21. Februar 2013

Who killed Bambi?

Fuck. Fuck, fuck, fuck. Ich rolle mich seitlich von meinem Laptop weg und starre an die Decke. Zehn Minuten bleibe ich so liegen. Mir geht’s beschissen. „Rock bottom“ flüstere ich in mein leeres Schlafzimmer bevor ich mich aufsetze und den Kopf in die Hände lege. Weitere Minuten vergehen während ich spüre wie der Klos in meinem Hals langsam zum Stein wird und dann aufgrund seines Gewichtes die Speiseröhre runter in meinen Magen rutscht. Als er unten angekommen ist stehe ich auf und gehe stumpf und ferngesteuert in die Küche. Ich schenke mir einen sehr freundlichen doppelten Jameson ein und nehme einen ersten Schluck. Den Rest vernichte ich noch auf dem Rückweg ins Schlafzimmer. Es ist Dienstag Abend und ich trinke schon wieder Whisky. Dabei war ich Freitag und Samstag bis in den frühen Morgen durch die Bars gezogen. Ich stelle mein Glas ab und greife mir meine Jacke.

Es ist schweinekalt und schneit in winzigen, kristallernen Flocken. Die Straße ist nass und leuchtet durch die Straßenlaternen gelb. Dass die Tür hinter mir ins Schloss fällt höre ich nicht mehr. Ich drehe meinen MP3-Player voll auf und mir dröhnt Nada Surf Popular in den Ohren.
There's still a feeling of rejection
When someone says she prefers the company of others
To your exclusive company,
But if you're honest, and direct,
And avoid making a flowery emotional speech when you break the news,
The boy will respect you for your frankness,
And honestly he'll appreciate the kind of straight forward manner
In which you told him your decision
Unless he's a real jerk or a cry baby you'll remain friends
Cry Baby, das ist es was ich bin. Drama-Queen, AFC mit bösen Anzeichen einer Oneitis. Hoffnungsloser Romantiker, der selbst mit Mitte 30 mal wieder auf Hollywood reingefallen und wie jedes Mal, in vollem Lauf, gegen die selbe scheiß Wand gelaufen ist. Boom. Autsch.

Dass ich schon wieder in die Bar gehe habe ich niemandem gesagt. Wing2 würde mich wohl endgültig für verrückt erklären. Drei Nächte in fünf Tagen. Mein Magen bedankt sich schon auf dem Hinweg im Voraus lautstark. Was ich dort suche? Alkohol. Bambi. Alkohol und Bambi. Jemanden zum reden. Antworten. Vielleicht jemanden zum ficken? Naja, das ist wohl eher ein frommer Wunsch.

Aber erst mal der Reihe nach. Was war passiert?



Freitag. Playing the Game.


Ich ging Freitag wie immer mit Wing2 aus. Gegen 23:00Uhr landeten wir natürlich in der Stammbar. Ich hatte die Hoffnung und den Plan Bambi zu treffen und endlich eine Art Entscheidung zu erzwingen, um dieses Endlosprojekt zu irgendeinem Abschluss zu bringen. Bambi war nicht da. Meine Stimmung sank erstmal um einige Meter. Wir bestückten uns also mit Bier und platzierten uns an der Bar. Kurzer Scan. Target detected. Klein, rotblonde Haare, Puppengesicht und ein Lachsfarbenes Minikleid in einer Bar in der 99,9% aller Gäste von Kopf bis Fuß schwarz tragen. Sie leuchtete förmlich am anderen Ende des Tresens. Ich versuchte Augenkontakt aufzubauen. Es kam leider nicht viel zurück. Sie war allerdings auch im Gespräch mit einem anderen Typen. Ich entschied mich für Abwarten. Zum Zeitvertreib startete ich die Versuchsreihe “Wie viele Worte sind nötig um eine Frau in eine Bar zu lotsen“ und versuchte es mit einer SMS an C. Die SMS bestand aus dem Namen der Stammbar und einem Fragezeichen.

Nach unserem ersten Bier hing Wing2 plötzlich an einer großen Dunkelhaarigen. Das war dann auch für mich der Startschuss. Ich entdeckte meinen unfreiwilligen Wing vom letzten Wochenende in der nähe meines Targets. Bingo. Der Kollege ist ohne es zu Wissen echt hilfreich. Und lustigerweise stehen Beide auch in der selben Ecke der Bar wie letzte Woche, nur dass das Mädel ein anderes ist. History repeating. Also ging ich zu ihm und unterhielt mich eine Runde mit ihm. Er kannte mein Target – wie letztes Mal. Sie waren aus der gleichen Heimatstadt. Außerdem erzählte er mir, dass sie einen Freund habe, aber wohl kein großer Fan von Treue sei. Madame ging kurz weg und als sie wiederkam, hatte ich mich an ihren Platz an der Bar gestellt. Simpler aber effektiver Opener.

I: Oh, sorry. Ich wollte dir jetzt nicht deinen Platz wegnehmen.

V: Schon in Ordnung. Kein Problem.

Mein “Wing3“ stellt uns vor.

W3: Äää, V das ist Elia. Elia, das ist V.

I: V? Oh mein Gott. Was für ein schöner Name! Ich kenne nur tolle Frauen mit dem Namen.

Ich gebe ihr die Hand, halte ihre aber extrem lange mit beiden Händen während ich ihr direkt in die Augen sehe (credits to Aaron Sleazy). Sie zieht ihre Hand nicht zurück. Sie hält den Augenkontakt und fängt an zu lächeln.

V: Wirklich? In Filmen sind Vs doch meist die Schlampen und Schlangen.

I: Ist das so? Und was bist du?

Sie ist verwirrt, muss lachen und beginnt mir von sich zu erzählen. Das Mädel studiert ein extrem spannendes Politikfeld zu dem ich auch relativ viel zu erzählen habe. Wir verstehen uns ziemlich gut. Leider verrutscht mir gegen Mitte des Gesprächs ein Neg ein klein bisschen in Richtung Rainer Brüderle.

I: ...Wow. Das ist ja echt spannend was du da machst. Als ich dich vorhin von da hinten gesehen habe, dachte ich du wärst einfach nur hübsch.

Hupsi. Naja, gesagt ist gesagt. Madame wiederholt den Satz und ist mittelmäßig empört. Ich versuche mich rauszuwitzeln. Mit nicht komplett durchschlagendem Erfolg. Mich erlöst C indem sie mir auf die Schulter tippt. Merke – ein Wort kann genügen um eine Frau in eine Bar zu lotsen. Wie ist das noch zu unterbieten? Nächstes Mal versuche ich es mit einem Fragezeichen. C ist sehr gesprächig und zieht mich förmlich von meiner rothaarigen Schönheit weg. Wir quatschen 10 Minuten und landen (wie immer mit C) ziemlich schnell bei sexuellen Themen. Plötzlich steht Wing2 mit Jacke in der Hand vor mir und erklärt er sei müde, die Stimmung in der Bar komisch und er würde sich jetzt auf den Weg nachhause machen. C verschwindet etwas übereilt. Dass die Kombination C und Wing2 nicht funktioniert hatten wir neulich schon festgestellt. Während ich C verabschiede und versuche noch ein paar sinnvolle Worte mit Wing2 zu wechseln, schaltet sich die kleine Rothaarige wieder ins Gespräch ein. Ich fühle mich mit drei Gesprächspartnern etwas überfordert. Wing2 scheint wirklich ziemlich durch zu sein und als auch noch “Wing3“ dazustößt verlässt Wing2, aufgrund der fehlenden Aufmerksamkeit meinerseits, kurzerhand die Bar.

Da stehe ich nun also mit “Pseudo-Wing3“, der mir irgendwas wichtiges mitteilen möchte aber schon wieder lallt, der rothaarigen V, die auf mich den Eindruck einer “attention whore“ macht, die immer wieder aufkreuzt, sobald sie sich nicht angegafft fühlt und bin jetzt in einem Zug C und meinen Wing los geworden. Great. Ich entscheide mich aus dem Bauch heraus für eine neue Runde mit V, spreche sie auf ihre Sommersprossen an woraufhin sie höflich zurück flirtet und sich ein wenig in meiner Aufmerksamkeitspfütze hin und her rollt. Ihre Freundin stößt dazu und ich will gerade zur Zweitattacke blasen, als mich schon wieder mein Pseudo-Wing unterbricht. Der Mann ist betrunken und frustriert. Blöde Kombination. Er erzählt mir, er hätte einer kleinen Blonden gerade einen Drink spendiert und sich mit ihr unterhalten, aber jetzt sei ihre dicke, große Freundin dazugekommen und sie würde ihn nicht mehr beachten. Ich fühle mich zu einer guten Tat berufen, lasse V und Freundin stehen, ziehe mir mein Superheldenkostüm an und erkläre Mr Frust die Regeln. „Schon mal was von einem Wing-Man gehört?“ frage ich ihn an der Bar. „Irgendwie ja, keine Ahnung ist das nicht aus dieser Fernsehsendung?“ antwortet er. Ich entscheide mich dagegen einen längeren Vortrag zu halten. „Komm einfach in 2 Minuten nach“ sage ich kurz, halte mir meinen Umhang vor den Mund, lache düster, springe in einem Rückwärtssalto über das 4er-Set hinter mir und lande neben seiner Blonden und ihrer dicken Freundin.

I: Sag mal du bist doch sicher aus Köln, oder? Deine Lache hab ich jetzt schon zwei Mal quer durch die ganze Bar gehört.

Die Dicke ist aus meiner Heimatstadt, nicht aus Köln, aber umso erfreuter über einen Approach. Ihre kleine Freundin ist sofort vergessen. Nach zwei Minuten sehe ich aus dem Augenwinkel wie mein torkelnder Freund grinsend von seinem Barhocker rutscht und zu seiner blonden Eroberung zurückkehrt. „Ich geb dir ne halbe Stunde“ denke ich mir und beobachte, wie V und ihre Freundin sich in eine Ecke setzen.

Nach 30 Minuten reiße ich mich aus den Fängen der dicken Frau los und suche V. Ich finde sie mit ihrer Freundin im Gespräch mit zwei tätowierten Langhaarigen. Dammit! Na was soll's. Weiter an die Bar. Dort renne ich förmlich in ein wirklich niedliches, kurzhaariges Mädchen mit viel zu vielen Bierflaschen im Arm. Einer ihrer Bekannten kommt um ihr zu helfen. Ich erkenne einen Wiener Dialekt. Mein Lieblingsdialekt. Ich bleibe vor ihr stehen und grinse sie an.

Das “Spiel“ machte mir an diesem Abend zum ersten Mal wirklich durchgehend Spaß. Mit Bambi in der Bar, wäre die Nacht perfekt gewesen.

Sie bemerkt mich und lächelt zurück. Ich spreche sie auf ihren Dialekt an und wir sind sofort im Gespräch. Mit Wien lag ich absolut richtig und niedlich ist sie wirklich. Allerdings bemerke ich nach kurzer Zeit einen unangenehmen staubig/schimmligen Geruch. Ich schiebe es auf die Bar und sehe mich nach der Quelle um. Ich kann nichts entdecken und da wird mir plötzlich klar, dass die Ursache des Geruchs direkt vor mir steht. Ich bin in meinen Grundfesten erschüttert und muss mich zwei Mal vergewissern. Ich kann es kaum glauben, da ich bisher davon ausgegangen war, alle Frauen der Welt würden grundsätzlich nach Blumen oder Pfirsichen riechen, aber es ist wie es ist: Das niedliche kleine Mädchen mit dem bezaubernden Lächeln vor mir, riecht wie ein besetztes Haus nach dem Punk-Konzert. Ich liebe Punk-Konzerte. Aber ich will sie nicht in meinem Schlafzimmer haben und so entscheide ich mich für einen geordneten Rückzug der Truppen.

Mein “Wing“ ist, wohl auf Grund der Altersbegrenzung, aus seinem Set geflogen (ich hatte mich schon gewundert, da ich wusste, dass er zehn Jahre jünger als ich ist) und wartet bereits an der Bar auf mich. Dort erfahre ich durch Zufall, dass Bambi Samstag anwesend sein wird und beschließe sofort, die Nacht nicht unnötig in die Länge zu ziehen um noch Energiereserven für den nächsten Abend zu haben. Ein hübsches, betrunkenes Polnisches Mädchen neben mir kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen. Also starte ich den letzten Approach des Abends. Wirklich sweet, aber auch wirklich betrunken. Die Dame lallt mir in bezauberndem Englisch einige Geschichten ins Ohr, dann beschließe ich sie der Meute zu überlassen und mich lieber auf den Heimweg zu machen um morgen fit für die Rehjagd zu sein. Ich verabschiede mich höflich und mache mich voller Pläne und Tatendrang auf den Nachhauseweg.



Samstag. Die Geister, die ich rief. Oder: Number-closing Bambi.


Ich gebe zu, ich war nervös als ich mich Samstagabend für die Bar fertig machte und aus dem Haus ging. Meine Musikauswahl auf dem Weg hätte auch die Dauerbeschallung eines Box-Trainingslagers sein können. Kurz vor der Bar checkte ich nochmal das Mitbringsel, das ich für Bambi dabei hatte. Dann ging's los. Helm auf. Die Klappe des kleinen Bootes ging auf und wir wurden raus gestoßen. Mir ging das Wasser bis zur Hüfte und alles was ich hörte was das MG-Feuer vom Strand. Ich dachte nur noch „Los jetzt“.

Ich kam in die Bar und hatte praktisch schon in der ersten Sekunde Augenkontakt mit Bambi. Sie lächelte und ich lächelte brav zurück. Sie arbeitete mit einer Kollegin zusammen. Ich sagte hallo zu einigen Bekannten und ging dann an die Bar, einige Meter von beiden weg. Bambi kam sofort zu mir und fragte, was ich denn gerne trinken würde. Ich quetschte sie zu meinem verschwommenen Abend von neulich aus, aber wie es schien hatte ich mich nicht daneben benommen. Als mir Bambi mein Bier hinstellte schob ich ihr das Reh-Geschenk über den Tresen und erklärte ihr die Idee dazu. Sie musste lachen und schien etwas aufgeregt. „Darf ich's aufmachen?“ fragte sie und zog dann das Gummiband von der Papierrolle. „Oh wow. Das ist echt cool. Das kommt in meine Küche!“ erklärte Bambi und begann einen Kurzvortrag über die Schönheit Kommunistischer und Faschistischer Propaganda-Kunst der mit dem herrlichen Satz endete „Absehen davon, dass sie so viel gemordet und vergewaltigt haben, haben sie wirklich tolle Bilder gehabt“. Ich entspannte mich langsam als ich merkte, dass ich keine Kratzer im Gesicht zu befürchten hatte.

Bambi musste weiterarbeiten und ich unterhielt mich ein wenig mit “Wing3“ vom Vorabend, der immer noch tief beeindruckt von der, für ihn neuen, Wing-Technik war und mir berichtete er hätte in der Nacht noch ein Mädel mit nachhause genommen. Ich gratulierte ihm dazu, gab meinem inneren Neid-Zwerg eins auf die Fresse, damit ich außer ihm wieder was hören konnte und setzte mich dann an meinen Lieblingsplatz an die Bar. Der Laden füllte sich gerade ziemlich und ich überlegte, wie ich die Stunden bis zu Bambis Feierabend wohl am amüsantesten rum bringen sollte als Bambi mir kommentarlos eine leere Flasche Whisky hinhielt und mich pantomimisch bat, den Ausgießer abzuziehen. Der hoffnungslose Romantiker in mir musste sich ein wenig Pipi aus dem Augenwinkel wischen weil es ihn so sehr an das berühmte Senfglas erinnerte und ich setzte möglichst cool und männlich dazu an, den Gummistöpsel aus dem Flaschenhals zu ziehen. Natürlich klappte es nicht und ich hatte plötzlich den Ausgießer in zwei Teilen in der Hand. Jedoch schaffte ich es noch hektisch und schnell genug, bevor Bambi einen neuen aus der Schublade holen konnte, das Teil wieder zusammen zu friemeln. Puh. Naja... Ich hoffte das war kein entscheidender Test.

Die Kommunikation an der Bar war schwierig und ich wollte den Eindruck einer Belagerung möglichst lange vermeiden. Also stellte ich mich in eine andere Ecke der Bar und langweilte mich ein wenig vor mich hin. „Tja das können jetzt ziemlich lange sechs Stunden werden“ dachte ich mir und beschloss daher mein SMS-Spiel vom Vorabend weiter zu spielen. Ich schickte also eine SMS bestehend aus nur einem einzigen Zeichen an K.

Die Antwort kam schneller und war witziger als erwartet (Man bedenke es war fast Mitternacht):

Hey, stehe gerade auf...jetzt nur noch einen irish-coffee Abklatsch...da keine Sahne mehr im Haus und dann fast unterwegs...

„Willkommen in Berlin“ dachte ich mir zum tausendsten Mal seit ich vor über zehn Jahren in diese Stadt gezogen war und trank, zufrieden am richtigen Platz auf der Welt zu sein, darauf einen großen Schluck Bier.

Mein meistens betrunkener Barfreund kam gerade von Draußen herein und teilte mir stolz mit, dass jetzt gleich seine vielleicht zukünftige Mitbewohnerin hier aufschlagen werde. Das Mädel sei 19 und eine begabte Künstlerin, die morgen ihre Ausstellung in einer nicht gerade kleinen Galerie eröffnen würde. „Danke für die Info du Honk. Das hättest du mir auch 5 Minuten früher sagen können“ dachte ich mir „Jetzt habe ich gerade vor Langeweile eine über-dreissig-jährige, erfolglose Künstlerin hergesimst. Wie soll das denn jetzt bitte aussehen?“

Die Neunzehnjährige war natürlich wesentlich flinker und betrat die Bar schon nach wenigen Minuten. Zu dem Zeitpunkt schlürfte meine Künstlerin wahrscheinlich noch an ihrem Irish Coffee mit H-Milch. Ich kam derart schnell mit ihr ins Gespräch, dass ich schon Angst hatte mein Barfreund wäre jetzt beleidigt. Wir hatten einen extrem ähnlichen Kunstgeschmack und daher reichlich Themen. Mein Barfreund verließ irgendwann den Tisch. Nach einer halben Stunde kam K in die Bar. Sie kam direkt zu mir und ich fand mich in einer ähnlichen Situation wieder wie eine Woche zuvor. Die beiden kannten sich nicht und in der Bar war es zu laut um entspannt ein Gespräch zu dritt zu führen. Ich wußte nicht, mit welcher der beiden Ladys ich jetzt quatschen sollte und wechselte so immer nach einer gefühlten viertel Stunde zur anderen, was zur Folge hatte, dass immer eine der beiden gelangweilt an ihrem Drink nippte. Zu meiner Erleichterung war es selten diejenige mit der ich mich gerade unterhielt.

Nach einer geschätzten Stunde Gespräch-links, Gespräch-rechts fühlte ich mich wie ein Tennisball, zumal die Themenwahl der Beiden auch noch so extrem unterschiedlich war. Die Neunzehnjährige verabschiedete sich, lud mich zu ihrer Ausstellung ein und drückte mir zu guter Letzt noch ihre Nummer in die Hand. Die restliche Nacht quatschte ich mit K. Wie C auch, erzählte auch K mir so gegen 5:00Uhr Nachts dann in einem Nebensatz, dass sie seit 7 Jahren mit ihrem Freund zusammen ist. Im Gegensatz zu C wohnt K zwar nicht mit ihm zusammen, ist dafür aber wohl schon halb verheiratet. Beides Frauen, die ich in einer Bar angesprochen habe. Beides Frauen, die mir in einer Bar ihre Nummer gegeben haben. Beides Frauen, die mich doppelt so oft kontaktieren, wie ich darauf reagiere. Beides Frauen, die sich seit längerem Nachts mit mir in Bars treffen. Frauen machen mir manchmal Angst.

Ich versuchte ihre Aussage möglichst zu überhören. Sie bestand allerdings darauf, mir ihre Beziehungsprobleme offen zu legen. Nach einer knappen Stunde Beziehungs-BlaBla tropfte mir Blut aus dem linken Ohr. Ich sah mich gezwungen etwas zu tun, wenn ich diese Nacht unbeschadet überstehen wollte um noch Bambis Feierabend zu erleben. Ich unterbrach K und erklärte ihr, dass wenn sie Lust habe zu tanzen, sie heute ruhig früher in Club1 gehen könne, da ich heute so oder so bis Feierabend hier bleiben würde, weil ich es auf Bambi abgesehen habe. Ich erklärte ihr, dass ich es schon lange auf Bambi abgesehen habe und heute Nacht irgendeine Reaktion von dem kleinen schwarzen Paarhufer sehen wolle um nicht länger meine Zeit und meine Energie sinnlos zu verpulvern. K war sichtlich perplex. Sie erklärte mir, dass es eine schlechte Idee wäre hier zu warten und irgendetwas zu erzwingen. Mir war ihre Meinung dazu herzlich egal. Es war zwischen all den Geschichten ihrer langweiligen Beziehung mit einem langweiligen Mann sehr spät geworden, die Bar hatte sich stark geleert und Bambis Feierabend kam immer näher. Ich wollte K hauptsächlich los werden, um mich jetzt auf die Rehjagd vorbereiten zu können.

Ich ging erstmal zum Nachtanken an die Bar. Bambi kam mir auf der anderen Seite entgegen. Ich wollte gerade etwas sagen als sie ihren Kopf etwas schräg legte, mich seltsam anlächelte und dann vielsagend seufzte.

B: Ach... Elia.

I: Ääää.... ach.... Bambi?

Sie lächelte mich breit an. Die Situation fühlte sich “ungewöhnlich“ an.

I: Ich glaube du hast mich noch nie Elia genannt...

B: Ich war jetzt so lange zuhause gesessen. Heute lasse ich die Sau raus.

I: Aha, was ist denn noch geplant?

B: Ich gehe nachher noch in ...(ClubX)...

Ich bestellte noch einen Whisky und ging zurück zu K, die in der Ecke auf mich wartete. Die Situation mit Bambi verwirrte mich immer noch als K auf die Idee kam, es wäre ein guter Zeitpunkt um jetzt vieldeutig zu werden.

K: Also, da ist die Sache mit meinem Freund, aber da gibt es noch etwas anderes.

I: Ok. Was denn?

K: Nein. Nein, ich bin zwar betrunken, aber so betrunken bin ich noch nicht.

Ich war zu abgelenkt und zu wenig interessiert um darauf weiter einzugehen. K fing jetzt an, auf mich einzureden, ich solle doch mit ihr jetzt in Club1 mitkommen. Ich erklärte ihr nochmals die Situation mit Bambi und sagte ihr, sie solle doch tanzen gehen, ich würde ja eventuell nachkommen. Sie war nicht loszuwerden. Die Bar war mittlerweile fast leer. Ich versuchte eine weitere halbe Stunde K hinaus zu komplimentieren. Am Schluss waren wir nur noch zu viert. Bambi, eine sturzbetrunkene Transe, K und ich. K stand inzwischen mit Jacke nahe der Tür und starrte mich seltsam an. Bambi bat mich, den Säufer doch bitte aus der Bar zu führen. „Welchen von beiden?“ dachte ich mir nur und erklärte der betrunkenen Transe, dass sie/er jetzt gehen müsse. Seltsamerweise ging K gleich mit. Ich stellte mich wieder zu Bambi, die am Aufräumen war und wollte gerade ein wenig smalltalken, als K plötzlich wieder stumm in der Bar stand. „Jetzt wird’s aber langsam nervig“ schrie ich in mich hinein und sah keinen anderen Weg als mit ihr nach draussen zu gehen. Draussen redete sie weiter auf mich ein mit ihr in einen Club zu gehen. Es mache doch keinen Sinn, ich werde hier noch hundert Mal vor der Bar warten und so weiter und so weiter. Ich überlegte, ob K als “Social Backup“ eventuell doch noch Sinn machen würde. Ich konnte mich mit ihr darauf einigen in ClubX zu gehen, in der Hoffnung, Bambi würde dorthin nachkommen. Dort angekommen standen wir vor verschlossener Tür. K schlug Club1 vor. Mir wurde langsam mulmig. Ich hatte jetzt sechs Stunden gewartet um Bambi zu closen und wollte das nicht wegen K verpassen. Ich trottete trotzdem mit ihr zu Club1 und hoffte, dass Bambi später die gleiche Idee haben würde. In Club1 war die Musik bereits aus und die Türsteher dabei die Alkoholleichen vor die Tür zu setzen. Wir machten uns auf den Weg zu Club2. Mein schlechtes Gefühl, Bambi heute nicht mehr zu sehen wuchs mit jedem Locationwechsel.

In Club2 war noch Remmidemmi. Wir stellten uns an die Bar, bestellten zwei Bier und innerlich überlegte ich mir bereits Foltermethoden, sollte ich wegen K jetzt wirklich meinen Bambi-Close verpasst haben. K wollte unbedingt tanzen, aber ich weigerte mich. Sie ging also alleine tanzen und ich stand am Rand der Tanzfläche und schüttete Bier auf meinen Frust. „Was ist denn jetzt hier wieder falsch gelaufen? Der Abend sollte doch mit einer ganz anderen Frau enden“ dachte ich, als mein Blick auf den Eingang fiel. Wie am Anfang des Abends trafen sich unsere Blicke schon im Türrahmen, nur dass sie diesmal rein kam. Bambi lächelte mir kurz zu und ging dann an die Bar. Mein Kopf entspannte sich sofort. Ich blickte Richtung Tanzfläche und sah der betrunkenen K zu. Als ich mich wieder im Raum umsah, entdeckte ich Bambi, die sich direkt neben mir auf ein Podest gesetzt hatte und mich von unten angrinste. Ich musste praktisch nur einen Schritt zur Seite gehen und mich neben sie setzen.

Wir fingen an zu quatschen. Während des Gesprächs fiel mir mir auf, dass sie mit einem Fuß die ganze Zeit nervös am zappeln war. Ich lenkte das Gespräch auf ein Theaterstück, von dem ich dachte es müsste sie interessieren. Ich hatte mir das Stück als „Notfallplan“ zurechtgelegt falls sich keine andere Möglichkeit ergeben sollte nach ihrer Nummer zu fragen. Mitten in meiner Erzählung über das Stück, unterbrach mich Bambi, grinste kurz und meinte dann:

B: Das klingt ja so als würdest du dir das Stück total gerne ansehen. Wenn ich mitkomme.

Ich war erstmal etwas überfordert von ihrer provokanten Formulierung, wobei sie es ja nur nüchtern auf den Punkt gebracht hatte.

I: Äää... Ja. Könnte man so sagen.

B: Aha. Also... Ja, nein. Also ja! Das interessiert mich, ja. Ich würde mitkommen, klar. Also ja.

I: Na dann...äää... Schick ich dir mal die Infos zu?... Hast du ne E-Mail-Adresse?

Innerlich trat ich mir dafür kräftig gegen das Schienbein. „E-Mail-Adresse?“ dachte ich „Du fängst jetzt wieder mit deinen beschissenen E-Mail-Closes an, du Depp? Das ist Bambi! Reiß dich jetzt mal zusammen!!“. Bambi musste mir meinen Monolog angesehen haben, denn sie griff beherzt auf meine Seite und übernahm das Steuer:

B: Ähm. Ja aber vielleicht ist es besser ich geb dir mal meine Telefonnummer und du rufst dann einfach spontan mal an.

Ich konnte es kaum glauben. Hatte sich das Reh gerade selbst geclosed? Ich griff sofort in meine Tasche, kramte mein Handy raus, Tippte ihren Namen ein und hielt es ihr hin. Bambi tippte ihre Nummer ein und gab es mir zurück. Wir redeten noch einige Minuten, bis K meinte es wäre mal wieder an der Zeit sich vor uns zu knien und sich ins Gespräch zu drängeln. Da sie Bambi konsequent ignorierte, stellte sich Bambi nach einigen Minuten selbst vor. K gab mir zu verstehen, sie würde jetzt gehen, es sei ja schon früh am Morgen. „Ja, bitte. Tu das endlich!“ dachte ich mir. Sie zog sich ihre Jacke an und ging. Ich fühlte mich etwas erleichtert und kümmerte mich wieder um Bambi. Inzwischen war noch ein Bekannter von Bambi dazugestoßen. Kaum war ich mit ihm etwas im Gespräch, stand K wieder vor mir. Ich traute meinen Augen nicht. War diese Frau etwa nicht in der Lage einfach mal nachhause zu gehen? Sie erklärte mir, es sei so hell draußen und sie habe doch gedacht ich würde mitkommen. „Nein“ korrigierte ich sie, ich hätte nicht vorgehabt mit zu kommen, ich wolle noch etwas hier bleiben. Nach langem Kampf und mehrfachen Verabschiedungen konnte ich K dann aber doch überzeugen zu gehen. Und diesmal blieb sie auch weg. Ich hing noch eine Weile im Club rum, wobei mich Bambis Bekannter ziemlich in Beschlag nahm. Dann ging ich mit ihm und Bambi in Richtung U-Bahn. Ich verabschiedete beide und sagte ich würde mir ein Taxi nehmen. Ich lief eine Weile und sah den Leuten beim Brötchen holen zu. Es war inzwischen reichlich morgendlicher Betrieb auf den Straßen. Dann setzte ich meine Kopfhörer auf, beschloss den ganzen Weg zu laufen und ging mit tänzelnden Ausfallschritten, hüpfend und springend und mit wehenden Zöpfen nachhause. Vor dem Einschlafen checkte ich nochmal ob ich wirklich die Telefonnummer des Rehs in meinem Handy hatte und fiel dann rückwärts in die Kissen.



Der Bittere Nachgeschmack.


Sonntag verbrachte ich im Bett. Ich fühlte mich noch nicht in der Lage mich bei Bambi zu melden. K schrieb mir, sie hätte eine sehr gefährlich Fahrt auf dem Fahrrad gehabt, aber den Abend hätte sie sehr genossen. Karten für das Theaterstück waren nicht mehr zu bekommen und ich musste auf die Abendkasse hoffen. Montag Mittag schrieb ich Bambi eine SMS:

Hey Bambi. Das Stück (morgen) ist natürlich ausverkauft. Aber die geben ab 17Uhr die Reservierungen frei. No risk, no fun? Dabei? Elia.

Es kam den ganzen Montag keine Antwort. Gegen Abend wurde ich extrem nervös. Es kotzte mich an, dass ich eine SMS geschrieben hatte, statt anzurufen und es kotzte mich noch mehr an, dass sie sich nicht meldete. In meinem Frust machte ich für den nächsten Tag ein Date mit J, meiner “ex-Affäre“ zum Kochen bei mir aus. Den Dienstag musste ich arbeiten, was eine gute Ablenkung war. Kurz vor Ende des Jobs kam eine SMS von J, sie sei extrem schlecht drauf wegen einer Jobabsage und ihrer Trennung und würde lieber ein anderes Mal vorbeikommen. Verdammt. In meiner Verzweiflung schrieb ich kurz mit Lolita, dem Kätzchen, das sich gerade in Berlin herumtrieb. Sie antwortete mir, sie sei schon auf dem Weg zu dem PickUp-Autor bei dem sie momentan nächtige. Bumm. Der Abend schien nicht zu retten. Und so machte ich mich an einem Dienstag Abend auf den Weg in die Bar. Bambi war (wahrscheinlich zum Glück) nicht da. Ich schrieb K und C die gleiche SMS. Den Namen der Bar und ein Fragezeichen. Keine hatte Zeit. Ich trank ein paar Bier und ging wieder nachhause.



Jetzt Und Hier


Da ich den Text in mehreren Etappen geschrieben habe sind dazwischen zwei Tage vergangen. Gestern Abend hat sich K gemeldet, ob ich Lust hätte in die Bar zu kommen, sie sei auf dem Weg. Ich antwortete ich wäre schon halb im Bett, aber wer denn hinter der Bar arbeite (Was für eine fiese Antwort eigentlich). Sie schrieb zurück Bambi sei hier, aber sie selbst würde nicht allzu lange bleiben. Ich musste mich zwei Mal auf dem Weg ins Bad zur Ordnung rufen, um nicht wie ein ferngesteuerter Idiot los zu tigern, nur weil jemand mein Lieblingsreh erwähnt hat. Als ich zum zweiten Mal in mein Schlafzimmer zurückkehrte summten zwei SMS in meinem Handy. Eine von K, sie würde bald gehen aber die Musik sei gut und eine von Bambi. Bambi schrieb:

Sorry Elia hab's voll versemmelt...wollte mich eigentlich noch melden bei dir.

Mehr nicht. Ich war erstmal zwanzig Minuten damit beschäftigt mir selbst das Handy aus der Hand zu nehmen, um ihr nicht sofort zu antworten. Kurz überlegte ich, ob es einen Zusammenhang zwischen Bambis SMS und Ks Aufenthalt in der Bar gäbe. Haben die zwei gerade über mich geredet? I hope not!

Heute morgen habe ich ihre SMS nochmal gelesen und weiß nach wie vor nicht, ob oder wie ich darauf antworten soll. Bisher ist mein Plan, gar nicht zurück zu schreiben, da man sich ja sowieso demnächst wohl wieder in der Bar begegnen wird und sie mich praktisch ja fast drei Tage hat auf eine Antwort von sich warten lassen – was irgendwie ja auch eine Aussage ist.

Allerdings bin ich kein wirklicher Fan von freeze-outs und das könnte auch irgendwie nach beleidigter Leberwurst aussehen...

Gerade hat mich J für Sonntag Abend in ihre neue Wohnung zum Kochen eigeladen. Anlauf Nummer drei sollte dann vielleicht auch mal klappen.

Wie ich weiter mit Bambi verfahren soll, weiß ich noch nicht. Tipps anyone?


Elia

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