11. Januar 2014

Vom Abstoßen der Hörner

...den zwei Knubbeln, die danach übrigbleiben, der Fähigkeit zu lieben und davon, dass Hörner
nachwachsen



Etwas ausgelaugt von einer anstrengenden, aber erfolgreichen, Arbeitswoche chattete ich gestern Abend ein wenig mit meiner lieben Blogger-Kollegin Esperame über das Leben, die Arbeit und unter anderem eben auch (surprise!) über Pick Up. Und während ich mir mal wieder selbst ein Schaf zeichnete, malte Espe mir - mit Worten natürlich, anders geht das ja in einem Chat nicht – ein so schönes Bild zu diesem Thema, dass ich es euch einfach nicht vorenthalten kann, und sie hier einmal zitieren will:


Ich habe gestern einem Freund erklärt, dass Pick Up wie Reha ist.
Deswegen brauchen manche nur ein paar sportgymnastische Übungen und dann gehen sie hinaus in die Welt und sind gute Sportler.
Und andere, die bleiben in der Reha, ein Leben lang, und machen da Wettkämpfe mit anderen Patienten…
Und sie sind da vielleicht die großen Champions...

Aber es bleibt doch Behindertensport.

- Esperame Robinson


Als ich mit meinem Schaf fertig war und den Wachsmalstift weggelegt hatte, dachte ich nochmal über Esperames Bild nach. Ich fand es nicht nur saukomisch, sondern eigentlich auch, in ganz verschiedenen Bedeutungen, eine ziemlich spannende Betrachtung des Ganzen. Wenn Pick Up wie Reha ist, ist Dating dann der 'wahre' Sport? Oder ist es das Führen einer Beziehung? Das Sich-wirklich-Einlassen auf einen anderen Menschen? Ist das andere tatsächlich nur eine Vorbereitung, eine Vorstufe, bestenfalls eine Trockenübung für den richtigen Wettkampf? Ist es für manche sogar wirklich nur ein isolierter, von der Realität abgetrennter Versuchsaufbau, in dem sie sich so weit in die 'Gefahrenzone' zwischen Mann und Frau hineinwagen können, wie ihre Behinderung es eben zulässt? Eine Imitation dessen, was zwischen Menschen passieren könnte, wenn sie Gefühle füreinander hätten - aber abzüglich all der Gefahren, die diese Gefühle eben mit sich bringen würden. Abgesichert, weil es einem ja eben eigentlich doch scheißegal ist, wer das Gegenüber wirklich ist. Und sollten Gefühle auftreten, drückt man den roten Schwesternknopf und schreit laut 'NEXT'. Oder ist es die Krankengymnastik, das langsame Wiederholen der immer gleichen Übung, bis man sich sicher genug fühlt, um sich auf das wirkliche Rennen, die Beziehung mit einem anderen Menschen, einzulassen? An diesem Punkt der Überlegung schlief ich ein. Das Schaf auch.



Ich wünsche dir auch einen guten Morgen“, antwortete die Rose.


Seit ich heute morgen aufgewacht bin, lässt mich der Gedanke an die 'Dating-Reha' nicht mehr los. Ich musste an zwei andere Aussagen denken, die ich in vor einiger Zeit mal gelesen hatte. Beide beschreiben das gleiche Bild nur aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie stammen von einem Mann und einer Frau, wobei das für die Aussagen egal ist und die Personen, bzw. die Geschlechter der Personen, austauschbar sind. Sie waren inhaltlich ungefähr folgende:

Ich will mich erst mal ausleben und später, wenn ich das getan habe, fange ich dann eine feste Beziehung an“

Ich will einen Partner, der sich ausgetobt hat und danach wirklich weiß, was er will. Anstatt einen, der mir später dann irgendwann fremdgeht“

Beide Aussagen begegnen einem in ähnlichen Formulierungen, wie ich finde, relativ häufig. Die Vorstellung dahinter ist klar. Im einen Fall beschreibt jemand, dass er sich erst mit vielen wechselnden Partnern sexuell ausleben möchte, um sich dann, wenn seine Neugier gestillt ist, auf eine feste Beziehung einzulassen. Die andere Aussage beschreibt das gleiche Bild nur eben aus einer anderen Perspektive. Hier wird ein Partner gesucht, der sich sexuell bereits ausgetobt hat und dadurch, so die Annahme, nun weniger 'anfällig' für Seitensprünge und Abenteuer, und bereit für eine treue, feste Beziehung ist. Auf den ersten Blick klingen diese Ansätze schlüssig. Doch desto mehr ich im Einzelnen darüber nachdenke, desto unlogischer erscheinen sie mir.

Die erste Aussage beschreibt jemanden, der Spaß daran hat, Sex mit verschiedenen Menschen zu haben; ohne Beziehung, und vor allem auch ohne jegliche emotionale Bindung. Und so wie ich es verstehe, macht der zweite Teil der Aussage auch nur dann Sinn, wenn man Emotionen zwischen Menschen sowohl beim Sex, als eben auch beim finden eines festen Partners, komplett außer Acht lässt. Denn diese zweite Hälfte der Aussage suggeriert, dass das Eingehen einer festen Beziehung einzig und allein eine rationale Entscheidung dieser Person ist. Dass man eine Beziehung aus Liebe eingeht, sich binden möchte, weil man sich verliebt hat, wird hier komplett ausgeblendet. Dann würde diese 'Planung' nämlich auch schon gar nicht mehr funktionieren, weil genau das - das Verlieben – eben jenseits, und oft entgegen, jeder rationaler Entscheidung passiert. Der Liebe ist es scheißegal, ob du dich 'bereit' fühlst, oder ob sie gerade in deine Lebensplanung passt. Und es ist ihr genauso scheißegal, ob du dich jetzt entschlossen hast, eine feste Beziehung zu wollen. Ob und wann dir der Mensch begegnet, mit dem du deine 'Plan-Beziehung' führen willst, und ob ihr euch verliebt, lässt sich eben weder im Voraus planen, noch ab einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden.

Natürlich lässt sich die Ratio soweit überzüchten, dass du dir selbst, in dem Moment in dem du Gefühle für jemanden entwickelst, oder dir eine Beziehung wünschst, einfach verbietest dies zuzulassen; du gehst auf Abstand und entziehst dich der Situation. Nur: Wie ehrlich ist dieses Verhalten dir selbst gegenüber? Wie ehrlich ist es deinen Emotionen gegenüber?

Bekanntlich gibt es auch Menschen, und zwar nicht wenige wenn man mal darauf achtet, die sich einfach nur eine feste Beziehung wünschen - oder besser eine Beziehung brauchen - und so eigentlich mit jedem Menschen, den sie kennenlernen eine Beziehung eingehen können, und oft auch tun. Bei solchen Menschen geht es um die Beziehung als Konstrukt oder Lebenssituation und nicht um den Partner, die Emotionen oder die besondere zwischenmenschliche Verbindung zu ihm. Der Partner ist für solche Personen oft erschreckend leicht austauschbar; Hauptsache man hat eine Beziehung und ist nicht 'allein'. Wenn man genauer hinsieht, sind gerade solche Menschen, mit oder ohne Beziehung, in sich selbst aber oft extrem allein.

Und genau hierin ähneln sich nun die beiden Systeme wieder extrem. Der eine Mensch, der sich selbst Emotionen (oder zumindest so starke Emotionen, dass er den Wunsch verspürt, sich zu binden) verbietet, und der andere, der fast unabhängig von seinen wahren Emotionen oder dem Partner, ständig auf eine feste Bindung drängt, weil er abhängig davon ist, in einer Partnerschaft zu leben. Beide fürchten in einen Zustand zu geraten, in dem sie scheinbar die Kontrolle über ihr Fühlen verlieren. Beide haben Angst vor Verletzungen. Der eine hat Angst alleine zu sein, auf sich selbst zurückgeworfen zu werden, gezwungen zu sein, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Der andere hat Angst, Kontrolle über sich und seinen Emotionen zu verlieren, verletzlich zu werden, in Teilen abhängig von den Entscheidungen und dem Handeln einer anderen Person. Beide bilden sich ein, sich frei zu fühlen. Aber beide sind unfrei in ihrer eigentlichen Abhängigkeit, ihrer Unfähigkeit, ihren Zustand gegen einen anderen aufzugeben - den Schmerz nicht riskieren, oder nicht zulassen zu können.

Der zweite Satz hingegen beschreibt den Gedanken, einen Partner zu finden, der sich sexuell bereits 'ausgelebt' hat und die damit verbundene Hoffnung, dieser würde dann weniger den Wunsch verspüren, fremdzugehen oder in der Beziehung zu betrügen. Hält dies der Realität und unseren Erfahrungen stand? Ich finde nicht. Nach meiner Erfahrung, gehen Menschen in den meisten Fällen nicht deswegen fremd, weil sie VOR der Beziehung zu wenig Partner oder Sex hatten. Sie gehen fremd, weil WÄHREND ihrer Beziehung etwas nicht stimmt, sie sich unbefriedigt fühlen, oder sich etwas zum negativen verändert hat. Es ist oft eher ein Hilferuf oder Warnsignal, dass in der Beziehung aktuell etwas nicht in Ordnung ist.

Ein anderer Grund kann sein, dass jemand sowieso das Bedürfnis oder die Veranlagung hat, mit vielen wechselnden Partners Sex zu haben. Meines Erachtens sollten solche Personen dies von Beginn der Beziehung an aber offen kommunizieren und gar nicht erst eine monogame Beziehung eingehen. Mag vielleicht sein, dass das eine Zeit lang gut geht, weil derjenige oder diejenige sich vor der Beziehung die entsprechenden 'Hörner abgestoßen' hat, aber diese Art von Horn, soviel ist klar, wird schnell nachwachsen und dann eben doch zu genau dem Konflikt führen, der hier eigentlich vermieden werden sollte.

Die Angst, in einer Beziehung verletzt zu werden, ist normal und wird mit schlechten Erfahrungen im Laufe des Lebens oft nicht kleiner. Belogen zu werden ist, gerade in einer Beziehung, wo es ja um Vertrauen geht und man sich öffnet, besonders schmerzhaft. Aber lässt sich dieses Risiko tatsächlich dadurch mindern, dass man einen Partner findet, der vor der Beziehung ein besonders ausschweifendes Sexualleben hatte? Ich persönlich wurde, wie viele andere auch, in einigen Beziehungen belogen und habe dafür oft die Schuld in mir oder der Beziehung gesucht. Antworten fand ich aber in den meisten Fällen vor allem bei einem Blick in die Vergangenheit dieser Partnerinnen und, wenn der Kontakt noch bestand, später auch bei Gesprächen über ihre Beziehungen nach mir. Meiner Erfahrung nach, gibt es einfach Menschen, die in Situationen, die für sie unangenehm sind, zu einer Lüge greifen. Diese Menschen haben das meist in früher Kindheit gelernt und nie geschafft es abzulegen. Sie haben vor allem ihre Eltern, oft ihre Freunde und später eben ihre Partner immer dann belogen, wenn es für sie sonst zu einem größeren Konflikt gekommen wäre. Ich habe diese Erfahrung allerdings sowohl mit Frauen gemacht, die vor mir viele wechselnde Partner hatten, als auch mit Frauen, die lange Beziehungen bevorzugten. Meiner Meinung nach hat dies überhaupt nichts damit zu tun, ob und in welchen Situationen ein Mensch lügt oder fremdgeht.



Adieu,“ sagte der Fuchs.


Sicher ist ja mal vor allem, dass immer alles anders kommt und so weiter. Daher kann es dem wilden Aufreißer nämlich irgendwann, bei einem beliebigen One-Night-Stand, doch passieren, dass er sich plötzlich und ungewollt richtig heftig verknallt. Vorausgesetzt, er schafft es seine Angst vor Verletzung soweit zu drosseln, dass sein Herz nach dem Club noch mit ins Taxi steigt und nicht an der Bar sitzen bleibt. Zu wünschen wäre es einigen auf jeden Fall. Und genauso kann ein anderer, der sich nach der großen Liebe sehnt, plötzlich den Spaß am unverbindlichen, fiesen, kleinen Fick entdecken. Erzwingen lässt sich beides nicht. Offen sollte man aber zumindest für alles sein.

Ich bin ja zu Beginn dieses Blogs eigentlich genau dazu losgezogen. Um eine wilde Zeit zu starten und reichlich bedeutungslosen Sex zu haben; eben um mir die besagten Hörner abzustoßen. Nicht, dass ich nie kurze Affären gehabt hätte, aber gegen die festen Beziehungen in meinem Leben, waren sie eben immer die Ausnahme. Ich dachte ich müsste das machen. Klang ja auch logisch. Aus irgendeinem Grund ist aus dem 'Abstoßen' aber nichts geworden. Vielleicht habe ich ja auch gar keine Hörner... Das würde zumindest die Kopfschmerzen erklären, mit denen ich am nächsten Morgen immer aufwache, anstatt mit der heißen Frau, die sich nur schnell verabschieden will. Vielleicht bin ich da einfach behindert. Oder vielleicht hat diese Hörner auch nicht jeder. Ich weiß es nicht. Eigentlich ist es auch egal. Denn das Abstoßen würde, so wie ich es sehe, ja auch weder mir noch jemand anderem etwas bringen. Letztendlich ist nur wichtig, dass man sich keiner Option verschließt, raus geht und offen bleibt für alles was so passieren kann. Und wenn man bisher überhaupt etwas aus meinem Blog lernen konnte, dann das:
Wenn du gerade so ganz und gar nicht danach suchst und nichts erwartest... dann, genau dann, passiert nämlich..... auch nichts.

Ja... So schaut's mal aus. Ganz schön viel Philosophie für einen Samstag Nachmittag. So, ich male jetzt jedenfalls noch ein Schaf und dann geht es heute Nacht mal wieder auf die Piste. Ich bin schon sehr gespannt, welche Überraschungen die Nacht, das Leben und die Berliner-Pilsner-Brauerei für mich bereithalten.


In diesem Sinne: Packen wir die Sache bei den Hörnern!



Elia.


6 Kommentare:

  1. Da tut sich eine völlig neue Erklärung auf: Meine Hörner sind einfach zu fest!

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    1. Durchaus möglich, farce!

      Oder sie wachsen zu schnell.
      Du könntest dir aber natürlich ein prächtiges Geweih wachsen lassen... :)

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    2. It seems, in the end, size DOES really matter.

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  2. Interessante Gedanken. Aber in einem Fall irrst du meiner Meinung nach. Es kann sehr wohl Zeiten geben, die einfach falsch sind für eine Beziehung. Zeiten, die man besser alleine verbringt und in denen man das optimalerweise auch einsieht.
    Beziehungen muss man erst lernen. Genaugenommen ist das zwischenmenschliche Miteinander ungefähr die schwierigste Aufgabe, der man sich stellen kann. Und wenn du einsiehst, dass du diese Aufgabe auf deinem jetzigen Entwicklungsstand nicht schaffst, dass zum Beispiel immer irgendetwas hakt, dann ist es doch besser, sich eine Weile aus dem Geschäft zu nehmen? Um das, was hakt, zu lösen. Was mMn zu zweit sehr viel schwieriger ist, wenn nicht manchmal sogar unmöglich.
    Zu denken, dass man eine Beziehung nicht ablehnen kann, nur weil da die oder der "Richtige" steht, halte ich für gefährlich. Die Anwendung der Liebe in einer Beziehung muss jeder erst lernen. Wenn es damit noch hapert, tut man sich und dem anderen keinen Gefallen damit, es trotzdem auf Brechen und Biegen zu versuchen. Dieses überhöhte Bild von der Liebe, die alles überwindet, geht in die Richtung von "Es muss nur die/der Richtige kommen, und dann wird alles gut".
    Wird es eben nicht. Und traurigerweise sind die Umstände manchmal einfach falsch, selbst wenn die/der Richtige vor dir steht.

    Während ich deine Blogeinträge lese, denke ich oft, dass du "die Richtige" schon in mehreren Mädchen getroffen hast. Bestimmt hast du das, denn es gibt Unmengen von richtigen. Dass du es aber nicht siehst, weil in dir selbst noch etwas hakt. Und dass du dir selbst vielleicht einen Gefallen tun würdest, dieses Etwas erst zu lösen, bevor du weitersuchst.

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    1. Hallo,

      Ja, das sehe ich aber doch ganz genauso! Eine Beziehung führen zu können, bedeutet, die Reife und Bereitschaft zu besitzen, sich auf jemand anderen einzulassen. Dies schaffen nicht alle und nicht immer. Genau so meinte ich das auch. Ich glaube nur eben nicht, dass es einfach einer bewussten Entscheidung bedarf und schon ist man soweit eine Beziehung zu führen. Ich glaube es gehört da viel mehr Mut und Reife dazu, als sich einfach nur durch die Clubs und Betten der Stadt zu vögeln. Andersherum, auch da hast du recht, sollte man sich nicht 'zwingen', wenn man aus irgendwelchen Umständen momentan innerlich nicht in der Lage ist, sich zu binden.

      Vielen Dank fürs Mitlesen und für deine Gedanken dazu!

      Elia

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  3. also meiner einer sucht die richtige ...war nur keine dabei

    ich hab PU eher als trainig gesehen um nicht aus der Übung zu kommen

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