu haben. Meines Erachtens sollten solche Personen dies von Beginn der Beziehung an aber offen kommunizieren und gar nicht erst eine monogame Beziehung eingehen. Mag vielleicht sein, dass das eine Zeit lang gut geht, weil derjenige oder diejenige sich vor der Beziehung die entsprechenden 'Hörner abgestoßen' hat, aber diese Art von Horn, soviel ist klar, wird schnell nachwachsen und dann eben doch zu genau dem Konflikt führen, der hier eigentlich vermieden werden sollte.

Die Angst, in einer Beziehung verletzt zu werden, ist normal und wird mit schlechten Erfahrungen im Laufe des Lebens oft nicht kleiner. Belogen zu werden ist, gerade in einer Beziehung, wo es ja um Vertrauen geht und man sich öffnet, besonders schmerzhaft. Aber lässt sich dieses Risiko tatsächlich dadurch mindern, dass man einen Partner findet, der vor der Beziehung ein besonders ausschweifendes Sexualleben hatte? Ich persönlich wurde, wie viele andere auch, in einigen Beziehungen belogen und habe dafür oft die Schuld in mir oder der Beziehung gesucht. Antworten fand ich aber in den meisten Fällen vor allem bei einem Blick in die Vergangenheit dieser Partnerinnen und, wenn der Kontakt noch bestand, später auch bei Gesprächen über ihre Beziehungen nach mir. Meiner Erfahrung nach, gibt es einfach Menschen, die in Situationen, die für sie unangenehm sind, zu einer Lüge greifen. Diese Menschen haben das meist in früher Kindheit gelernt und nie geschafft es abzulegen. Sie haben vor allem ihre Eltern, oft ihre Freunde und später eben ihre Partner immer dann belogen, wenn es für sie sonst zu einem größeren Konflikt gekommen wäre. Ich habe diese Erfahrung allerdings sowohl mit Frauen gemacht, die vor mir viele wechselnde Partner hatten, als auch mit Frauen, die lange Beziehungen bevorzugten. Meiner Meinung nach hat dies überhaupt nichts damit zu tun, ob und in welchen Situationen ein Mensch lügt oder fremdgeht.



Adieu,“ sagte der Fuchs.


Sicher ist ja mal vor allem, dass immer alles anders kommt und so weiter. Daher kann es dem wilden Aufreißer nämlich irgendwann, bei einem beliebigen One-Night-Stand, doch passieren, dass er sich plötzlich und ungewollt richtig heftig verknallt. Vorausgesetzt, er schafft es seine Angst vor Verletzung soweit zu drosseln, dass sein Herz nach dem Club noch mit ins Taxi steigt und nicht an der Bar sitzen bleibt. Zu wünschen wäre es einigen auf jeden Fall. Und genauso kann ein anderer, der sich nach der großen Liebe sehnt, plötzlich den Spaß am unverbindlichen, fiesen, kleinen Fick entdecken. Erzwingen lässt sich beides nicht. Offen sollte man aber zumindest für alles sein.

Ich bin ja zu Beginn dieses Blogs eigentlich genau dazu losgezogen. Um eine wilde Zeit zu starten und reichlich bedeutungslosen Sex zu haben; eben um mir die besagten Hörner abzustoßen. Nicht, dass ich nie kurze Affären gehabt hätte, aber gegen die festen Beziehungen in meinem Leben, waren sie eben immer die Ausnahme. Ich dachte ich müsste das machen. Klang ja auch logisch. Aus irgendeinem Grund ist aus dem 'Abstoßen' aber nichts geworden. Vielleicht habe ich ja auch gar keine Hörner... Das würde zumindest die Kopfschmerzen erklären, mit denen ich am nächsten Morgen immer aufwache, anstatt mit der heißen Frau, die sich nur schnell verabschieden will. Vielleicht bin ich da einfach behindert. Oder vielleicht hat diese Hörner auch nicht jeder. Ich weiß es nicht. Eigentlich ist es auch egal. Denn das Abstoßen würde, so wie ich es sehe, ja auch weder mir noch jemand anderem etwas bringen. Letztendlich ist nur wichtig, dass man sich keiner Option verschließt, raus geht und offen bleibt für alles was so passieren kann. Und wenn man bisher überhaupt etwas aus meinem Blog lernen konnte, dann das:
Wenn du gerade so ganz und gar nicht danach suchst und nichts erwartest... dann, genau dann, passiert nämlich..... auch nichts.

Ja... So schaut's mal aus. Ganz schön viel Philosophie für einen Samstag Nachmittag. So, ich male jetzt jedenfalls noch ein Schaf und dann geht es heute Nacht mal wieder auf die Piste. Ich bin schon sehr gespannt, welche Überraschungen die Nacht, das Leben und die Berliner-Pilsner-Brauerei für mich bereithalten.


In diesem Sinne: Packen wir die Sache bei den Hörnern!



Elia.


1. Januar 2014

Die stille Seite des Mondes

Es ist der erste Januar 2014 und Michael Schumacher liegt im Koma. Das ist mir allerdings scheißegal. Genauso scheißegal ist es mir, dass ein fetter Kerl beschlossen hat, den Brustkrebs seiner Frau als Werbegag an die Telekom zu verticken. Alles Arschgeigen da draussen. Gott bin ich froh, dass ich keinen Fernseher hab. So muss ich wenigstens nur dafür bezahlen, dass der Kot produziert wird, aber fühle mich nicht auch noch verpflichtet, hinzusehen wenn man ihn uns vorführt. Ich klicke diese komische Fernseh-Website wieder zu. Es ist 12:30Uhr und ich bin wach. Ich war um 7:00Uhr im Bett und habe somit halbwegs ausgeschlafen. Ich habe keinerlei Kater, was wohl daran liegt, dass ich mir gestern Nacht durchgehend frustrierend nüchtern vorkam. Nüchternheit kann in manchen Momenten im Leben eines Mannes eine wirklich herbe Enttäuschung darstellen. Ich stehe auf und mache mir einen Kaffee. Ich kann mich an jede Sekunde der gestrigen Nacht erinnern. Kein Kater. Kein Blackout. Kein Exzess. Das ist neu. Das ist neu. Hurra, Hurra die Schule brennt.

Vincent kam gestern um 21:00 zu mir. Ich habe beschlossen ihn ab jetzt Vincent und nicht mehr 'Wing2' zu nennen. Ich habe überhaupt beschlossen, mit diesem beknackten Pick-Up-Sprech aufzuhören. Das ist ja scheiß-peinlich. Wie Kleinkinder, die über ihre Action-Figuren reden und kein Schwein versteht ein Wort, weil niemand alle Folgen ihrer Epileptiker-Sendung im Fernsehen dazu kennt. 'Wing2'....als hätten wir uns auch nur ein einziges mal 'gewingt'... Ich hab ihm mal nen Approach...ä …oh – dafür gibt’s kein gutes Wort - ...ach scheiß drauf, ich hab ihm mal nen Approach versaut. Das war's aber auch schon zum Thema 'Wing'. Jedenfalls kam Vincent um 21:00Uhr zu mir. Ich hatte gekocht und Kerzen angemacht und er hatte Raketen gekauft. Alles könnte so einfach sein, wenn man nur schwul wäre. Nach dem Essen gab's lecker Alkohol. Wodka. Immer abwechselnd mit Espresso. Man ist halt keine 20 mehr, und nach dem guten Essen will man eigentlich ja in seinem Sessel einschlafen. Aber nix da!

Ich hatte am Samstag schon ohne Erfolg versucht meine beginnende Erkältung mit kalter Luft, lautem Punkrock, Zigarettenrauch und viel Alkohol los zu werden. Hatte nicht funktioniert. Ich werde die Versuchsreihe dazu trotzdem nicht aufgeben. Ich bin von der heilenden Wirkung dieser Kombination immer noch fest überzeugt. Jedenfalls saß ich Vincent, mit roten Augen und roter Nase, gegenüber und schniefte in meinen Schnaps, während er mir seinen üblichen Neujahrs-Blues vortrug: Das Leben ist kurz und ungerecht. Die Frauen sind hässlich oder doof. Und der Gin schmeckt nicht, mit dem billigen Bitter-Lemon von LIDL. Ich hörte es mir an, wie man das von einem guten Freund erwartet, und sorgte gleichzeitig für permanenten Nachschub an Espresso und Wodka.

Um Mitternacht standen dann zwei Löwe-Singlemänner, einer Mitte Dreißig, einer Mitte Vierzig, auf einem kleinen Balkon in Berlin und schossen abwechselnd 'Horoskop-Raketen' auf LIDL um sich für den beschissenen Gin zu rächen. Als wir damit fertig waren, schoss sich Vincent bei der Gelegenheit auch gleich noch endgültig selbst mit einem großen Glas Wodka/Sekt ins Off. Prost. Danach stand er kichernd und besoffen vor meinem mp3-Player und spielte alte Depeche-Mode-Songs, während ich versuchte, diverse Privat-Party-Optionen abzutelefonieren, um herauszufinden, welche die beste sei. Wir entschieden uns für eine Party in einem kleinen Club in Neukölln.

Um 2:30Uhr verließen wir meine Wohnung und standen erstmal direkt auf einem Mini-Rave im Treppenhaus. Die Silvester-Party der Mädchen-WG neben mir schien sich wohl mit der Party der Jungs-WG unter mir im Treppenhaus zusammen geschlossen zu haben. Die drei Stockwerke bis nach unten waren jedenfalls ein Slalom, vorbei an betrunkenen Menschen, leeren Flaschen und Erbrochenem. Ich musste Vincent nach jeder Treppe daran erinnern, weiter zu gehen, weil er in seinem Zustand jeden, der ihm begegnete, anquatschte. Und genau dieses Programm zog er auch den kompletten Weg, inklusive U-Bahn-Fahrt, bis zur Party in Neukölln durch. Ich musste ihn von einigen Mädchen-Gruppen fast wegzerren. Jeder Pick-Up-Coach wäre stolz auf ihn gewesen. Alkohol ist eben der eigentliche Zaubertrank der sozialen Interaktion. Scheiß auf Inner-Game!

Als wir auf der Party ankamen war mir immer noch schlecht von der U-Bahn-Fahrt. Vielleicht war es auch meine Erkältung. Oder die zwei Liter Espresso-Wodka-Mischung in meinem Magen. Es war eine Gruppe alter Schulfreunde von mir dort, einige aus Amsterdam und Istanbul angereist, manche hatte ich weit über ein Jahr nicht gesehen. Ich lies mich einmal rumreichen und von jedem drücken und landete schließlich an der Bar. Ich bestellte Bier, um meinen Magen zu beruhigen. Eigentlich hätte ich doch Arzt werden sollen. Der Club war gerammelt voll und die, wohl hauptsächlich zugezogene, Studentenschaft heftig am feiern und tanzen. Es lief Old-School-HipHop. Ganz was verrücktes.

Vincent bestückte sich mit einem großen Wodka mit Eis und hing direkt am ersten Mädchen. Ich stand mit meinem Bier an der Bar und fragte mich, was heute denn mit mir los sei. Ich fühlte mich nicht nur krank sondern auch nüchtern. Eigentlich eine besonders gemeine Mischung. Ich bewegte mich ein wenig zur Musik, kam aber überhaupt nicht in Partystimmung. Nach ein wenig Small-Talk auf der Tanzfläche zog ich mich wieder an die Bar zurück. Die Nacht schien langsam zu kippen. Normalerweise hätte ich mit einer Alkohol-Dosis-Steigerung reagieren können, aber selbst darauf hatte ich nicht wirklich Lust. Ich stand weiter an der Bar und beobachtete still das bunte und laute Treiben um mich herum. Ich hatte kurzzeitig das Gefühl, alle würden ein Stück von mir zurückweichen, ich fühlte mich nicht richtig anwesend, und selbst die laute Musik und das Geplapper der Leute kam mir plötzlich extrem leise und gedämpft vor, als würde ich einen Film ohne Ton sehen. Ich sah ein Pärchen vor mir an der Bar wild knutschen und hinter ihnen die Hände der tanzenden Meute in der Luft. Ich entdeckte Vincent am anderen Ende der Bar im innigen Gespräch mit einem anderen Mädchen. Alles war irgendwie surreal und weit weg. Ich wurde kurz ganz ruhig und entspannt und fand alles richtig und gut um mich herum. Ich fühlte mich irgendwie 'NICHT' – weder gut noch schlecht – einfach 'NICHT'. Normalerweise hätte ich den Drang verspürt, mit zu machen, zu trinken, zu tanzen oder Frauen anzusprechen, ein Teil zu sein von dem großen, sozialen Autoscooter um mich herum. Für den Moment hatte ich auf nichts davon Lust und es war komischerweise auch mal völlig in Ordnung so.

Als die Musik wieder lauter wurde, war mein Bier leer. Ich bestellte mir ein neues und gesellte mich zu einem Freund, an den Rand der Tanzfläche. Vincent kam noch einige Male vorbei, wippte ein wenig mit und beschwerte sich über die Damenwelt: „Was soll der Mist? Wieso haben die eigentlich alle einen Freund oder sind verheiratet? Und wenn die alle so glücklich und vergeben sind, warum sind sie dann nicht gefälligst zuhause und vögeln?“. Er wirkte ungewöhnlich aufgedreht und voll auf sein Ziel – Frauen - fokussiert.

Um 5:00Uhr hatte Vincent, nach eigenem Bekunden, jede interessante Frau im Club angesprochen. „Der Laden ist verbrannt“ meinte er kurz und unbefriedigt. Er wollte weiterziehen. Mir war es egal und so einigten wir uns darauf, uns wieder in die U-Bahn zu begeben und in unser gewohntes Revier zu fahren. Dort angekommen, hatte Vincent Hunger und wir gingen in unsere Lieblingspizzeria. Ich war inzwischen derart nüchtern, dass ich es kaum glauben konnte, und mir war klar, würde ich jetzt auch noch etwas Warmes essen, so wäre die Nacht für mich gelaufen. Wir aßen und amüsierten uns über den lautstarken Kampf der übermüdeten Pizza-Jungs mit dem betrunkenen Berliner Partyvolk.

Danach verabschiedete ich Vincent in die Nacht. Mir war völlig klar, dass er in den nächsten Club ziehen würde. Er war noch nicht fertig mit Silvester und den Frauen. Ich wollte in mein Bett. Und das zum ersten Mal seit langem, weder auf diese betrunken-kollabierende noch auf diese frustriert-unzufriedene Weise. Ich fand es völlig in Ordnung, entspannt nachhause zu gehen, statt noch eine Bar und noch einen Club, und darin mein 'Glück', zu suchen.

Zuhause angekommen war das Treppenhaus ein Schlachtfeld. Konfetti, Luftschlangen, Bierflaschen und einiges Unaussprechliches zierten die Stufen bis zu meiner Wohnungstür. Die Tür der WG unter mir, und die Tür der Mädchen-WG standen offen und dumpfes Techno-Gewummer kam aus beiden Wohnungen. Nein, auch das wollte ich mir nicht ansehen. „Man muss seinen Nachbarn ja auch noch mal in die Augen sehen können“ dachte ich mir, und dafür sollte man es vielleicht vermeiden, ihnen morgens um 7 auf Drogen, oder kotzend über ihrer Kloschüssel, zu begegnen. Verdammt! Geht es jetzt los? Werde ich jetzt doch noch erwachsen?



Gegen 15:00Uhr meldete sich heute Vincent bei mir. Ich war bester Laune und gerade damit fertig geworden, meine Küche zu wischen und meine Wohnung aufzuräumen. „Guten Morgen“ krächzte er in den Telefonhörer. Wie es denn noch gelaufen sei, fragte ich und nippte an meinem Kaffee. Er erzählte mir kurz von dem kleinen Techno-Schuppen in dem er gestrandet sei. 'FICKN' sei dort in großen Buchstaben, aus silbernen Luftballons, über der Bar gestanden. Das E war schon zerstört gewesen. Aber der Club hatte nicht halten können, was die Luftballons versprachen. Weder Ficken, noch Fickn war für ihn drin gewesen. Beziehungsweise, drin wäre es wohl schon gewesen, aber die zwei Mädels, die ihn dort noch morgens um 9 angetanzt hätten, wären ihm einfach zu durch und zu kaputt gewesen. Er hatte sie der Meute und der Nacht überlassen. Oder wem auch immer.

Ich bin heute den ganzen Tag nicht wirklich dahinter gekommen, ob es nur meine Erkältung war, die mir so die Energie genommen hatte, oder ob dieser ganze Club-Kram einfach von mir letztes Jahr etwas überstrapaziert wurde und daher stark an Reiz eingebüßt hat. Eigentlich ist es auch egal. Ich habe mich gestern Nacht, ganz ohne Vollrausch und ohne Frau, ziemlich zufrieden in mein Bett gelegt. Eigentlich deutlich zufriedener als in vielen Nächten davor. Das könnte ja auch eine Verbesserung sein. Scheiße, oder ich werde echt erwachsen!! Ich sollte das doch lieber beobachten. Wenn es nicht wieder anders wird, muss ich es wohl mit kalter Luft, lautem Punkrock, Zigarettenrauch und Alkohol behandeln. Mit solchen Alterserscheinungen ist nicht zu spaßen.


Ich wünsche euch allen ein großartiges 2014!



Elia