Mich hat die Grippe erwischt. Trotzdem
hatte ich mich Donnerstag hustend in die Stammbar geschleppt um L
endlich zu einer Entscheidung zu “zwingen“. Ich musste dieses
Endlosprojekt mit L jetzt einfach mal in Bewegung bringen. Ob vor
oder zurück war mir egal, Hauptsache Bewegung. Denn so konnte es
nicht bleiben. L hat mir letzten Freitag mal wieder nicht nur den
letzten Funken Kontrolle über mich, sondern auch die Chance auf eine
lustige Nacht mit K geraubt und das kann auf die Dauer ja so nicht
laufen, wenn nicht wenigstens das Projekt L voran geht. Also trotz
Grippe ab in die Nacht und in die Bar. L ist nicht da. Verdammt. Im
Laufe des Abends erfahre ich sogar, dass L krank ist. Natürlich ist
sie krank. Ich bin ja auch krank. Nachmacherin.
Den Freitag bin ich also zuhause
geblieben um mich zu schonen. Samstag feierte Wing1 Geburtstag. Da
musste ich natürlich wenigstens auf ein Bier vorbei, trotz Grippe.
“Ein Bier“ ist allerdings leider ein Konzept, das mein Hirn immer
noch nicht verstanden hat. Das Geburtstagskind fuhr mit mir um 3:00
Uhr im Taxi von der Bar weg. Natürlich sprang ich unterwegs doch
raus und schleppte meinen kranken Körper erst in noch eine Bar und
anschließend durch zwei Clubs. Um 7:00 verließ ich, um 50 Euro
ärmer und kein Stück schlauer, den letzten der beiden Clubs. Ich
bin ein Idiot und das Clubben wird langsam manisch.
Was ich aber eigentlich ja noch
berichten wollte war die Geschichte von letztem Sonntag.
Vorletzte Woche Montag Abend um 23:30,
ich war bereits auf halbem Weg ins Bett, teilte mir mein Handy
summend mit, dass mich jemand mit einer Kurznachricht belästigen
möchte. Ich blickte auf mein Handy und las, dass es sich um eine
Dame namens J handelte. Vor ihrem Namen standen die Buchstaben “PU“.
Das erklärte mir auch, dass mir spontan nicht einfiel, wer denn J
bitte war. Aber die Abkürzung “PU“ habe ich in meinem
Handy-Adressbuch eingeführt um Nummern aus Clubs und Bars von meinen
“übrigen“ Nummern zu unterscheiden. Ich fing an zu grübeln und
da erinnerte ich mich wieder. J war das Rockabilly-Mädel, dass ich
zwei Wochenenden davor aus einer Mischung aus Langeweile und
Verzweiflung morgens in Club2 angequatscht hatte (Pick Up Depression
– 6. Januar 2013). Anscheinend hatte ich vor dem Nummerntausch doch
einen halbwegs zivilisierten Eindruck hinterlassen. Dieser muss dann
wohl zwei Wochen lang in ihrem Hirn vor sich hingeschimmelt sein und
jetzt hatte er anscheinend derart das Stinken angefangen, dass sie
sich gezwungen fühlte, sich bei mir zu melden. Sie schreib:
Hey Elia,
habe morgen frei und wollte fragen
ob du Lust hast, heute noch was zu machen.
LG,
J
Heute? Montag um
halb zwölf Nachts? Das Mädel schien Humor und einen recht
standardisierten Arbeitsalltag zu haben. Aber lustig, dass sie nach
zwei Wochen mit soner Spontanattacke in fremde Häuser fällt. Ich
schrieb ihr zurück:
Hey J,
bin leider schon halb im Bettchen,
sonst wäre ich auf jeden Fall dabei! Wie sieht's denn die nächsten
Tage bei dir aus?
Elia
Sie schrieb mir
zurück, sie hätte Montag wieder frei, sonst immer Frühdienst. Ich
merkte an, dass man sich dann nur Sonntag treffen könnte,
beglückwünschte sie zu diesen großartigen Arbeitszeiten und fragte
sie noch, ob sie denn neulich nach dem Club noch gut nachhause
gekommen seien. Sie berichtete, dass es wohl schwer war den
Clubaufriss ihrer Freundin loszuwerden und dass sie mir zustimme was
ihre Arbeitszeiten anbelangt, wir uns, wenn es mir an einem anderen
Tag besser passe aber auch an jedem anderen Tag treffen könnten. Ok,
dachte ich mir, die Dame scheint interessiert. Blöd nur, dass sie
ein reiner Langeweile-Aufriss war und ich sie, soweit ich mich
erinnere, nicht besonders aufregend fand.
Ich hatte J und
ihre Anfrage schon wieder vergessen als Sonntag darauf um 15Uhr eine
SMS von ihr kommt:
Hey Elia,
ist heute Abend noch ins Auge
gefasst?
LG,
J
Ich hänge gerade
mit Wing2 am Telefon zu unserem üblichen
After-Weekend-Stand-Up-Comedy-Slam als ich ihre SMS lese. „Oh Mann,
was mach ich denn jetzt mit der Lady? Die scheint ja echt hartnäckig.
Geh ich mit der jetzt ein Bier trinken?“ frage ich ihn um Rat.
„Tja, wenn's dich nicht kickt, Lass es. Oder Lass es einfach drauf
ankommen und schau mal ob sich vielleicht doch was draus ergibt. Aber
wenn's dir Wurst ist, kannst du auch versuchen, sie zu dir zu
lotsen.“ gibt er trocken zurück. „Tja kein Plan, aber ich glaube
sie war nicht wirklich heiß. Ach, Fuck it. Ich mach den Faulen und
schau einfach ob die Dame sich bewegt“ beschließe ich und antworte
ihr:
Puh. Bin ganz schön mitgenommen vom
Wochenende. Wäre eher für was ruhiges. Wann hast du denn Schluss?
Sie antwortet
sofort:
Hab schon Feierabend. Bin gerade auf
dem Weg zu einer Freundin zum Essen. Was ruhiges... Was hälst du von
Tatort?
Oh, mann die Dame
will es wissen. Irgendwie fühle ich mich verpflichtet im Auftrag
meines ONS-Projektes und des Weltfriedens sie da zumindest nicht
auszubremsen. Als antworte ich knapp:
Essen erinnert mich an was! Tatort
klingt gut. Bei mir oder bei dir?
Ich finde Tatort
ziemlich panne. Aber darum geht es ja hier eh nicht. Ich werde hier
gerade, ohne etwas dafür tun zu müssen, gedated und zumindest
ansehen kann man sich die Lady dann ja mal. Sie erspart mir sogar
noch das Haus zu verlassen:
Ich glaube bei dir ist besser. Meine
Mitbewohnerin macht gerade riesen Aufräumaktion mit neuem Schrank
etc... Wo muss ich denn dann hin?
Ich gebe ihr meine
Adresse und schreibe ihr sie solle um 19:45 da sein, ich müsse noch
etwas arbeiten. So habe ich genug Zeit um mich noch unter die Dusche
zu stellen (die Hoffnung stirb zuletzt) und kurz meine Bude etwas
aufzuräumen.
Um 19:46 klingelt
es. Pünktlich. Die Begrüßung ist herzlich, wir gehen erst in die
Küche, machen uns Tee und dann in mein Schlafzimmer, wo mein Beamer
steht. Wir schauen von meinen Bett aus.
Tja da sitze ich
also mal wieder mit jemandem, den ich in einem Club angelabert habe
in meinem Bett. Das kommt mir bekannt vor. Nur dass es diesmal keine
drei Dates benötigt hat, sondern die Dame sich selbst im
Pizzaservice-Style an die Haustür geliefert hat. Der Vibe ist anders
aber trotzdem ähnlich. Ich kenne die Frau nicht. Ich finde sie nett,
aber nicht heiß. Sie ist nicht hässlich, sonder eher nicht wirklich
mein Geschmack. Andere würden jetzt schon am Fummeln sein, ich sitze
neben ihr und denke darüber nach, warum ich mich jetzt dazu zwingen
müsste. Sie trägt eine dunkelblaue Jeans-Hot-Pants über einer
dunklen Strumpfhose mit rosa Söckchen, die sie mir, so kommt es mit
vor, entgegenstreckt. Wir schauen den Tatort, trinken Tee, essen
Mandarinen und machen Witze über den fehlerhaften Plot. Als der
Tatort vorbei ist quatschen wir über dies und das. Das Gespräch
läuft parallel zu einem Gespräch, das ich in meinem Kopf jetzt mit
mir selber führe. „Warum eskalierst du nicht?“ „Weil ich keine
Lust dazu habe.“ „Hast du Angst vor einem Korb?“ „In keinster
Weise. Ich wäre eher dankbar. Ich finde sie nett. Aber habe weder
das Bedürfnis sie anzufassen noch zu küssen oder mit ihr zu
schlafen. Im Gegenteil. Ich müsste mich ernsthaft dazu zwingen diese
Frau derart nah an mich ranzulassen.“ „Was stört dich daran?“
„Ich kenne sie nicht und finde sie nicht heiß. Sie ist nichts
anderes als ein fremde Person mit einer Vagina. Daher fände ich es
unangenehm mit ihr intim zu werden.“ Während wir lachen und uns
über Familie, Berlin und sonst was unterhalten, beginne ich
innerlich Fehler an ihr aufzuzählen. „Sie hat kurze Beine. Ihre
Hände sind nicht schön. Sie hat irgendwie so kurze, dicke Finger.“
„Was ist das denn jetzt für ein blöder Excuse. Du sollst ihr ja
keinen Ring über den Finger ziehen.“ Ich stelle mir vor, wie sie
mich damit anfasst. Es bleibt dabei. Diese Frau weckt in mir nicht
das geringst Bedürfnis mit ihr körperlich zu werden.
Wir verstehen uns
gut. Sie macht keinerlei Anstalten nachhause zu gehen. Es wird spät.
In meinem Kopf ist die Entscheidung schon lange gefallen. Ich werde
natürlich nicht mit ihr schlafen. Ich kann mich weder dazu überreden
noch kann ich den Gedanken abstellen, dass es idiotisch ist, sich
dazu zu zwingen mit jemandem Sex zu haben, wenn man es einfach nicht
will.
Um 1Uhr schaue ich
auffallen auf meine Uhr. Sie hat den Wink verstanden. Sie fragt wie
lange die U-Bahnen hier fahren. Ich erkläre ihr wie sie zur nächsten
Station kommt und fühle eine komische Mischung aus Erleichterung und
schlechtem Gewissen. Sie hat mir noch von dem Abend in dem Club
erzählt, und dass ihre Freundin ihren Clubaufriss zwar an dem Abend
nachhause geschickt hat, ihn aber am nächsten Abend besuchte um Sex
mit ihm zu haben. Ich habe ihren Wink auch verstanden. Aber ich bin
zu dem Schluss gekommen, dass ich eben nicht bin wie manche andere
Kerle und dass es mir nichts bringen würde mit ihr zu vögeln nur um
der Reibung und der Schleimhäute willen. Ich funktioniere nicht so.
Ich bin offensichtlich ein wenig komplizierter. Oder anspruchsvoller,
egal wie man es nennen will.
Letzte Woche
Sonntag habe ich also zumindest teilweise das Projekt ONS auf Eis
gelegt. Ich habe PU begonnen um mehr Spaß zu haben. Um mehr
Möglichkeiten zu haben, Spaß haben zu können und um mehr Frauen
kennenzulernen. Ich habe beschlossen, zu tun worauf ich Lust habe und
wenn mich ein Mädchen im Club reizt werde ich versuchen zu
eskalieren und sie mitzunehmen. Aber mich zu etwas zu zwingen, worauf
ich keine Lust habe, kann für mich nicht der Sinn hinter PU sein.
Wenn ich nicht eskaliere, aber Sex mit ihr haben möchte, wäre das
ein Problem. Wenn ich aber keinen Sex mit dieser Frau haben möchte
gibt es auch kein Problem. Und ich muss mir kein drittes, viertes und
fünftes Mädchen ins Bett zu setzen um zu verstehen, dass die
Kombination Frau plus Bett bei mir noch nicht genügt um automatisch
zu Sex zu führen.
Ich hoffe es ist
niemand enttäuscht. Ich persönlich sehe es als Erkenntnis.
Freitag hat sich,
entgegen aller Erwartungen K gemeldet. Das Mädchen, dass ich wegen L
habe alleine in den Club gehen lassen. Ich habe ihr heute
zurückgeschrieben. Mal sehen, was sich daraus ergibt. Ansonsten
hoffe ich, dass L bald wieder gesund ist. Und ich bald wieder gesund
bin. Und ich hoffentlich bald mal konkreteres zu dieser Geschichte
schreiben kann.
Elia
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