30. April 2013

Charlie don't surf!

Die letzte Woche schien Berlin geradezu mit internationalen Pick-Up-Größen geflutet gewesen zu sein. Alle zwei Tage irgendein Event. Ständig Lesungen, Vorträge oder sonstige Treffen. Selten konnten so viele einsame Männer die Abende so leicht mit so vielen anderen einsamen Männern verbringen um darüber zu reden, wie man es schaffen könnte, die Abende mit Frauen zu verbringen. Wahlweise konnten sie sich auch von angeblich weniger einsamen Männern erklären lassen, wie sie es schaffen könnten, die Abende mit Frauen zu verbringen. Das ist natürlich Blödsinn und stinkt irgendwie nach Trekkie-Convention. Da sollte man lieber nicht mitmachen. Und im Nicht-mitmachen bin ich ja schon immer gut. Grund genug also für mich, um die letzten Wochen komplett allein in meiner Bude zu verbringen. Ohne einsame Männer, ohne weniger einsame Männer und ohne Frauen. Jedenfalls hätte ich das total konsequent so gemacht, wäre nicht die Pick-Up-Flut in Berlin gegen Ende der Woche so hoch gestiegen, dass sie mir, erst über die Balkontüren und später selbst zu den Fenstern, in die Wohnung geflossen wäre. Und so saß ich, der Typ mit der dicken, fetten Null in seinem Lay-Count, ohne dass ich recht wusste wie mir geschah, plötzlich mit besagten Pick-Up-Größen beim Abendessen und quatschte über den weiblichen Orgasmus, ganz so als würde ich mich noch daran erinnern, was das überhaupt nochmal war. Aber diese Geschichte erzähle ich demnächst nochmal ausführlich.

Da ich zwar immer noch Clubbing-Pause mache, aber mich wohl demnächst nicht mehr länger zurückhalten kann sollte ich vorher natürlich noch, in aller Kürze, den letzten fehlenden Report abliefern, auf dem sich mittlerweile schon eine dicke Staubschicht angesammelt hat. Ich hoffe mein THC-geschädigtes Erinnerungsvermögen bekommt das überhaupt noch alles so recht zusammen.



Samstag 6. April – Welcome To The Jungle


Ich startete den Abend in der Stammbar, wo ich mit zwei Mädels, die ebenso zu Einrichtung gerechnet werden wie inzwischen meine Wenigkeit, einige Bierchen zum Aufwärmen trank. Ich seilte mich aber dieses Mal sehr erfolgreich schon frühzeitig ab, um mich erst gar nicht am Tresen festzutrinken und ging in Club1. Dort gab es zu meiner Überraschung (unüblich für den Laden) erstmal ein ganz nettes Konzert einer Glam-Punk-Kapelle, die aussahen wie mit einer Zeitmaschine aus dem New York der 70er hergebeamt. Das Konzert war nice und eignete sich nebenbei auch noch sehr gut, um ein wenig die anwesenden Weibchen in Augenschein zu nehmen. Ich wippte also entspannt mit und schielte gelegentlich mal rechts und links durch die Reihen. Als klar war, dass das Konzert nicht mehr lange gehen würde, weil der New-York-Dolls-Klon auf der Bühne bereits einem BWL Studenten in hellblau gestreiftem Hemd aus der ersten Reihe seine Gitarre überlassen hatte um die Hände zum Saufen frei zu haben, hatte ich bereits zwei bis drei Targets im näheren Umfeld auf meinem Radar markiert. Da aber im Dating-Bereich die Dronentechnik leider noch nicht so weit entwickelt ist, wie es wünschenswert wäre, musste ich wohl doch wieder selbst raus aufs Schlachtfeld. Also nahm ich einen kräftigen Schluck Bier, setzte mein Nachtsichtgerät auf und griff, während sich im Club der Rauch langsam lichtete, nach meiner rostigen AK-47.

Mein erster Feindkontakt war ein 2er-Set. Das Target war studentisch bis einmal kurz in den Ex-Punk-Topf gefallen, mittelgroß und hatte platinblondierte kurze Haare und ein Puppengesicht. Die dazugehörige Wachsoldatin war einen Kopf größer als ich, sah aber gut gelaunt und freundlich aus. Trotzdem ist im Cold-Approach-Nahkampf Wachsamkeit das oberste Gebot und ein Lächeln noch kein Grund den Helm abzusetzen. Ich hatte mir inzwischen ja schon gänzlich abgewöhnt vorher über irgendwelche Opener nachzudenken und schubste mich, wie immer, selbst ins Set. Leider gelingen solche super-spontanen Opener eben nicht jedes Mal und so rumpelte ich etwas holprig mit der Annahme ins Set, die beiden seien nicht aus Berlin. In Berliner Szeneclubs ist sowas schon ein ziemlich heftiger bis mutiger Neg und so bekam ich zwar zumindest die erhoffte Nachfrage, was mich denn da so sicher mache, aber es gingen auch einige, mit Tarnnetzen bespannte, Bitch-Shields hoch. Der erste Approach der Nacht war also wackelig wie immer und mein Schützengraben einfach noch nicht ausgehoben und so polterte ich mit selbstgebasteltem Frame durch ein, zwei halbsichere Schusswechsel und fragte dann, mit Blick auf mein Bier und meine Munitionskiste, viel zu früh, ob die beiden Kameradinnen mit mir die nahe Bar aufsuchen möchten. Dies tat ich riskanterweise schon halb im Lauf begriffen und so musste ich nach einigen Metern feststellen, dass mir das Weibchenbattalion leider nicht folgte. „Shit. Ok. Nicht rausbringen lassen...“

Ich bestellte ein Bier und checkte nochmal meine Ausrüstung. Es gab einige Schussspuren auf meinem Helm, aber ich war eigentlich ganz gut rausgekommen und meine Munition würde nochmal für einen kurzen Angriff reichen, bevor das Set wieder gänzlich erkaltet wäre. Man hätte natürlich auch viel länger warten können, aber ich entschied mich, die Sache sofort zu klären und direkt eine zweite, schnelle Attacke zu starten. Ich sprang also ein weiteres Mal, mit noch heißem Lauf und jetzt frischem Bier in das Set. Man hatte mich offensichtlich erwartet, denn aus den provisorischen Bitch-Shields waren in der Zwischenzeit ausgebaute MG-Nester geworden. Ich musste im Pfeifen des heftigen Kugelhagels schleunigst Deckung suchen. Der Rückzug zur Bar erschein mir zu gefährlich. Mein Frame wäre im offenen Feld, ohne Deckung mit Sicherheit getroffen worden, wenn nicht sogar gefallen. Mir kam ein rettender Gedanke, als ich direkt neben den beiden MG-Stellungen ein nettes, kleines 3er-Set entdeckte. Mit einer schnellen Drehung sprang ich in das Set und hörte hinter mir bereits die ersten dumpfen Artillerie-Einschläge. Das war knapp. Aber ich war in Sicherheit. Vorerst.

Der Vorteil an der zweiten Offensive ist immer, dass man bereits voller Adrenalin und mit geschärften Sinnen einsteigt. Das 3er-Set empfing mich wesentlich freundlicher, als die Beiden vorher. Es bestand aus zwei hübschen Krankenschwestern, einer kleinen Rothaarigen und einer großen Dunkelhaarigen, die auf Berlin-Besuch waren und ihrer Gastgeberin, einer netten dunkelgelockten Italienerin, die aber auch gerade erst in die Stadt gezogen war. Es war etwas schwierig alle Drei gleichzeitig, beziehungsweise dank der lauten Musik eher abwechselnd zu gamen, aber die Damen waren sehr offen und interessiert. Speziell die kleine Rothaarige schien in Flirtlaune zu sein und so konzentrierte ich mich nach 20 Minuten hauptsächlich auf sie. Als die beiden anderen sich schließlich kurz zum Tanzen verabschiedeten fragte ich die Italienerin spontan und eigentlich auch völlig unüberlegt, nach ihrer Nummer (sie sei ja neu in der Stadt und man könnte ja mal...). Sie freute sich sichtlich und tippte brav ihre Nummer in mein Handy. Danach kümmerte ich mich wieder um ihre rothaarige Freundin. Diese hatte die Handy-Aktion beobachtet und schaltete danach ihren Flirtfrequenz um gefühlte zwei Stufen nach oben. Nach weiteren 15 Minuten hatte ich das Gefühl, auch bei ihr, dem eigentlichen Target, nach der Nummer fragen zu können. Um so verwirrter war ich als sie mir erklärte, sie hätte leider einen Freund. What The Fuck? Das war mir schon lange nicht mehr passiert. Ich war auf eine klassische Club-Niete reingefallen. Die Dame hatte sich also von mir über eine halbe Stunde das Ego polieren lassen und ich hatte wertvolle Zeit verloren, die ich auch in einen anderen Approach hätte investieren können. Ich lächelte sie freundlich an, zückte innerlich meinen Mittelfinger, machte noch ein paar witzige Bemerkungen und suchte dann schleunigst das Weite.

Erstmal ging es natürlich wieder an die Bar. Die Nacht war schon relativ weit fortgeschritten. Ab jetzt musste mit Munition und Zeit gehaushaltet werden. Ich gab mir für diesen Club noch ein Gefecht, ab dann wollte ich das Planquadrat wechseln und sehen, was Club2 noch zu bieten hat. Gesagt, getan. Mit frischem Bier und breitem Grinsen lief ich keine 3 Meter von der Bar entfernt in ein hübsches, gesundes Weibchen. Das Gespräch begann praktisch von selbst. Leider stellte sich die Dame zwar als äußerlich attraktives Exemplar, aber leider auch als ebenso dumm heraus. Eine Kombination über die es ja einige Klischees und Weisheiten gibt, die ich mir aber hier alle verkneifen werde. Sie sei Model und Masseurin. Andere Männer wären bei dieser Berufskombination wahrscheinlich direkt im Stehen gekommen, mich turnte leider ihr fehlender Sinn für Humor genauso ab wie ihre traurige Naivität. Ich verabschiedete mich innerlich von Club1 und gegen Ende meines Bieres auch äußerlich von ihr, wünschte ihr noch einen schönen Abend, woraufhin sie mir strahlend ihre Visitenkarte (rosa mit lila Blümchen-Verzierungen) gab und ich mich auf den Weg zum nächsten Einsatzort machte.

Als ich vor Club2 aus einem klapprigen Chinook Helikopter sprang, staunte der Türsteher nicht schlecht und fragte ob mein Fahrrad kaputt sei. Ich hatte keine Zeit für Späßchen. Ich musste mich an meinen Auftrag halten und es war bereits weit nach 4Uhr. Ich fragte direkt zurück, was er an Eintritt haben wolle und checkte danach die Lage vor Ort. Verdammt. Ich hatte es fast vermutet. Für Club2 war es eigentlich noch zu früh. Nach einer kurzen Runde um die Tanzfläche entschied ich mich hier später noch einmal aufzutauchen und jetzt erstmal zur Base zurückzukehren um dort kurz zu verschnaufen und eventuell neue Einsatzpläne in Empfang zu nehmen.

Ich war keine 20 Meter weit von Club2 entfernt, als ich im hohen Gras auf einen jungen, verwundeten Kameraden stieß. Er erzählte mir er sei aus einem nahegelegen Technoclub geworfen worden und habe somit den Anschluss an seine Kompanie verloren. Der Alkohol hatte ihm sichtlich schwer zugesetzt, was mich nicht wunderte. Er war eher Junge als Mann. Als ich ihn fragte, sagte er mir er sei 19. Ein Greenhorn. Ich verfluchte diesen verdammten Krieg, in dem kampfunerfahrene Kinder bereits derart zugerichtet mitten im Dschungel auf ihre Straßenbahn warten mussten. Ich konnte ihn so natürlich nicht zurücklassen. Ich nahm seinen Rucksack, legte seinen Arm über meine Schulter und schleppte ihn den restlichen Weg bis zur Stammbar.

Wieder in der Stammbar angekommen winkte ich den jungen Kameraden am Türsteher vorbei, der mich mit zwei Fragezeichen in den Augen und dem Wort “schwul“ davor anstarrte als ich ihm erklärte, dass der Jüngling zu mir gehörte. Ich zeigte meinem neuen Freund erst wo das Lazarett-Zelt und dann wo der Tresen ist und päppelte ihn langsam wieder auf. Die Stammbar war traurig leer und so fragte ich ihn nach einem Bier, ob er bereit sei, mich in das bevorstehende letzte Gefecht zu begleiten. Tapfer nickte er mir wortlos zu, stellte sein Bier ab und nahm seine Tokarew vom Tresen.

Wir kämpften uns durchs Unterholz zuerst zurück zu Club1. Dort hatte sich am Frontverlauf nicht viel verändert und ich wollte direkt weiterziehen zu Club2. Als ich mich nach meinem jungen Kameraden umsah, musste ich feststellen, dass dieser es sich allerdings bereits auf einem Sofa zwischen einigen grausam zugerichteten Schnapsleichen und einer deutlich angeschlagenen russischen Division bequem gemacht hatte und dabei war mit zittrigen Fingern einen krummen Joint zu basteln, was die Aufmerksamkeit der schielenden russischen Jungen und Mädchen auf ihn lenkte. Ich setzte mich kurz zu ihm und fragte ihn, ob er denke, dass das eine gute Idee sei. Seinem ausdruckslosen Nicken konnte ich entnehmen, dass diese Augen heute Nacht bereits genug Leid gesehen hatten und er zwar noch wenig Lebens- aber keinerlei Flirt-Willen mehr hatte. Ich wünschte ihm alles Gute, riet ihm vorsichtig mit den Russen und noch vorsichtiger mit seiner Rauchgranate zu sein und ging ohne mich noch einmal umzudrehen. Auf dem Weg nach draussen stieß ich auf mein Blondie vom Anfang. Sie hatte ihre MG gegen einen riesigen, schmuddeligen, bärenhaften Typen mit Vollbart eingetauscht in dessen Gesicht sie sich anscheinend festgesaugt hatte. Ich war über ihre Partnerwahl ziemlich schockiert. Ich dachte, ich hätte schon fast alles gesehen, aber der Typ wirkte tatsächlich wie einer dieser asozialen, halbbehinderten Südstaaten-Brüder aus einem Tarantino-Film, über den die ganze Familie nicht sprechen will. Kopfschüttelnd ging ich nach draussen, wo ich die zweite MG-Schützin gerade noch ganz alleine Richtung U-Bahn um die Ecke trotten sah.

Als ich wieder in Club2 war, sah die Situation deutlich besser aus. Es war spät (oder früh) genug, dass sich die Überlebenden aus den umliegenden Clubs hier zur letzten Schlacht eingefunden hatten und es herrschte eine Anspannung, wie sie nur in echten Absturzclubs zu fühlen ist. Die Sonne ging bereits auf und in der feuchten Luft des Clubs bildeten ihre Strahlen lange, goldene Linien zwischen den Blättern der Bäume. Man hatte das Gefühl, dass selbst die Moskitos nur auf den ersten Schuss warteten. Ich robbte näher an die Tanzfläche heran und mir fiel sofort ein sehr ausgelassen tanzendes Mädchen mit schönen, schwarzen, kurzen Locken und einem gestreiften, weiten Top über einer schwarzen Lack-Leggings auf. Sie tanzte mit einem gefährlich schwankenden blonden Kerl, blickte aber sofort zu mir herüber. Sie hatte mich offensichtlich in meiner Deckung im Gebüsch bemerkt und so konnte ich auch gleich aufstehen. Kaum stand ich, kam sie auch schon auf mich zu. Wir hatten beide dieses perfekte Level an Bierrausch, bei dem man gar nicht weiß, wie ein Gespräch begonnen hat bevor man schon mittendrin ist. Sie war mit einigen Arbeitskollegen aus Hamburg hier und wir verstanden uns sofort prächtig. Sie arbeitete für eine große Werbeagentur, was ich mir schon gedacht hatte, da Hamburg meines Wissens nach ja eine große Werbeagentur war. Wir flirteten nur so drauf los und kamen aus dem gegenseitig Qualifizieren gar nicht mehr heraus. Aus dem Nichts tauchten plötzlich J, die Frau mit der Lungenentzündung (CLUBGAME TEIL12 – Dez. 2012), und ihr seltsamer Drogenkumpel neben uns auf und stellten uns beiden mit einem netten Lächeln jeweils ein Bier vor die Nase. Ich freute mich und prostete ihnen zu, während das ganze meiner neuen Bekanntschaft wohl etwas unheimlich war und sie das Bier lieber ignorierte.

Nach einer guten halben Stunde bis Stunde waren wir bereits soweit, dass wir uns überlegten, wohin wir zusammen flüchten sollten, wenn wir demnächst beide unsere Jobs an den Nagel hängen würden um gemeinsam an einem Strand zu leben. Leider war der Club inzwischen sehr leer und der Bekannte aus Hamburg, mit dem sie da war, sehr voll geworden. Ich hatte das Gefühl handeln zu müssen. Ihre Nummer hatte ich mir vorher schon gesichert, aber das hier war einen anderen Versuch wert. „Hast du Lust auf Frühstück?“ bot ich GULIA (mir fällt jetzt gerade nichts italienischeres ein) an. Sie grinste mich an „Ja, klaro. Wo denn?“. „Gleich hier um die Ecke. Los wir gehen“ gab ich zurück und wollte schon losgehen, als sie mich zurückpfiff „Warte, ich sag noch meinem Kumpel bescheid“. „No,no,no,no,no,komm nicht mit, komm nicht mit, komm nicht mit“ betete ich in mich hinein, doch da stand (soweit man bei ihm noch von stehen reden konnte) ihr Kollege auch schon neben uns und verkündete, was Frühstück doch für eine geile Idee von mir sei. Mir blieb nichts anderes übrig und so schleppte ich GULIA und ihren volltrunkenen Hamburger Agenturpraktikanten also zu meinem bevorzugten After-Club-Bäcker.

Dort angekommen fing ich gerade an, bei Croissant und Espresso, weiter mit GULIA in Bierträumen von der großen weiten Welt zu schwelgen als mir besagter Anhang ohne zu Zögern eine vollkommen überflüssige Diskussion über Berliner Start-Ups und ihre Erfolgschancen aufzuzwingen begann. Ich hätte ihm am liebsten seine Nussschnecke sonst wohin gepackt und ihn in das nächste Taxi, den nächsten Krankenwagen oder den nächsten Müllcontainer gesteckt, aber wie hätte das denn ausgesehen. Also machte ich gute Miene zum bösen Spiel und unterhielt mich mit Captain Besserwisser über Zalando und Co. In jeder freien Sekunde versuchte ich das Gespräch mit GULIA wieder aufzunehmen, aber sie schein immer müder und ihr Saufkumpane immer wacher zu werden. Die Situation wurde langsam schwierig zu managen. Zu allem Überfluss tauchten jetzt vor uns, auf der anderen Seite der Glasscheibe, auch noch J und ihr Drogenkumpel zusammen mit meinem jungen verwundeten, und inzwischen auch noch bekifften Kameraden auf und grinsten und winkten uns zu. Ich verlor gänzlich die Kontrolle über das Geschehen. Ehe ich mich versah standen wir zu sechst vor dem Bäcker, wo mein Kamerad sich inzwischen mit den beiden Drogenopfern angefreundet hatte und alle drei jetzt versuchten uns dazu zu überreden mit zu J und ihrem Freund zu kommen um wahrscheinlich Crystal, Ketamin oder schlimmere Scheiße zu konsumieren.

J, die ich das letzte Mal gesehen hatte, als sie mir bei einem sehr engen Stehblues zu THE XX von ihrer akuten Lungenentzündung erzählte, blinzelte mich jetzt mit glasigen Augen an und hauchte mir ins Ohr „Na, kommst du noch mit zu uns? Wir haben noch was zuhause...“. Die drei wirkten wie die Klischee-Verführer aus einem Anti-Drogen-Werbespot der 90er. Ich konnte kaum noch sinnvoll reagieren, als auch schon ein Taxi neben uns stand und GULIAS Freund ohne ein Wort einstieg. GULIA drückte mich kurz, dann war sie auch verschwunden und ich stand mit den drei Stooges am Straßenrand. Stinksauer bellte ich ihnen ein „Tschüss“ entgegen, kramte meinen mp3-Player raus und machte mich auf den Weg nachhause. Verkackt, verkackt, das war mal wieder gegen Ende hin echt scheiße gelaufen.

Den Sonntag verbrachte ich wie so oft, statt mit einer süssen Maus mit einem fetten Kater, im Bett. Gegen Nachmittag dachte ich, mein Hirn wäre jetzt in der Lage halbwegs sinnvoll zu kommunizieren und so (ja, ja, steinigt mich) schreib ich GULIA eine SMS:

Hoffe ihr seid gut heimgekommen nach dem Zombiefrühstück. Ich war so durch... Schon auf dem Weg nach Hamburg? Elia

Sie antwortet sehr schnell:

Sitz seit ner Dreiviertelstunde im Auto nach HH und könnte mich immer noch von Menschenhirn ernähren... Zombie durch und durch. Brauch noch ein halbes WE zum runterkommen :/

Klang für mich zumindest nicht abgeneigt. Ich dachte, ich lenke das ganze mal in Richtung Telefonieren in nächster Zeit...

Hoffe du bist nicht am Steuer! Bin schon lange für's Ü-30-Wochenende mit Extra-Sonntag. :) Ich bleib heute im Bett... Hast du ne stressige Woche vor dir?

Ihre Antwort dauerte eine Weile (ich schob's aufs Autofahren):

Oh ja. Muss mich gleich an den Rechner setzen und was arbeiten, sobald ich Zuhause ankomme :(

Mir wurde das Ganze eigentlich da schon zu viel Geschreibsel und ich wollte die Wassertemperatur bezüglich eines Telefonats am Abend testen:

Armer, kleiner Zombie! Mein Beileid. Ich könnte dich natürlich ablenken, falls ich da noch wach bin.

Es kam von ihr darauf keine Antwort mehr. Ende der Kommunikation.
Tja blöde Geschichte, aber ich heftete das Ganze unter “hätte sie Interesse gehabt, hätte sie einfach geantwortet“ ab. Falls es von euch dazu andere Meinungen gibt, würde ich die natürlich gerne hören.


Ansonsten war ich, wie ihr wohl gemerkt habt, in letzter Zeit sehr schreibfaul. Aber das wird sich bessern. Großes Indianer-Ehrenwort. Die Geschichte von meinem äußerst unterhaltsamen Abendessen mit einem (völlig behindertes Wort) “Pick-Up-Guru“ erzähle ich demnächst. Außerdem gab es kürzlich auch ein recht spannendes Mädchen in einer Bar (mal was ganz Neues). Ob das eine Geschichte ist, die erzählt werden muss, klärt sich für mich hoffentlich in den nächsten Tagen. Ich werde euch auf dem Laufenden halten.

So nun heißt es aber heute Abend erstmal Tanz in den Mai. Uns allen dabei viel Spaß und Erfolg, und treibt es nicht zu wild, denn morgen geht es ja noch raus auf die Straße. Genießt den 1. Mai und denkt an meine Worte: „Jeden Tag sterben auf der Welt mindestens zwei Motivationstrainer“


Elia

25. April 2013

Feedback - Alk, Kohle und Clubmate

In der letzten Woche hatte ich einiges Feedback zu meinem Alkoholkonsum und meinen Ausgaben für diesen bekommen. Der Vorschlag kam öfters, doch mal ohne Alkohol zu gamen, oder mich einfach mit Clubmate zu betrinken und so meine Ausgaben zu minimieren.


Jungs, i got it! Ich weiß schon, wann ich zu viel und wann ich zu wenig getrunken habe. Meistens ist es eher zu viel, das gebe ich gerne zu. Aber ich gehe nun mal auch weg um Spaß zu haben und nicht um irgendeinen "Approach-Sport" zu trainieren. Und das Bier gehört für mich da genauso dazu wie die Clubs, das Licht, die Mädchen und die Musik. Klar kann man was davon weglassen, aber dann ist es auch weniger lustig (Nebenbei: Ich bin auch schon OHNE weggegangen, und es war langweilig).

Ich weiß gar nicht wo diese Kohle-Diskussion eigentlich herkam? Ich hatte, glaube ich, neulich mal vorgerechnet, dass Clubben bei mir auf Platz Zwei der Ausgaben, nach meiner Miete kommt. Well, Clubben ist teuer, das ist nunmal so. Ich gehe im Schnitt 7-9 Stunden weg. Da trinkt man schon mal einiges (und nein, ich trinke keine 7 Mate in 9 Stunden, da muss ich kotzen während ich meinen ersten Herzinfarkt bekomme). Im übrigen kostet Clubmate mehr als Bier. Dazu kommt dass ich meistens in 2-3 Clubs gehe und danach ein Taxi nachhause nehme (und ja, nach 7 Mate würde ich wohl genauso schnell mit Rollerblades oder einem Bobbycar ankommen).

Die letzten Zwei Wochenenden war ich ja sowieso zuhause und vermutlich werde ich auch das nächste noch pausieren, um meinen Magen auszukurieren.
Aber ich muss gestehen, es juckt inzwischen schon gewaltig...

Ich vermisse dich, Berliner Nachtleben, ich vermisse euch, Berliner Clubs!!!!

21. April 2013

Ende gut und so weiter

„Sind sie noch da?“ fragt mich der offensichtlich gut gelaunte Arzt als er grinsend in mein Blickfeld kommt. „Ja, ja... ich bin noch da“ antworte ich, bemerke aber im selben Moment, wie ich mir dabei aus der anderen Ecke des Raumes zuhöre. Aus der sicheren Entfernung von zwei Metern spüre ich dann wie mir die Schwester ein Gummi-Mundstück zwischen die Zähne schiebt. Dann kommt der Schlauch. Ich spüre ihn nicht wirklich, höre mich aber heftig würgen und röcheln, während die Stimme der Schwester wie durch Watte zu mir durchdringt: „Atmen sie durch die Nase! Atmen sie durch die Nase!“

Zwei Tage später sitze ich wieder beim Arzt. Er hat meine Ergebnisse in der Hand. Erosive Gastritis. Magenschleimhautentzündung. Hatte ich mir eigentlich schon gedacht. Ob ich in den letzten Monaten viel Stress hatte fragt er mich. Ich denke an den Stapel PickUp-Bücher in meinem Schlafzimmer, die Kommentare im Forum, meinen zwanzigsten Field Report der ohne KissClose oder sonstige Eskalation endet, meine schlimmsten Frust-Heimwege, die Besäufnisse und Black-Outs der letzten Zeit und die Sinn-Krise, die mich seit einigen Monaten heftig an meinem Job zweifeln lässt. Ich hatte im August letzten Jahres damit angefangen mich zu fragen, warum ich so wenig Frauen kennenlerne. Ich war auf PickUp gestoßen und hatte mich binnen einiger Monate durch einen Berg Theorien gegraben und jedes Wochenende an mir, meinem Singledasein und meinen Ängsten rumgedoktert. Warum hatte ich nie einen One-Night-Stand? Warum knutsche ich nicht mit fremden Frauen in Clubs? Warum ist Sex für mich automatisch mit Emotionen und Beziehungen mit Ängsten verbunden? Warum ist für mich so schwer, was für andere so leicht ist? Ich war schon nach kurzer Zeit an Punkten angelangt, die mich, meinen Charakter, meine Kindheit und meine Weltsicht direkt betrafen. Und ich hatte mir zeitweise heftigen Druck aufgebaut. Am Ende hatte ich fast meine gesamte Lebenseinstellung und alles was mir bisher wichtig erschien in Frage gestellt.

„Ja... Ich hatte in den letzten Monaten teilweise etwas Stress“ antworte ich dem Arzt. „Nunja, also Stress, Alkohol, scharfes Essen und Kaffee... Das sind alles so Dinge, die so etwas auslösen können“ erklärt er mir. Ich überlege kurz, ob ich ihm von meiner Whisky-Leidenschaft erzählen soll und davon, dass ich speziell gerne Einzelfass-Abfüllungen in Fassstärke verkoste, entscheide mich aber dafür, mir den Anschiss zu ersparen. Mir ist sowieso klar, was alles dazu beigetragen hat. Memo an mich: Selbstreflexion und Single-Malts sind eine gefährliche Kombination. Merken.

Die letzten zwei Wochenenden habe ich zuhause verbracht. Ich gönne mir gerade eine “große Pause“. Ich schlafe viel, versuche mehr Sport zu treiben und mich langsam wieder mit meinem Job anzufreunden. Meine Stimmung wird besser. Das Wetter auch. So habe ich vielleicht auch mal Zeit, die zwei noch fehlenden Field Reports aus der Woche nach Ostern zu tippen. Fangen wir mal mit dem Donnerstag an.



Donnerstag 4. April – Bier ist mein InnerGame


Ich hatte die Woche hauptsächlich damit rum bekommen darauf zu warten, dass sie endlich rum ist. Nun hatte ich mein wohlverdientes Ziel erreicht und es war Donnerstag. Für Donnerstags hatte ich ja immer noch diesen ominösen Club auf meiner Liste. Diesmal wollte ich nicht zu spät losgehen um wieder vor der endlosen Schlange zu stehen. Ich begann also angemessen früh mit dem Vorglühen und machte mich relativ pünktlich auf den Weg zum Club. Dort angekommen stand ich vor einer endlosen Schlange.

Also entweder war der Club der absolute Oberhammer und ich hatte die geheime Superlocation, in der sich alle frisch getrennten Jungmodels von Berlin wöchentlich einmal treffen, gefunden oder man versuchte hier die eintrittsfreien Stunden dadurch zu überbrücken, dass man alle 20 Minuten mal fünf Leute in den Club ließ. Natürlich stellte sich Letzteres als zutreffend heraus. Ich wollte mir aber die Stimmung nicht verderben lassen und stellte mich also in die Schlange. Die Mädels in den Reihen vor mir sahen recht vielversprechend aus. Nach 5 Minuten stellte sich eine Gruppe Jungs hinter mir an. Wenn man alleine in einer Schlange vor einem Club steht und mit Ohren ausgestattet ist, für die man früher eine sichere Arbeitsstelle bei der Staatssicherheit bekommen hätte, bringt man die Zeit am schnellsten rum indem man durch die umliegend geführten Gespräche zapped wie durch das abendliche Fernsehprogramm. Ich stellte gerade fest, dass die Mädels vor mir Probleme besprachen, für die man offensichtlich Insiderwissen zu ihrem Freundeskreis benötigte, als von hinten das Wörtchen „Opener“ meine Gehörgänge erreichte. Interessant! Ich wechselte den Kanal zu den drei Jungs hinter mir. „Naja, die hat mir jetzt halt vor allem so Opener gesagt“ erklärte der eine gerade „ich hab mir zehn davon gemerkt und die werd ich heute mal ausprobieren. Die andere hat mit mir mehr so über Körpersprache geredet. Aber das mit den Openern war interessanter“. Ich drehte mich kurz um und sah mir den Kollegen mal an. Entweder hatte er ein Flirt-Coaching hinter sich, oder er hatte mit einer PickUp-Cat geübt. Auf jeden Fall war ich gespannt, ob ich ihn später im Club nochmal in Aktion sehen würde.

Als dann nach fast einer Stunde die eintrittsfreie Zeit endlich vorbei war und es plötzlich ganz schnell voranging, stand ich natürlich nur noch drei Leute vom Türsteher entfernt. Egal. Man war ja nicht hier um sich über Clubpolitik zu ärgern. Endlich im Club verbrachte ich die erste Zeit damit die recht verschachtelte Location erstmal bis in den letzten, kleinen Winkel zu erkunden. Danach begann ein Konzert einer lokalen Punkband. Ich hatte dafür einen netten Platz an der Bar ergattert. Ein Arbeitskollege tauchte plötzlich auf, war leicht irritiert von der Tatsache, dass es Menschen gibt, die freiwillig alleine in Clubs gehen und meinte mir direkt ein Mitleidsbier bestellen zu müssen. Ich erklärte ihm, dass ich das eigentlich sehr gerne tue, nahm das Bier aber natürlich dankend an. Nach dem Bier gesellte sich der Kollege wieder zu dem Pärchen, mit dem er hier war. Ich fragte mich kurz was eigentlich absurder ist: Alleine in einen Club zu gehen, oder mit einem Pärchen?

Während des Konzerts beobachtete ich erst einen großen, langhaarigen Typen, der eine modeltaugliche Blondine an der Bar ansprach, um dann von ihr 20 Minuten konsequent ignoriert zu werden, währenddessen er aber hartnäckig weiter neben ihr stehen blieb, um schließlich ohne viel weiteres Gerede mit ihr das Knutschen anzufangen. Danach fiel mir ein niedliches kleines Punker-Mädel im Publikum auf, die allerdings noch bevor ich bis drei zählen konnte von einem jungen Skaterboy (ich summte kurz Avril Lavigne) angequatscht wurde. Ich kam mir kurzzeitig etwas zu alt für den Laden vor. „Aber hilft ja alles nix“ dachte ich mir als die Punkband gerade eine Zugabe verweigerte, leerte mein Bier, bestellte mir ein neues und machte mich auf den Weg durch den Club.

Im Außenbereich entdeckte ich ein nettes Mädel, das mit einem Typen rumstand, der aber eher nach Bekanntem als nach Boyfriend aussah. Ich entschied mich, über ihn zu öffnen, was ganz gut klappte. Ich quatschte keine drei Sätze mit ihm, als sie sich schon einschaltete. Sobald ich anfing mit ihr zu quatschen zog er sich etwas zurück. Eindeutig kein Pärchen, dachte ich mir. Als er wiederkam und bekanntgab, dass er jetzt auf die Tanzfläche wolle, zögerte sie etwas und fragte mich dann, ob ich nicht mitkommen wolle. Ich ging also mit den Beiden wieder in den Club. Leider steuerten meine zwei neuen Freunde nicht den Mainfloor an, sondern eine kleine Tanzfläche, die mit furchtbarstem Metal und Hardcore beschallt wurde. Ich sah den beiden 20 Sekunden beim Moschen zu um dann zu beschließen, dass ich hier als Ü-30er mit Glatze nur verlieren kann.

Auf dem Weg zurück in den kurzhaarigen Bereich des Clubs versuchte ich noch mein Glück bei einem Mädel, die mir vor dem Konzert schon aufgefallen war. Ich schubste mich leider ziemlich unkalibriert selbst ins Set und tippte ihr VON HINTEN auf die Schulter.

Ich: „Hey!“

Sie: Mittelfinger

Ich: „Oookay“

Yeah! Sweet. Die Welt kann so einfach sein. Ich fühlte mich in meine Punker-Vergangenheit zurückversetzt und fand die Sache auf ihre eigene Art fast charmant. Scheiß auf Mystery! Mit der hätte ich auch von der Seite keinen Spaß gehabt. Also weiter. Erstmal an die Bar. Mein Bierchen ist schon wieder einfach von alleine leer geworden. „Noch ein Berliner“. „Ja. Danke.“....Hossa! Ich drehte mich um und stand direkt vor einer hübschen, kleinen Braungelockten, die mich freundlich angrinste. Wir kamen praktisch wie von alleine ins Gespräch. Und es war extrem nett. Ich hatte mal wieder eine angehende Ärztin entdeckt (was hab ich nur immer mit den Mädels aus den Krankenhäusern?) und wir verstanden uns super. Bis plötzlich ihre zwei Freundinnen auf der Tanzfläche auf mich aufmerksam wurden und anscheinend der Meinung waren, sie müssten Fräulein Doktor vor dem fremden Mann beschützen. Die zwei kamen im Stechschritt auf uns zu, ignorierten mich komplett und begannen auf mein Target einzuquatschen. „Das läuft hier nicht ganz nach Lehrbuch“ dachte ich mir und versuchte es mal mit Humor. „Hey, sag mal wollen sich deine zwei Freundinnen nicht vorstellen? Wobei... Die eine sieht irgendwie gefährlich aus. Ist sie der Bad Cop von den beiden?“. Fräulein Doktor musste lachen, stellte mir ihre Freundinnen vor, von denen ich allerdings immer noch ziemlich feindselige Vibrations bekam. Sie setzten nicht mal wieder in ihr begonnenes Gespräch ein. Stattdessen fragte mich Frau Doktor, wo ich denn wohne. Hallo??? Wo geht dieses Gespräch denn jetzt hin? „Ach krass! Das ist ja genau bei mir um die Ecke!“ rief sie, als eine ihrer beiden Freundinnen sie aber auch schon Richtung Tanzfläche zog „Lass uns doch später zusammen ein Taxi nehmen, ok?“. „Ja alles klar“ konnte ich ihr gerade noch hinterher rufen, während sie von ihren beiden Bad Cops weggeführt wurde. „Hm... Was ist da denn jetzt schief gelaufen, und wie hätte man das verhindern können?“ dachte ich mir, nippte an meinem Bierchen und drehte mich zur Bar, wo mich der junge Typ aus der Schlange vom Eingang angrinste. Er hatte die Aktion offensichtlich beobachtet.

„Na, wie viele von deinen zehn Openern hast du denn schon verschossen?“ fragte ich ihn. Er brauchte ein paar Sekunden um zu schalten... „Ach so.. hehe... äää noch keinen“. „Komm schon Mann, vergiss die Opener!“ fing ich an zu klugscheißen (ja,ja...das Bier!) „Menschen entscheiden im Durchschnitt innerhalb von 200 Millisekunden darüber ob ihnen etwas sympathisch ist. Eine Person, ein Laden, eine Website... völlig egal. In 200 Millisekunden hast du noch nicht einmal Hallo zu dem Mädel gesagt. Da hat sie dich gerade mal von der Bar aufstehen sehen. Und da ist die wichtigste Entscheidung in ihrem Kopf schon gefallen. So lange du nicht völligen Schwachsinn redest, kannst du mit dem ersten Satz nicht viel verkehrt machen. Wichtig ist einzig und allein, dass du überhaupt etwas sagst“. Danach drehte ich mich zur Bar und damit automatisch in ein nettes 2er-Set. Ich hatte mich gerade so schön in meinen Superhelden-Schlaumeier-Modus gesabbelt, dass ich die Mädels einfach anquatschen musste. Lief natürlich eher mittelgeil. Sie verkrümelten sich nach zwei Minuten und ich grinste schulterzuckend zu meinem unfreiwilligen Lehrling hinüber und machte mich dann wieder auf den Weg durch den Club.

Ich stieß auf meinen Kollegen, der immer noch neben seinem Pärchen rumstand und mir auch gleich nochmal ein Bier in die Hand drückte. Ich quatschte eine ganze Zeit lang mit den Dreien, bis mir auffiel, dass es mittlerweile schon ziemlich spät war und ich auch schon ganz schön einen im Tank hatte. Egal. Persönlichkeitsentwicklung war bekanntlich der beste Grund um sich zu besaufen und so tappste ich auf der Suche nach Bier zur nächsten Bar und anschließend auf der Suche nach Fräulein Doktor (da war doch noch wer gewesen!) durch den Club. Ich fand nur ihre zwei Bewacherinnen, die schlecht gelaunt und von pickligen Jungs belagert auf einem Sofa fläzten. Ich musste nicht mal etwas sagen. Anscheinend stand es mir entweder bereits auf der Stirn, oder sie erinnerten sich einfach noch an den netten Kerl, dem sie erfolgreich die Nummer vermasselt hatten. Die fiesere der beiden Hyänen blickte kurz zu mir auf und bellte mir entgegen „die ist schon nachhause gegangen!“. „Ja danke. Und du mich auch“ dachte ich mir und zog weiter.

Nach einigen erfolglosen Runden durch den Club meldete sich auf Grund der heftiger werdenden Schwankungen mein Autopilot und schlug vor, sofort die kürzeste Route Richtung Bettchen einzuschlagen. Ich war einverstanden und überließ ihm ab da die Eingabe der Koordinaten. Beim Warten auf meine U-Bahn überkam mich der übliche Entgiftungshunger, der mich normalerweise dazu treibt morgens um sieben zu versuchen lallend meiner Bäckerin mitzuteilen, dass ich dringend Croissants und Kakao benötige. Diesmal war nur einer dieser ekligen Süßigkeitenautomaten in der Nähe. Ich zog eine Packung Maltesers und stellte fest, dass sie das geilste sind, was es zu essen auf diesem Planeten gibt.

Die U-Bahn kam und ich ließ mich im Zuckerhigh in einem leeren Vierer nieder. An der nächsten Station musste ich kurz aufblicken, als ein niedliches dunkelhaariges Mädel den Zug betrat. Wir sahen uns kurz an und sie setzte sich verwirrender Weise mir gegenüber auf die Bank. Mein Hirn lief durch die euphorisierende Mischung von Alkohol und Zucker gänzlich ohne mein Zutun und so startete ich meinen ersten vollkommen wortlosen Approach.

Ich halte ihr meine Packung Maltesers hin.

Ich: Hm?

Sie: Hm.

Sie greift sich eine der Schokokugeln, steckt sie sich in den Mund und grinst zufrieden.

Ich rutsche zur Seite und tippe mit meiner linken Hand auf den Platz neben mir.

Ich: Hm-m?

Sie: Hm!

Sie setzt sich neben mich.

Zur Belohnung halte ich ihr nochmal meine Maltesers hin.

Sie grinst mich an.

Wir fangen an darüber zu quatschen wo sie gerade herkommt. Schnell landen wir bei ihrem Job und warum sie überhaupt in Berlin ist. Wie sich herausstellt, arbeiten wir in der gleichen Branche sind dazu noch ungefähr gleich betrunken und uns irgendwie komisch vertraut. Leider hat mein Hirn nicht mehr mit eingeplant, dass das Mädel eventuell nicht direkt bis zu meiner Station mitfahren wird und so kommt ihre Ansage „Oh, ich muss gleich raus“ für mich auch völlig überraschend. In der Hektik des Gefechts greife ich auf etwas zurück, was ich mir eigentlich geschworen hatte, nie wieder zu tun. Den vertrottelten Visitenkarten-Close. Und auch noch die Version in der der Trottel (in dem Fall meine Wenigkeit) sich noch nicht mal ihre Telefonnummer geben lässt. Und so verabschieden wir uns hektisch und schon ist sie weg und ich sitze betrunken und immer noch leicht überfordert mit der Situation alleine in meinem Vierer, während die Bahn anfährt und eine kleine Schokokugel vor mir auf dem Boden an mir vorbeirollt. Was. War. Das. Denn. Jetzt?

Bis meine Station kommt, habe ich mich wieder halbwegs von dem Schock erholt und kann jetzt nur noch an eines denken: Croissants und Kakao (An dieser Stelle mal herzliche Grüße an die Sport-und-Fitness-Fraktion im PickUp-Forum!). Also raus aus der Bahn und rein zum Bäcker. Mit Händen und Füssen versuche ich der jungen, schwerhörigen Bäckerin meine Bestellung zu übermitteln, denn offensichtlich trinkt sie vor der Arbeit keinen Alkohol und spricht folglich gerade nicht meine Sprache. „Äh, lass mal, den mach ich“ schiebt sie ihre ältere Kollegin zur Seite. Ah! Na also, meine übliche Ansprechpartnerin! „Drei Buttercroissants, zwei Schokocroissants und einen kalten Kakao, richtig?“. Ich nicke. Ich zahle. „Aufffhhwiedesheennh!“ verabschiede ich mich und freue mich schon auf mein Bett.

Ich biege um die Ecke und ärgere mich gerade darüber, wie leer es eben in meinem Geldbeutel ausgesehen hat. „Dieser Pick-Up-Shit ist ne teure Angelegenheit“ fluche ich in meinem Kopf vor mich hin als ich es rechts von mir laut klackern höre. Ich bleibe stehen. Die Straße ist komplett leer. Ich drehe mich nach rechts und mein Blick fällt auf den seltsamen Automaten, der hier schon seit zehn Jahren hängt, ohne dass ihn je ein Mensch beachtet hätte. Man kann an ihm Telefonkarten kaufen. Das scheint ihm allerdings zu langweilig geworden zu sein und offensichtlich wollte er in Wirklichkeit schon immer ein Spielautomat werden, denn als ich einen Schritt auf ihn zugehe, sehe ich dass er unaufhörlich Zwei-Euro-Münzen ausspuckt. Ich bin ein Stück zu betrunken um mich lang darüber zu wundern, wieso ein Automat morgens um sieben ohne jedes Zutun anfängt Geld zu verteilen und so greife ich einfach völlig instinktgesteuert immer wieder in das lange Fach und stecke mir händeweise die Geldstücke in die Taschen. Als es aufhört zu klacken und ich alles Geld eingesteckt habe, gehe ich klimpernd weiter.

„Was für ein krass bescheuerter Traum mit diesem Automaten!“ ist mein erster Gedanken als ich am frühen Nachmittag aufwache. Ich drehe mich langsam vom viel zu hellen Fenster weg und blicke ausdruckslos in mein Schlafzimmer. Auf dem Boden liegen meine Klamotten verstreut und vor mir auf dem kleinen IKEA-Tisch sehe ich einen mittelgroßen Berg Geldmünzen. Oh. Das war kein Traum. Das war nur das absurde Finale einer biergetränkten Heimfahrt. Böse Zungen würden es Säuferglück nennen. Nachgezählt waren es jedenfalls fast 100 Euro. Das Mädchen aus der U-Bahn hat sich natürlich nicht bei mir gemeldet. Hoffentlich haben ihr meine Maltesers geschmeckt, dieser Schokoladen-Schlampe!


Alles in allem nicht meine erfolgreichste Club-Nacht, aber zumindest die erste in der ich Geld verdient habe. Das können auch nur wenige Männer von sich behaupten.

13. April 2013

Meet the artists – Ostern ohne Eier

Ich bin ja schon lange für die Einführung des Ü-30-Wochenendes. Das Wochenende mit dem Extra-Tag um wieder klar zu kommen. Aber das Konzept hat leider noch zu wenig Unterschriften für ein Volksbegehren. Allerdings habe ich meine letzten zwei Wochenenden dafür nach vorne verlängert und bin Donnerstags schon feiern gegangen. Das sollte mir die tolle Möglichkeit geben, Freitag meinen Kater zu pflegen und den kompletten Tag im Bett zu verbringen. Das einzige, das überhaupt meine Existenz an solchen Tagen belegt, das einzige was sozusagen von mir, für die Unendlichkeit in der Welt übrig bleibt sind die fünf zynischen Kommentare in einem Pick Up Forum im Internet, die zustande kommen, wenn ich mich mal kurz zur Seite rolle. Und natürlich die Styropor-Box mit den Resten des halben Hähnchens.

Der Nachteil daran, dass ich jetzt auch noch Donnerstags in Clubs gehe ist allerdings, abgesehen von den finanziellen und gesundheitlichen Einbußen, dass ich jetzt inzwischen schon fünf Club-Nächte im Rückstand bin, was meine Field-Reports angeht. Und das wird wohl auch nicht in einem Rutsch runter zu schreiben sein. Daher fange ich mal mit dem Osterwochenende an.

Ostern ist in Berlin Clubtechnisch immer etwas schwierig, da die Stadt mit Touristen überflutet ist und die Berliner sich lieber in ihren Wohnungen oder auf Privatpartys verschanzen um dem Angriff der von Airberlin containerweise rangeschafften, ach so lustig und gut gelaunten Herren- und Damen-Grüppchen aus allen deutschen Klein- und Vorstädten zu entgehen, die für ein Wochenende die eigentlich coolste Stadt in eine Art Ballermann ohne Eimer-Saufen verwandeln. Trotzdem hatten wir uns vorgenommen uns tapfer dem Ansturm von Feierwütigen entgegenzustellen und die Berliner Supercoolness zu verteidigen.



Donnerstag 28. März – Schlangen und Models


Ich hatte mich mit Wing1 und Wing2 vor einem Club verabredet, den ich schon seit längerem mal austesten wollte. Zum einen soll das Publikum recht angenehm durchmischt sein und zum anderen ist er wohl eine der wenigen Möglichkeiten Donnerstags schon in größerem Ambiente feiern zu gehen.
Ich war als erster vor Ort und traute meinen Augen kaum. Es zog sich eine Schlange Menschen vom Clubeingang fast einen Block weit die Straße entlang. Ich fand Wing2 und wir riefen Wing1 an, der noch in der U-Bahn saß. Nach kurzer Besprechung beschlossen wir, den Club vorerst zu verschieben, in eine Bar zu gehen und später zu testen, ob die Schlange kürzer geworden ist. Zwischen den wartenden Mädchen in der Schlange gab es durchaus einige echte Perlen zu bestaunen und ich unterstrich mir den Namen des Clubs auf meinem inneren Notizblock zwei mal.

Mit dem Auto sammelten wir Wing1 ein, der gekonnt in einer Halteverbotszone auf uns wartete und uns so ermöglichte auch direkt mal drei gutgelaunte Berliner Ordnungsamts-Mitarbeiterinnen zu approachen. Nachdem die Damen sich nicht überzeugen ließen mit uns feiern zu gehen, obwohl wir zahlentechnisch perfekt zueinander gepasst hätten, fuhren wir also in eine nahegelegene Bar. Die Stammbar stand zum einen ja auf meiner “Erstmal-bisschen-meiden-Liste“ und außerdem hätte ich meine zwei Leidensgenossen wohl nur unter Zwang in die Höhle des Rehs bekommen um ein weiteres grandioses Mal meiner öffentlichen Kastration beizuwohnen. Dort angekommen genehmigten wir uns erstmal eine Runde Stimmung in Flaschen und begutachteten das Osterpublikum. Die Bar war nett und wurde auch in der Vergangenheit von uns schon öfter frequentiert, bot aber nach wie vor wenig Flirtmöglichkeiten, da der Großteil des Raumes mit Anti-Pick-Up-Sitzgruppen bestehend aus riesigen Sofas zugestellt war. Außerdem hatte ich schon länger festgestellt, dass mir persönlich das Spiel wesentlich leichter fiel, wenn ich alleine unterwegs bin, als wenn ich “vor Publikum“ spiele. Unterstrichen wurde diese Erkenntnis auch sofort von Wing1, der mir mit seinem schönsten Dann-zeig-mal-was-du-kannst-Grinsen entgegenstrahlte und mit großen Augen, verheißungsvoll in seinen Whisky frage „Na, du Gamer.....?“. Männer sind manchmal wahre Meister darin, sich am Kampf anderer zu ergötzen und sich damit gegenseitig zu sabotieren. Das ist wohl die destruktivste Form männlichen Konkurrenzverhaltens. Oder es ist einfach nur ein schwacher Punkt in meinem Kopf. „Entspann dich, es wird heute nichts zu sehen geben“ gab ich jedenfalls zurück und lies ihm die Luft aus dem Gesicht.

Nachdem wir lange genug rumgestanden waren und zugesehen hatten, wie Wing1 seinen Whisky verdunsten lies beschlossen wir, dass es an der Zeit für einen Locationwechsel wäre. So ein Kreis gelangweilter Herren würde sich doch sicher auch in einer anderen Bar ganz prima machen. Zu meiner Überraschung fiel die Wahl auf die Stammbar. Staatsmännisch beugte ich mich natürlich der Entscheidung der Massen und grinste in mich hinein während ich in meiner Tasche den Beutel mit dem Wildfutter suchte. Die Stammbar war fast leer, was wohl daran lag, dass sie nicht unbedingt zu den üblichen Berlin-Touristen-Bars gehört. Also ging's zurück ins Auto und einmal quer durch die Stadt zu dem Club in den wir eigentlich ja wollten. Dort angekommen war die Schlange vor dem Eingang exakt genauso lang wie einige Stunden vorher. Dafür hatte ich inzwischen zumindest ein bisschen mehr und Wing2s Spritfresser dafür ein bisschen weniger im Tank. Nach kurzer Diskussion ging es also noch einmal durch drei Bezirke zu Club1. Der Club war normal gefüllt aber unter den anwesenden Damen nur wenig Ansehnliches. Was eigentlich aber auch nicht allzu schlimm war, da die Stimmung bei uns inzwischen sowieso leicht gen Frust tendierte. „Das kommt mir doch bekannt vor“ dachte ich mir. Genau wegen solcher Abende hatte ich irgendwann mal beschlossen, dass sich etwas an meinem Ausgehverhalten ändern muss.

Nach einer weiteren Stunde geballter Langeweile verkündete Wing1, dass er hiermit seinen Rücktritt vom Amt des Whisky-Ministers bekannt gäbe und sich auf den Nachhauseweg machen würde. Ich irrte noch ein wenig blind über die Tanzfläche, während der DJ ausprobierte, ob man es mit der Füllung einer einzigen Nebelmaschine wohl schafft einen Feuerwehreinsatz auszulösen. Nach einigen Minuten hatte ich Wing2 in einer Ecke der Tanzfläche ertastet. Er stand an der Wand und betete eine riesige, blonde Schönheit an, die ausgelassen vor ihm tanzte. „Sie hat Hey zu mir gesagt, aber ich find's scheiße, dass sie jetzt mit dem Typen da tanzt“ gab er mir eine kurze Einweisung in die Situation. Ich wusste nicht so recht, was ich darauf sagen sollte und platzierte mich neben ihm. Wing2 ist eineinhalb Köpfe größer als ich und wenn überhaupt, dann war er einer der wenigen Männer im Club die mit dem betrunkenen Laufsteg-Model den gleichen Luftraum teilten. Nachdem wir sie weitere zwei Minuten in stereo angestarrt hatten kam der blonde Turm plötzlich auf mich zugestelzt. Sie hatte mich wohl als den kleinen Mini-Me von Wing2 erkannt und ich schien für sie eine gute Möglichkeit für einen weiteren Kontaktversuch zu sein. Da ich genug Bier im Kopf hatte um nicht zu bemerken, dass ich gerade zur “Fetten Freundin“ erklärt wurde, freute ich mich natürlich herzlich über ihren Approach und fing an mit ihr zu tanzen, was sicherlich aufgrund der simplen Tatsache, dass mein Gesicht exakt auf höhe ihrer Brüste war, ein reichlich groteskes Bild abgab.

Während meine neue Riesenfreundin und ich feststellten, dass wir zufällig beide genau gleich betrunken sind und weiter Spaß auf der Tanzfläche hatten, verlegte Wing2 seinen Beobachtungsposten immer weiter von uns weg. Ich vermute wir sahen nebeneinander doch noch ein Stück behämmerter aus als ich es zu dem Zeitpunkt einschätzen konnte. Während des Tanzens klärte mich NADJA (ich benenne sie mal nach Frau Auermann) auf, dass sie mit ihrem Bruder und dessen Kumpel hier sei. Der Typ wegen dem Wing2 also so muffig auf sie reagierte war der Freund ihres kleinen Bruders – ich hatte sowas vermutet. Und auch mit meinem Model-Tip lag ich ziemlich richtig. Dann fragte NADJA, ob sie mich auf ein Bier einladen dürfte. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, ob sie entweder Wing2 immer noch nicht aufgeben wollte oder sich einfach schon immer einen zweiten kleinen Bruder gewünscht hatte. Jedenfalls hatte ich gerade Bock auf ein Bier und noch viel mehr Bock einmal kurz mit der heißesten Lady des Clubs an der Hand über den Laufsteg zu gehen. Immer wieder ein erhebendes Gefühl, wenn man als 1,74-Kerl mit einer 1,90-Frau auf High-Heels an der Bar ankommt und dann, nachdem all die Typen ihren Mund wieder zubekommen haben und beim An-ihr-herunter-sehen ab der Hälfte auf mich stoßen, dieses dicke, hasserfüllte Fragezeichen in den Gesichtern entsteht. Nach kurzem Plausch ging's zurück zur Tanzfläche. Wing2 war, trotz gutem Zuredens, leider immer noch nicht dazu zu bewegen, sich NADJA zu nähern. „Die ist riesig, mann! Die ist glaub ich sogar größer als ich“ wehrte er sich tapfer. Ich zog also das weiße Nachthemd und die Plastikflügel wieder aus, legte Pfeil und Bogen weg und ging zurück zu NADJA um noch eine Runde zu hüpfen. Als ich mich das nächste mal umsah, war Wing2 verschwunden. Polnischer Abgang. „Viel Spaß in deinem Schiggi-Miggi-Absturzladen“ dachte ich mir. NADJA war inzwischen gefährlich betrunken, sehr tanzwütig und bestand sehr vehement darauf, jetzt mit mir Handynummern tauschen zu wollen.

Als NADJA und ihre zwei Jungs später den Heimweg antreten wollten, ging ich mit ihnen aus Club2, verabschiedete mich auf der Straße und machte mich auf den Weg zu meinem Lieblings-Absturzclub. Dort angekommen platzierte ich mich an der Bar und fiel damit praktisch mitten in ein 3er-Set. Die Damen stellten sich als junge Italienrinnen auf Berlin-Urlaub heraus, und da das bei Italienern nunmal dazu gehört wie die Tomate zum Mozzarella, stand auch prompt der junge, italienische Wachhund neben mir. Ich versuchte ihn eine Weile zu befrienden, scheiterte aber bitter an seinen völlig unzureichenden Englischkenntnissen. Dafür tauchte zu meiner anderen Seite ein alter Feier-Bekannter auf, hinter dem ich mich neulich erst vor dem tollwütigen Reh in Sicherheit gebracht hatte. Ich versuchte gerade, einer der italienischen Schönheiten einen wirklich guten Club-Tipp für kommenden Samstag zu geben, als diese unser Gespräch mit einer unverschämten Handbewegung beendete. „Did you even understand, what he was trying to tell you?“ schaltete sich mein Bekannter ein. „Vergiss es, ich glaube die verstehen nur die Hälfte“ versuchte ich ihn zu beruhigen. „Ja, trotzdem hat sie dich gerade angesehen, als ob du sie gefragt hättest, ob du sie in den Arsch ficken darfst“ bemerkte er kühl, trank von seinem Bier und fügte hinzu „Hast du sie gefragt, ob du sie in den Arsch ficken darfst?“

Wie es einem als Berliner in solchen Touri-Nächten nicht anders übrig bleibt, amüsierten wir uns noch eine Weile mit unserem italienischen Streichelzoo, als plötzlich zwei hübsche Mädels mit Wiener Dialekt neben mir Bier bestellten. „Was ist das denn für ne komische Sprache?“ öffnete ich, schon etwas alkohol-übermütig (was zu dieser Uhrzeit und in diesem Club durchaus noch im Rahmen war). „Mir san von Österreich“ bekam ich von der Hübscheren mit einem Softcore-Lächeln als Antwort. Die Zwei schienen allein unterwegs und offensichtlich auf der Suche nach der Gesellschaft Eingeborener zu sein. Ich war verzaubert und legte mir gerade meine lustigsten Sissi-und-der-Kaiser-Sprüche zurecht als mir mein lieber Bekannter laut und über meine Schulter hinweg zuvorkam. „Dürfen wir euch vielleicht in den Arsch ficken?“ fragte er als hätte er gerade nach einer Zigarette oder Feuer gefragt. Die freudige Erwartung in den Gesichtern der beiden Berggämse wechselte schlagartig zu einer ganz anderen Art von Ausdruck. Ihr dürft drei mal raten, wie lange die Mädels danach noch bei uns standen.

Ich war danach verständlicherweise ziemlich angepisst von meinem analfixierten Trink-Freund und seiner großen Klappe und musste die Aktion mit einem weiteren Bier runterspülen. Doch noch bevor ich mein Frustbier leer hatte und sich der brennende Hass des Ungefickten in mir legen konnte, platze mein Bekannter mit dem nächsten Hammer heraus, der mir sowohl sein behindertes “Game“ als auch seine gerade erwähnte Fixierung ein wenig plausibler machte. „Sag mal bist du eigentlich homo?“ fragte er mich, als ob ich nicht gerade noch genug zu verdauen hätte und lächelte mich mit dem gleich Softcore-Grinser an, als hätte er ihn sich bei SISSI abgeguckt. Mein Hirn verlangte laut nach Schnaps um mein gereiztes Nervenkostüm auf unterhalb der Amog-Grenze runter zu kühlen. Der Typ hatte mir also nicht nur gerade ein zuckersüsses 2er-Set weggeschossen, er hatte auch noch die Frechheit danach seine Ansprüche auf meine Arsch kundzutun. Das war zu viel für mich. „Nein. Bin ich nicht.“ knurrte ich vorwurfsvoll zurück. „Oh.“ fiepste er kleinlaut und ging kommentarlos weg um sich in die andere Ecke des Clubs zu stellen als sei nichts passiert. Ich brauchte ein weiteres Bier um wieder auf Normaltemperatur zu kommen.

Als meine Systeme gekühlt waren ging ich zur Garderobe um meine Jacke los zu werden. Dort stand ich neben einer hübschen Blondgelockten, die anscheinend auf ihren Garderobenchip wartete. Ich war in meinem Scheiß-egal-Modus angekommen, in dem ich ja regelmäßig meine größten Cold-Reading-Erfolge feierte, und schoss daher nach kurzem Augenkontakt ohne zu zögern blind:

I: Du siehst aus wie eine Psychologin. ...Nein, warte! …Oder eher eine Ärztin.

Sie musste laut lachen.
ELLI: Willst du mich beleidigen?

Sie bekam ihren Chip. Ich gab meine Jacke ab.
I: Nö. Du siehst nur aus, wie eine jüngere und hübschere Variante meiner Therapeutin. Aber ich würde trotzdem eher auf Ärztin tippen... Is ja egal...

ELLI: Ich studier Medizin.

I: Oh, wirklich! Sieh mal einer an. Eine gute Partie also... Gehen wir an die Bar?

ELLI begleitete mich noch an die Bar, allerdings konnte ich sie dort nicht lange halten. Wir quatschen höchstens eine viertel Stunde. Sie schien ziemlich gezielt auf der Suche zu sein und ich war ihr zwar wohl sympathisch, aber anscheinend nicht ihr Typ. Was ich akzeptieren konnte, da sie auch nicht so richtig in mein Beuteschema passte. Irgendwie ist es immer recht friedlich, wenn man so was auf beiden Seiten merkt und sich dann fast schon gegenseitig gute Jagd wünschen will. Leider blieb ELLI mein letzter Approach für diese Nacht, denn es begann draußen schon hell zu werden und da ich mir nicht sicher war, ob mein Bekannter auch nach meinem “Outing“ als Hetero mich noch zum Bäcker begleiten würde, nahm ich mir lieber ein Taxi und besorgte mir auf dem Weg alleine ein paar Croissants.



Freitag 29. März – Meet the artists


Den Freitag wollte ich ja eigentlich im Bett verbringen. Tat ich im Endeffekt auch, da ich einfach den kompletten Tag verschlief. Folgenden Post tippte ich dann leider Freitag Abend in mein facebook-Profil:

Club bis um 6. Dann Croissants und Kakao. 11Uhr Aufgewacht mit dem Gesicht im Laptop. Glas Wasser und eingeschlafen. 15Uhr Aufgewacht. Frühstückseier, Aspirin und eingeschlafen. 19Uhr wieder aufgewacht. Scheiße der ganze Tag ist weg! Geht man da jetzt einfach wieder feiern?

Die Abstimmung unter meinen treuen, unbekannten Facebook-Freunden (Hallo Espe, Hallo Tom! Ihr seid schuld!) fiel eindeutig aus. Ausserdem meldete sich überraschend Wing1 um zu erfragen, ob ich irgendwelche Partyaktivitäten plane. Eigentlich hatte ich ja auch am Donnerstag mal wieder feststellen können, dass ich alleine deutlich lieber jage, auf der anderen Seite macht es natürlich einfach wesentlich mehr Spaß mit einem Freund unterwegs zu sein. Im Endeffekt ist das Problem, dass ich mich “beobachtet“ fühle wohl ein typisches Männerproblem und es sei dazu angemerkt, dass sowohl Wing1 als auch Wing2 neben privat guten Freunden auch noch gelegentlich meine Arbeitskollegen sind, was das “zwischenmännliche“ Konkurrenz- Beweis- und Wettbewerbs-potential natürlich nicht gerade mindert. Am Ende bleiben Männer unter sich jenseits jeder Freundschaft doch immer ein Rudel Hunde, die es eben ständig ausbeißen und ihre Stellung verteidigen müssen.

Ich erzählte Wing1 also, dass ich von einer angeblich guten Party gehört hatte, die heute Nacht in einem Club steigen sollte, den wir schon lange nicht mehr besucht hatten. Wenn man dort früh genug aufschlägt ist der Eintritt frei und da meine Ausgaben für Party und Alkohol inzwischen (Danke Pick Up!) neben meiner Miete auf Platz Zwei der monatlichen Fixkosten liegen, versucht man natürlich zu sparen, wo man kann. So standen wir also schon zu einer für uns ungewöhnlichen Uhrzeit vor besagtem Club um uns unsere Stempel abzuholen. Da dort aber, wie zu erwarten, noch recht wenig Betrieb war entschieden wir uns dafür, uns an der Tanke mit Alkohol auszustatten und noch zu einer Bar zu spazieren. Auch dort war nicht gerade die Hölle los, aber der Laden füllte sich gerade. Wir tranken ein Bierchen und beobachteten das Publikum, als mir plötzlich zwei Typen ins Auge fielen. Die Beiden standen vor drei jungen Mädels und bearbeiteten diese auf Englisch. Der größere von beiden trug einen auffallenden roten Schal und eine Mütze, die ihn irgendwie wie einen französischen Literaten der 60er Jahre wirken ließ. Dazu trug mit Sicherheit auch sein Prinz-Eisenherz-Topfschnitt bei. Er wirkte auf jeden Fall in einer Bar in einem der Berliner Hipster-Kieze deutlich deplatziert. Das war ihm selbst allerdings entweder nicht bewusst oder scheißegal, denn er flirtete mit den Mädels als ob ihm der ganze Laden gehören würde. Ich stellte meine eh schon, bei schnelleren Fahrradfahrten, fast flugfähigen Ohren zu ihrer vollen Größe auf und lauschte, was der Freak den Schönheiten zu erzählen hatte. Er schien seinen Aufriss gerade seinem Kumpel vorzustellen: „Oh this girl is perfekt! I love her. She's my favourite!“ verkündete er lautstark. „And she is my second favourite girl. She is so cute.“ sagte er und deutete auf das zweite Mädchen. „With her i'm still not sure.... She might be the bad one!“ lachte er seinem Freund über die Schulter, beugte sich aber sofort zu besagtem Mädchen vor, umarmte sie und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Normalerweise neige ich ja nicht zur anscheinend Szene-üblichen PUA-Spotting-Paranoia, aber was sich mir hier bot, machte auf mich doch einen seltsam kontrollierten und zielgerichteten Eindruck. „Zieh dir den mal rein“ machte ich meinen Freund auf die Gruppe aufmerksam. Wir beobachteten die fünf noch eine Weile, als plötzlich zwei Jungs an uns vorbei in die Mitte des Raumes stürmten und dort ohne auch nur eine Sekunde zu zögern mit einer hübschen Blondine das Tanzen und Schäkern anfingen. Ich sah etwas genauer hin. Und BINGO! - Die Zwei kannte ich!

„Ey! Siehst du die zwei Jungs da vorne bei der Blonden?“ sagte ich zu Wing1 „ich kenn die Zwei von facebook. Die sind ziemlich aktiv was Pick Up angeht.“. Die Situation war ziemlich absurd, da die Jungs mich natürlich nicht von Fotos kannten. Ich kämpfte kurz mit mir selbst. Was hatte MARILYN mir nochmal geraten? „Halte dich von den PickUppern lieber fern“?.... Aber meine Neugier und das Bier siegten wie so oft.

„Ok, also das kann jetzt ziemlich funky werden“ begann ich Wing1 zu briefen „ich geh da jetzt mal hin, aber du musst mir versprechen, dass ich ab jetzt nur noch ELIA heiße, klar?“. Dann ging ich rüber zu den Jungs. Den einen kannte ich schon von ein paar mal hin-und-her-schreiben und wusste daher natürlich seinen Namen.

I: Hi TOM.

TOM: Kennen wir uns?

I: Ich bin ELIA, hallo.

TOM: ELIA?.... ELIA! Wie krass! Ich hatte mir immer vorgestellt, du wärst eher so ein großer, südländischer Typ.

I: Du meinst wie der Typ auf dem Traktor? ….Nein, das ist nur mein Profilbild im Pick Up Forum.

TOM: Ja, ja schon klar. Trotzdem hat man ja ein Bild vor Augen.

TOM war hellauf begeistert, stellte mir erstmal seine große, blonde Begleitung vor (es war ziemlich absurd als “Elia“ vorgestellt zu werden) und dann natürlich seinen Freund die Maus: „Hey JERRY! Schau mal, das ist ELIA, der mit dem Blog!“. JERRY unterbrach kurz seine Versuche, eine Dynamitstange an TOMs Schwarz zu knoten, kannte mich zwar offensichtlich nicht, freute sich aber trotzdem wie Bolle mich zu sehen. Da ich aus dem Augenwinkel sah, wie Wing1 gerade seinen letzten Schluck Bier in sein Gesicht schüttete, fragte ich die Jungs, ob sie nicht Lust hätten uns noch in den Club zu begleiten. Kater und Maus mussten nicht lange überredet werden und so machten wir uns zu viert auf den Weg zum Club.

Da der Club ein gutes Stück weg war, hatten wir reichlich Zeit um uns zu unterhalten. „Und wie lange machst du schon Pick Up?“ hörte ich JERRY Wing1 fragen. „Ich hab keine Ahnung von Pick Up“ gab Wing1 zurück „ich geh einfach gelegentlich mit ELIA saufen und er ließt immer diese behämmerten Bücher.“. Na das kann ja lustig werden, dachte ich mir.
„Also ich bin schon seit einigen Jahren dabei“ erzählte uns JERRY seine Geschichte „Ich mach eigentlich auch kein Pick Up. Ich mach Sets! Ich bin die Set-Maschine!“ „Er ist die Set-Maschine!“ stimmte TOM mit ein „...und du ELIA? Sag mal warum trinkst du eigentlich immer so viel? Ist das so ein Ding wegen Selbstbewusstsein?“. „Ja da geht’s um Selbstbewusstsein“ gab ich zurück und freute mich auf mein nächstes Bier im Club „Natürlich geht’s auch um Spaß und um Rausch, aber auf jeden Fall trinkt man auch wegen des Selbstbewusstseins.“. Das Thema nervte mich in der Situation etwas. Natürlich trinkt man auch für sein Selbstbewusstsein, dachte ich mir. Aus dem gleichen Grund gehen andere Leute ins Fitnessstudio. Aus dem gleichen Grund trägt man coole Klamotten und aus dem gleichen Grund ist in Clubs die Musik laut und das Licht gedämpft. Weil man sich besser fühlt. Menschen fressen seit Millionen von Jahren Drogen und tanzen Nachts um Lagerfeuer um sich dabei besser zu fühlen. Und nebenbei ist das auch das älteste Paarungsritual der Welt. Ich verstehe das ganz Problem dabei nicht. Man könnte das natürlich auch komplett weglassen, aber dann würden wir uns alle nüchtern, fett, nackig und bei Tageslicht gegenüberstehen. Und für meinen Geschmack wäre das nicht wirklich cooler.
TOM unterbrach meinen Gedankengang und bestätigte nur nochmal unsere unterschiedlichen Sichtweisen „Also ich trinke so gut wie gar keinen Alkohol. Alkohol macht vor allem fett. Außerdem gehe ich jeden Tag ins Fitnessstudio.“ Jedem das Seine, dachte ich mir und beschloss nächste Woche mal wieder Laufen zu gehen um mein Gewissen, das mich jetzt mit weit aufgerissenen Na-hast-du's-gehört?-Augen anstarrte, zu beruhigen.

Wir erreichten den Club und zu meiner Erleichterung war zumindest mehr los, als vor ein paar Stunden. Wing1 und ich checkten kurz die Lage um TOM und JERRY bescheid zu geben, ob sich der Eintritt rentieren würde. Als wir nach 20 Sekunden zurückkamen waren die Beiden bereits im Gespräch mit einem Mädel. Ich erklärte ihnen, dass nicht alle Floors offen sind, aber einigermaßen gute Stimmung sei. Dann ging ich mit Wing1 wieder rein. Als wir den Kater und die Maus zwei Minuten später an der Garderobe wiederfanden, waren sie im Gespräch mich einer kleinen Asiatin. Mir schwante langsam, dass die Beiden eine leicht höhere Approach-Frequenz gewohnt waren, als meine Wenigkeit. Wir gaben unsere Jacken ab. „So ich fang dann mal an zu saufen“ erklärte ich mit einem Augenzwinkern in Richtung TOM. Der schien mir aber bereits in einer Art Scan-Modus zu laufen. Ich bildete mir ein, dass sich seine gesamte Körperhaltung bei Betreten des Clubs leicht verändert hatte. Die Arme waren etwas weiter auseinander, die Schultern leicht nach vorne und die Augen wirkten fokussiert und suchend. Er strahlte eine unbestimmte Angriffshaltung aus. Ich brauchte ein Bier. Jetzt! Als ich zurückkam, drängelten die Zwei bereits: „So ELIA, du kennst dich aus, dann führ uns mal rum“. Also gut, dachte ich mir und ging mit den Jungs los zur ersten Tanzfläche. Wenige Meter vor der Tanzfläche gaben TOM und JERRY plötzlich Gas und marschierten kommentarlos zwischen den Leuten durch, jeder auf eine andere Gruppe Mädchen zu. Wing1 und ich sahen uns kurz etwas verdutzt an. Nach 20-30 Sekunden wechselte sowohl JERRY als auch TOM das Set und widmeten sich ohne eine Sekunde Pause den nächsten Mädchen. Mir kam das Ganze vor wie einer dieser alten Schwarz-Weiss-Filme, die etwas zu schnell ablaufen. Die Zwei schienen völlig in ihrem Element und so schlenderten Wing1 und ich weiter in den nächsten Raum. Auf halber Strecke überholten uns aber auch schon unsere neuen Freunde. Ich wollte gerade fragen, wie es gelaufen sei, da kam auch schon der zweite Dancefloor in Sichtweite und die Jungs reagierten wie einige Minuten davor. Wir waren also wieder zu zweit. „Ich hab so was ja noch nie live gesehen“ meinte ich zu Wing1, der ebenfalls völlig gebannt den Beiden zusah „aber wenn die so weitermachen, sind die in einer halben Stunde mit dem kompletten Club durch“. Wir waren beide derart irritiert, dass wir uns mit offenen Mündern am rettenden Tresen festhielten und aus sicherer Entfernung weiter beobachteten, wie TOM und JERRY von Set zu Set durch den Club “sargten“. Dem zweiten Raum erging es nicht viel anders als dem ersten. Es legte sich binnen Sekunden ein Approach-Teppich über die Tanzfläche, wie Brandbomben über Dresden.

So saßen wir also beide, wie im Kino, an der Bar und sahen uns an, wie Pick Up “eigentlich“ aussieht. Nach einer ganzen Weile Schweigen lehnte sich Wing1 langsam zu mir rüber. „Wie junge Hunde“ sagte er ganz langsam. „Exakt“ dachte ich mir „Wie junge Hunde, denen du eine ganze Packung Würstchen in den Raum geworfen hast“. TOM tauchte, wie ein Kind dessen Eltern neben dem Spielplatz auf der Parkbank sitzen, zwischendurch immer wieder bei uns auf. „Na kein Wunder, dass bei euch mit Frauen nix geht“ war sein erster Kommentar, dann verschwanden beide im nächsten Raum. „Ich glaube hier geht nix mehr“ sagte er zehn Minuten später als Beide wieder an uns “vorbeigesargt“ kamen. Bei seinem dritten Besuch lieferte er mir, wie die Katze die einem die Maus vor die Tür legt, eine junge Dame am Tresen ab, stellte uns kurz vor und verschwand mit den Worten „kannst du haben“. Ich musste unwillkürlich an MARILYNs Tipp denken, mich von der “Szene“ besser fern zu halten, weil ich sowieso kein Pick Up betreiben würde. Tja, da hatte sie wohl recht. Offensichtlich hatte mein “Game“ mit Pick Up herzlich wenig zu tun.

Wir waren gerade beim zweiten Bier angelangt, als JERRY erklärte, dass er mit dem Club durch sei und jetzt nachhause ginge. TOM beschloss noch eine Weile bei uns zu bleiben, wobei er trotzdem gelegentlich mitten im Satz aufsprang um einem jungen Weibchen hinterher zu sprinten. Ich machte irgendwann meine Runde durch den Club, fand aber nicht wirklich ein Target und fühlte mich ausserdem immer noch ziemlich gehemmt, durch die Show, die ich gerade gesehen hatte. Ich setzte mich auf ein Podest auf dem ein Mädchen im Koma lag. Plötzlich setzte sich ein dickes Mädchen neben mich und fragte mich, ob ich öfter hier sei. Ich wartete auf die Lacher aus dem Publikum. Ja gelegentlich sei ich hier antwortete ich höflich und aus Respekt vor den wenigen mutigen Frauen, die den großen evolutionären Schritt gemacht haben und Männer ansprechen, stand dann aber trotzdem auf um ihrer zweiten Attacke zu entgehen und ihr Zeit und Energie zu sparen. Ich ging zu TOM und Wing1 und verkündete, dass es eventuell Zeit für den Absturzclub sei. TOM meinte, den wolle er schon lange mal sehen. Ich dachte mir nur, dass wenn er für diesen Club schon nur eine Stunde gebraucht habe, er mit dem Absturzclub sicher in fünf Minuten durch sein würde. Bevor wir gingen, besuchte ich aber nochmal das fette, mutige Mädchen, um ihr eine schöne Nacht zu wünschen. Sie war etwas irritiert, freute sich aber trotzdem. TOM und Wing1 kommentierten etwas ungläubig „ Was war denn das jetzt?“.

Wir nahmen uns also ein Taxi und fuhren zum Absturzclub. Der Laden war mittelvoll und TOM sofort sichtlich geschockt. „Ich sagte nie, dass das eine Goldmine ist“ erklärte ich ihm „ich sagte, dass ist ein Flohmarkt. Resteficken. So, ich hol mir ein Bier.“. Als ich wiederkam war TOM bereits einige Mal um die kleine Tanzfläche herumgeschlichen, hatte aber wohl nichts gefunden, das seinen Jagdinstinkt geweckt hätte. Wir quatschen noch kurz über den Laden (er fand ihn erwartungsgemäß furchtbar), meinen Blog und Pick Up und dann verabschiedete sich TOM. Ich stellte mich mit meinem Bierchen zu Wing1 und wir starrten auf die betrunkene Menge auf der Tanzfläche. Irgendwann stupste er mich mit dem Ellenbogen an und deutete mit dem Kopf auf eine junge blonde Engländerin, die mit ihren Freunden neben uns stand und irgendwie etwas verwirrt (bei Engländern kann man ja eigentlich nie wirklich von betrunken sprechen) wirkte. Wir starrten weiter drei Minuten geradeaus, dann drehte er sich zu ihr um und die Beiden fielen sich praktisch gegenseitig ins Gesicht. Ich war auf Grund der Wortlosigkeit des Vorgangs kurz etwas erstaunt, dann begannen die Beiden sich in Richtung der Tanzfläche vor zu knutschen. Nach einer Runde Tanzen (immer noch ohne jeden Kommunikation) parkten die Beiden sich auf das einzige Sofa und fielen dort übereinander her. Die Zeit verging und nach knapp 15 Minuten beobachtete ich die Freundin der Kleinen, wie sie etwas unschlüssig nach ihrer hübscheren Hälfte Ausschau hielt. Ich ging kurz zu Wing1, der immer noch mit seiner Beute auf dem Sofa saß und erklärte ihm, er solle sich mal beeilen, falls er vorhabe die Kleine mitzunehmen. Gesagt, getan. Es sah kompliziert aus, dem Inselmädchen in die Jacke zu helfen, aber als er es geschafft hatte verließ Wing1, der einzige unserer Gruppe, der noch nie ein Pick Up Buch in der Hand hatte, den Laden um zu testen, ob kleine, betrunkene Englische Mädchen schäumen wenn man sie schüttelt.

Ich musste plötzlich an Tyler Durden denken, der irgendwo mal sagte: „What's the perfect number of approaches for a night? Right. It's one. The one that goes all the way.“ In diesem Sinne hatte Wing1 wohl die perfekt Anzahl an Approaches in dieser Nacht gemacht. Und ich die schlechteste. Ich fragte TOM später nochmal, wieso er und JERRY so schnell in so viele Sets, aber auch so schnell wieder raus gehen würde. Der Sinn hatte sich mir überhaupt nicht erschlossen. Er erklärte mir, dass sie grundsätzlich immer approachen würden. Im Set würden sie dann entscheiden, ob ihnen das Mädel gefällt und ob sie spannend sei. Das machte für mich zwar Sinn, gleichzeitig dachte ich mir aber auch, dass die fünf Sekunden die man benötigt, um zu entscheiden ob das Mädchen einem äußerlich gefällt, einem aber doch enorm viel Energie und Zeit ersparen würden, vorausgesetzt natürlich man approacht die eine, die einem gefällt dann eben auch. Wie auch immer, es war eine spannende Nacht und ich fand es sehr interessant TOM und JERRY bei der Jagd beobachten zu können. Die Zwei sind auf jeden Fall keine Schwätzer.



Sonntag 31. März – You'll never walk alone


You'll never walk alone.... Für Britische Fußballfans scheint die Erfahrung nie alleine unterwegs zu sein etwas sehr positives darzustellen. Für mich war das Osterwochenende unter anderem von der Erkenntnis geprägt, dass ich vielleicht am liebsten, vielleicht auch am besten, ganz sicher aber am häufigsten flirte, wenn ich als “einsamer Wolf“ durch die Bars und Clubs streife. Mag sein, dass da auch eine Menge Excuse mit drinsteckt, aber allein schon das Fehlen dieser Ausrede, vor allem aber das Fehlen irgendeiner anderen Möglichkeit der Unterhaltung treibt mich, wenn ich alleine unterwegs bin weit, weit häufiger in Sets als wenn ich in Begleitung bin. Und so kam es wohl auch dass ich, obwohl ich Donnerstag und Freitag bis in den frühen Morgen durchs Nachtleben gestolpert war und den Samstag dementsprechend zwischen Koma und Hirntod verbrachte, am Sonntag Abend den Gedanken hatte „warum eigentlich nicht auch mal den Sonntag ausprobieren? Montag ist Feiertag, und vielleicht hatten sich Freitag einige genauso weggeschossen wie Meinereiner und wollen jetzt nochmal etwas Restenergie verbrauchen“. Um einen davon abzuhalten, seinem Körper solche Himmelfahrtskommandos zuzumuten und um einen davon abzuhalten wirklich auch noch den letzten Euro in Bier umzusetzen, für genau solche Momente, für das Aufrütteln, das Wachrütteln, die große Standpauke der Vernunft und Verantwortung, dafür hat man sie, die wirklich guten Freunde.

„Yo! Geile Idee!“ sagte Wing2 als ich ihm am Telefon erzählte, dass ich dieses Wochenende mal wirklich nur im Club oder im Bett verbracht und auch sicher mehr Bier als Wasser zu mir genommen hatte, aber trotzdem überlege nochmal raus zu gehen. „Mein früherer WG-Genosse ist in Hamburg immer nur Sonntags raus gegangen. Da sind die richtig verzweifelten Alten unterwegs, die das ganze scheiß Wochenende keinen Stecher gefunden haben. Da gamet sich dein Game praktisch von alleine!“. „Wie ich sehe verstehst du was ich meine“ antwortete ich, blickte aus dem Fenster und dachte „NICHT!“. Aber im Grunde hatte er, der “Gott der Eskalation und Unverantwortung“ wie ich ihn ab jetzt nennen werde, eigentlich ja recht. Der Mann ist immerhin zehn Jahre älter als ich, er sollte also wissen, was wichtig und richtig ist im Leben und was nicht. Und so lautete mein Ziel für den heiligen Ostersonntag also: Tresen!

Der Trick am Alleine-Ausgehen ist es, über die ersten Sunden hinweg und dabei in einen guten Socializing-Mood zu kommen. Wenn man nicht mit Leuten weggehen und diese dann irgendwann stehen lassen will, sondern direkt alleine startet, bietet es sich also sehr an als erste Location eine Bar oder einen Club zu wählen, wo man zumindest einige flüchtige Bekannte hat um direkt ins Reden zu kommen und --- EY! …. Ok, wer war das? …Wer hat den halben Döner geworfen? ...Nicht lustig Leute!... Ja,ja,ja,ja,ja ich weiß ja ich soll die Stammbar meiden, aber zu so einem Zweck ist sie dennoch gan -EY!- …..ganz gut, wollte ich sagen.

Also jedenfalls machte ich mich auf den Weg in die Stammbar. Die Bar war mittelprächtig gefüllt, was mich aber nicht weiter störte, da ich ja eh nur vorhatte ein wenig vorzuglühen und dann weiter zu ziehen. Also ein Bierchen, ein kurzer Plausch mit einem Bekannten, noch ein Bierchen und dann Jacke an und lo...Aah!... Da stand sie genau vor mir in der Tür. K. ….K!....K, die Frau die man nie mehr los wird. ….K, die Frau die einem überall hin folgt aber nicht mal wirklich zum Partymachen taugt.... K, die Frau mit der siebenjährigen Beziehung und dem unstillbaren Bedürfnis anderen Männern nächtelang die Ohren blutig zu quatschen über ihren Looser-Boyfriend..... „Das hat dir der Teufel gesagt“ zischte es mir durch den Kopf, während ich meinen Gesichtsmuskeln panisch die Anleitung für “freudige Überraschung“ faxte...

„Hey!“ ….los jetzt! Ich sagte “freudige Überraschung“! „schön dich zu sehen“ ...ach scheiß drauf, es ist sowieso dunkel in der Bar … „Wie geht’s dir?“. K drückt mich stürmisch und ich spüre, dass das ein langer, langweiliger Abend werden kann, wenn ich nicht einen Weg finde sie abzuschütteln. Aber wenn ich ihr jetzt sage, dass ich gerade gehen wollte hab ich sie mit im Club, das ist ja noch blöder.... Also gut, erstmal an die Bar. Die Gute schuldet mir eh noch einige Runden. „Ja, genau ein Berliner!“ ….vielleicht kann ich sie abfüllen, so dass sie nachhause muss... „Ah danke. Oh geht auf dich? Merci!“ ….ne, das dauert bei dem Tempo in dem die trinkt ja eine Ewigkeit...

Wir beginnen also erstmal ein wenig Konversation. - Ach Scheiße! - sie hat wieder ihren Musik-Themenabend... Also gut, was soll's, man hat ja nicht umsonst ein paar Jahre aufgelegt... Wir diskutieren so lange über Nick Cave, bis ich einfach nicht mehr kann. Dann gibt’s zu Belohnung noch ein Bier. Blick auf die Uhr. Verdammt! Schon fast 3, das geht so nicht. Wir müssen das beschleunigen... Ich könnte ein wenig ihre Stimmung zerbomben, vielleicht hat sie dann wenigstens keinen Bock mehr auf Club. Hm... Einen Versuch ist es wert. „Und wie läuft's mit deinem Freund so...?“ - Volle Deckung! - …Sie schaut mich kurz, wie in Schockstarre, an... Uups... Der hat gesessen... Sie schluckt und... Legt los zu erzählen. - Verdammt - ...Naja selber Schuld, das war hoch gepokert. Während sie mir die komplizierte Lage ihrer stinkenden Leiche von Beziehung darlegt, überlege ich ob es physisch möglich ist seine Ohren von innen zu verstopfen und übe meine Gesichtsmuskulatur in “ernst aber verständnisvoll“. Als ihre Beziehung endlich in kleinen Edelstahl-Schalen, blutig und in alle Einzelteile sortiert, vor uns liegt inhaliere ich meinen letzten großen Schluck Bier und riskiere alles: „Soooo.... Also ich glaube ich würde dann jetzt mal in Club1 gehen...“ - Pause – Kein Mucks ist zu hören... Das ganze Stadion hält den Atem an.... „Ok, ich komm mit.“ ---- NEIN!.... Verflucht!! Ich dachte es hätte gereicht... Also gut, keine Panik, keine Panik, das ist ja noch ein ganzes Stück Weg bis zum Club... Ich kann das noch schaffen... Wir nehmen unsere Jacken, verlassen die Bar und gehen los. Auf dem Weg fängt sie wieder an über Musik zu reden, was ihre Stimmung hebt... Nein,nein,nein Madame, so machen wir das aber nicht... Ich lenke das Thema wieder auf ihren Freund. Die Temperatur sinkt wieder. Sehr gut. Ich merke, wie sie stiller wird... Aber ich sehe auch schon den Clubeingang auf uns zu kommen... „Ich glaube da ist nicht mehr so viel los... hehe... Wie bei meinem Freund und mir“ scherzt sie dunkelhumorig... Meine Chance zum Todesstoß. Der muss jetzt sitzen, denke ich. „Deine Beziehung ist tot. Sonst würdest du nicht ständig Nachts durch diverse Bars ziehen“ knalle ich ihr strohtrocken vor den Latz und ich merke, wie sie mir gerade doch ziemlich leid tut. - Ich hatte keine andere Wahl - denke ich mir, aber es fühlt sich trotzdem an als müsste man ein krankes Pferd erschießen.

Wir bleiben vor dem Club stehen. Schweigen. „Ach ich glaube ich gehe nachhause“ sagt K. „Ja, ich mache heute auch nicht mehr lange. Is ja auch nix los“ antworte ich und gebe den offiziellen Befehl an meine Gesichtsmuskeln raus, das jeder standrechtlich erschossen wird, der jetzt lacht. Wir drücken uns solidarisch. „Wer Freunde hat braucht keine Feinde mehr“ giftet mein Gewissen und ich denke mir, wenn ich öfters so ein Arschloch wäre, hätte ich wahrscheinlich schon ein Buch darüber geschrieben. Dann gehe ich in Club1, in dem wirklich fast nichts mehr los ist. Ich verschaffe mir kurz einen Überblick, aber ausser einem mittelprächtigen 2er-Set an der Bar ist hier offensichtlich gar nichts zu holen. Ich beschließe mir kein Bier zu bestellen, aber zumindest noch ein paar Sekunden zu warten, damit ich nicht draussen vor der Bahn wieder in K hineinlaufe. Safety first.

Als ich mich sicher genug fühle verlasse ich vorsichtig Club1 und mache mich auf den Weg zum Absturzclub. Ok, kein Stress, die Nacht ist zwar schon halb vorbei aber noch ist nix verloren. Der Absturzclub sieht schon im Eingangsbereich ziemlich gut besucht aus. Oh – und kostet auch noch halbwegs Eintritt. Na gut, wenn das der Laden ist wo sich alle heute verstecken, dann soll es so sein. Also rein. Erstmal ein Bier in die Hand und dann zum Lage-Checken direkt an die Tanzflä.....TOM! „Hey! Was für eine Überraschung!“ (...ich dachte, er fand den Laden völlig Scheiße??) „Was machst du denn hier?“ - wird das jetzt gut oder schlecht? - „und wo ist JERRY?“. TOM erzählt mir, dass JERRY hier gerade mit einer jungen Dame raus sei um sie sich in der Horizontalen auszusehen und er hier gerade ein super heißes Taget gamet. Er zeigt mir sein afrikanisches Opfer und ich bin überrascht, da ich ihn eher in der blond, Minikleid und High-Heels-Fraktion gesehen hatte. Ich platziere meine Jacke bei TOM und sage ihm, ich wolle erstmal eine Runde drehen um die Lage zu sondieren.

Auf dem Weg um die Tanzfläche überlege ich mir, ob ich mir jetzt ohne es zu merken ein ganzes Rudel PickUpper in meine Stammläden gelockt habe, ich ab jetzt Nachts wirklich nur noch “ELIA“ sein kann, und wie sich das auf mich und meine Raubzüge auswirken könnte. Am anderen Ende der Tanzfläche mache ich kurz Pause um den Gedanken weiter zu spinnen als mein Blick auf einen Typen direkt neben mir fällt. Holy. Fucking. Shit! Das ist jemand aus meinem Job!! Und auch nicht irgendjemand sondern jemand mit vielen Kontakten, einem losen Mundwerk und einer gehörigen Portion Neugier in der Nase. Fuck, Fuck Fuck! Was mach ich denn jetzt? In Gedanken sehe ich schon TOM vor uns beiden stehen, der meinen Kollegen gerade raus fragt, woher er denn “ELIA“ kenne und wie lange “er denn schon Pick Up betreibe“. BUMM! Das ist der absolute Horror!...Was tun, was tun, was tun....? Eigentlich müsste ich sofort wieder gehen, aber zu spät, mein Kollege hat mich bereits entdeckt und grinst mich an. Ich muss jetzt handeln und zwar klug und schnell, bevor das hier in einem kleinen Privatleben-vs.-Pick-Up-Blog-Holocaust endet.

„Oh mann, was hast du da nur angezettelt!?!“ schreit mir meine innere Lieblingsstimme ins Ohr. Aber für innere Dialoge ist jetzt keine Zeit. Hier müssen ganz schnell ein paar Stacheldrahtzäune gespannt werden. Erst mal Normalität herstellen. Also los. Ich beginne mit meinem Kollegen ein unverbindliches Geplausche über Jobs, Kunden und die Branche doch schon nach dem zehnten Satz sehe ich wie in Zeitlupe TOM mit seinem Jägerblick über die Tanzfläche streunt.... Frauen rechts, Frauen links... Verdammt, die scheint er schon durch zu haben. Sein Blick fällt auf uns. Mir wird kalt. Seeeeehr kalt. Er kommt direkt auf uns zu. Nein,nein,nein,nein,nein... ich mache mitten im Gespräch mit meinem Kollegen einen Schritt nach vorne und fange TOM so zwei Meter vor meinem Kollegen ab. „Toll gemacht“ denke ich mir, wenn jetzt der neugierige Kollege dazu kommt und sich vorstellt hast du verloren. „Oh mann“ schreit mir TOM durch die laute Musik ins Ohr „langsam verstehe ich, warum du keine Frauen kennenlernst! Das liegt daran, dass du dich immer nur mit Männern unterhältst!“. „Ja – hehe – da könntest du recht haben“ spaße ich zurück und versuche TOM möglichst zurück auf die Tanzfläche zu bugsieren. „Naja, dein Ding“ gibt er zurück und peilt langsam eine blonde Enddreißigerin an, die offensichtlich mit ihren Freundinnen auf Berlin-Oster-Urlaub ist. „Na? Ist die nix“ sage ich noch, merke aber dass TOM schon gar nicht mehr neben mir steht. Der Junge ist echt schneller als jeder Jagdhund. Ok, keine Zeit verschwenden, mein Kollege hat das sicher mitbekommen... Ich muss ihn irgendwie hier wegbekommen... Ich gehe zurück zu meinem Kollegen und setze direkt wieder in das Jobthema ein, um gar nicht erst in die Verlegenheit zu kommen, hier irgendwas erklären zu müssen. Ruhig. Atmen. Du bekommst das hin. Ich drehe mich gerade wieder Richtung Tanzfläche um zu orten, wo im Raum sich TOM gerade aufhält, als ich ihn auch schon mit der blonden Alten im Schlepptau auf uns zugestürmt kommen sehe. NEIN! NEIN! NEIN! Warum meint er denn immer, er müsse mir die Mädels füttern??.... Notfallprogramm. Gleiche Reaktion wie vorher! für Kreativität ist keine Zeit. Ich mache zwei schnelle Schritte auf TOM und seine Sekretärin zu und fange Beide wieder kurz vor meinem Kollegen ab. „Hey! Darf ich vorstellen, DAS ...ist ELIA!“ verkündet TOM stolz und Vorstadt-Steffi streckt mir ihre Hand entgegen. Ich bremse ihre Bewegung ab und bugsiere sie direkt wieder in die tanzende Menge.... „Ja, Hallo“... „He,he...ja, Elia, genau.“... „Ja, ein seltener Name“ … - und auch noch ein falscher! - …. „Ja, Berlin ist sooo cool. Ja, genau“ … - außer über Ostern -… „Nein ich bin nicht auf Besuch, ich wohne hier“ - und jetzt geh zu deinen Freundinnen zurück, bitte!... „Ja“... „Nein“... „Ja, hehe... coole Musik, echt, und alles so verrückt hier....whooo-hooo!“.... und weg. So, ok die Muddi ist wieder bei ihrem Kegelverein untergebracht, aber wo ist jetzt TOM? Oh! - Direkt neben mir... Und tanzt gerade (was er im übrigen WIRKLICH kann) sein nächstes Target an.... Verwundert und vorwurfsvoll erkennt er, dass ich nicht gefressen habe, was er mir vor die Tür gelegt hatte... OK ! SCHLUSS! Das geht so nicht. Ich schwitze ja jetzt schon... das halte ich keine halbe Stunde aus ohne einen Infarkt zu erleiden. Ich schnappe mir also TOM und ziehe ihn aus seinem Balztanz: „Hey, äää... hör mal, der Typ ist ein wichtiger Kunde und äää... Also vielleicht ist das besser wenn … äää... naja, du weißt schon. Ich hier heute Abend nichts mit Pick Up zu tun habe, verstehst du?“. TOM versteht mich zum Glück sofort und kümmert sich wieder um die Mädels. Puh! Ok. Das Eine wäre geschafft. Mein Herz kommt langsam wieder runter. Ich hab sogar wieder Gefühl in den Fingern! Sehr gut. Jetzt nur noch meinen Kollegen hier wegschaffen...

Ich bugsiere meinen Kollegen an die Bar und verwickle ihn dort in eine extrem aufreibende Diskussion über unseren Job. Innerlich versuche ich währenddessen ein wenig zu schlafen in der stillen Hoffnung, dass er irgendwann geht und ich vielleicht nur eine erbärmlich Stunde in dieser Horrornacht in Ruhe und Frieden jagen gehen kann. Nix da! Der Mann redet sich zwar heftig in Rage und schüttet dabei Bier wie Wasser, scheint aber kein Stück müder zu werden. Ich gebe langsam auf. Die Nacht ist verloren. Aber ich kann ja noch nicht mal einfach gehen, da mein Kollege, besoffen wie er jetzt ist, wahrscheinlich ohne mich sofort bei TOM landen würde, da er ihn mit mir gesehen hat und sonst ja niemanden in dem Laden kennt. Und so ergebe ich mich meinem Schicksal und lausche weiter dem Frust des einen Kerls, während ich zusehen, wie der andere Kerl sich an einer Frau nach der anderen reibt. Irgendwie war das anders geplant.

Ich weiß nicht mehr, wer von beiden zuerst ging. Es macht im Endeffekt auch keinen Unterschied. Als ich endlich alleine war, war der Club fast leer, ich fast voll und die Nacht fast vorbei. Ich beobachtete, an eine Wand gelehnt, noch die übliche Kurz-vor-Schluss-Blondine, die sich eine halbe Stunde auf der Mitte der Tanzfläche bewegte um am Ende alle Migranten, die sich an ihr rieben, von sich weg zu komplimentieren und mit frisch poliertem Ego nach Hause zu gehen. Das tat ich dann auch. Draussen lachten schon die Vöglein und zeigten mit Fingern auf jeden, der den Club alleine verließ. Da hilft nur noch eins. Bäcker. Croissants. Kakao.

Und was lernen wir jetzt aus diesem Wochenende? Gar nichts. Aber zumindest hab ich mal schön drei Nächte runtergeschrieben. Und wer das bis zum Schluss gelesen hat, hat meinen tiefsten Respekt verdient oder viel zu viel Zeit. Da ich dieses Wochenende nicht weggehe um meine Magenschleimhautentzündung zu pflegen (Danke Pick Up, danke Alkohol!) kommen ja zumindest keine neuen Nächte hinzu. Und vielleicht schaffe ich es ja in den nächsten Tagen noch von den fehlenden zwei Nächten zu berichten und bin dann wieder “up to date“. Euch wünsche ich dieses Wochenende viel Spaß und Erfolg! Tut nichts, was ich nicht auch tun würde …. oder nein: Am besten tut ihr genau das, was ich immer nicht tue. Ach, tut einfach was ihr wollt!

Elia