28. März 2013

Bambi goes schizo

Allen die schon bei dem Wort Bambi die Augen genervt nach oben verdrehen – und mittlerweile nehme ich mich da nicht einmal mehr ganz aus – sei an dieser Stelle dringend dazu angeraten diesen Text zu überspringen. Allen anderen Hobbyanalysten viel Spaß beim Lesen. Ich muss gestehen, dass ich mich die letzten Tage – eigentlich sind es fast Wochen – heimlich ein wenig davor gedrückt habe den vorletzten Freitag niederzuschreiben, weil ich selbst mich schon gar nicht mehr wirklich gerne mit dem Thema Bambi auseinandersetze. Aber gut, was einmal begonnen wurde und so weiter, und auch der Vollständigkeit halber hier also die Zusammenfassung meines letzten Abends in der Stammbar:

Es war Freitag und ich war alleine in die Stammbar gezogen. Am Eingang begrüßten mich C und ein guter Bekannter. Die Bar war relativ voll aber das Publikum leider recht langweilig. Eigentlich hatte ich vor bis 2 oder 3 zu trinken und dann in Club1 zu gehen.

Als Bambi sich durch die Gästemenge hindurch an mir vorbei zwängt und mich entdeckt werde ich mit Küsschen und Umarmung reichlich herzlich begrüßt. Ich hatte mir – oh wartet mal auf dem Satz liegt schon ziemlich dick Staub – vorgenommen sie herzlich aber nüchtern wahrzunehmen aber keine weiteren Moves zu starten. Dies ging auch die ersten vier bis fünf Stunden ganz gut. Spulen wir also etwas vor.

Gegen 2 oder 3 erscheint eine alte Bekannte von mir mit ihrem Boyfriend. Ich quatsche mich leider ziemlich fest und verwerfe meinen Plan in den Club zu gehen. Bis dahin konnte ich Bambi auch noch ganz gut ausblenden. Als ich aufstehe und an die Bar gehe um mir ein neues Bier zu holen grinst mich besagtes Reh aber auch schon an.

BAMBI: Hallo Elia.

I: Äh. Hallo... Bambi.

BAMBI: Hier. Das geht auf mich. Ich lad dich jetzt mal auf ein Bier ein.

I: Äh. Danke.

BAMBI: Hey! Schau mich jetzt nicht so an als würde ich mich dadurch irgendwie verdächtig machen, ok!

I: Alles klar. Prost.

Ich gehe zurück zu meinen Bekannten. Der Abend wird lang und die Diskussionen heftiger (es sind Schauspieler anwesend). Als meine Freunde sich nach einigen Stunden verabschieden lungert Bambi bereits neben uns in einer Ecke herum und ist sichtlich gelangweilt. Ich kann nicht widerstehen. Bambi ist auffallend gut gelaunt. Sie zeigt mir Bilder, die sie dabei hat und erzählt Erbsen-Witze. Die Seite mit den Erbsen-Witzen kannte ich an ihr noch gar nicht. Nach kurzer Zeit schließt die Bar auch schon und Bambi fragt mich, ob wir in Club2 oder ClubX gehen sollten. Ich entscheide mich für Club2 und eine halbe Stunde später laufen wir mit einigen anderen Gestrandeten dort ein. Bambi entdeckt erstmal einen Bekannten und ich beschäftige mich mit einem nur noch halb ansprechbaren, blonden, norwegischen Feenwesen an den Bar. Nach einer halben Stunde lallender Ansprache zum Thema Wälder steht Bambi plötzlich vor mir und streckt mir ihre Hand entgegen.

BAMBI: Komm! Wir gehen in den anderen Raum.

Ich kann mich nicht wehren und folge brav. Bambi will sich mit mir an einen Tisch setzen. Sie erzählt mir wirre Geschichten über Nietzsche und ihren Frauenarzt, zwei Themenbereiche die wahrscheinlich nur sie in einem Atemzug abhandeln kann, und ich starre sie verzaubert an. Als sich ein deutlich betrunkener junger Mann inklusive seines Migrationshintergrunds zu uns an den Tisch gesellen möchte, erklärt ihm Bambi kurz und knackig, dass er sich jetzt zu verpissen habe, da sie ihn sonst vom Türsteher auf die Straße setzen lassen würde. Ich bin hin und weg. Draussen wird es langsam hell und unsere Gespräche werden deutlich alkoholgetränkter. Irgendwann beginnt Bambi sich einen riesigen Joint zu drehen. Sie bietet ihn mir an aber ich lehne dankend ab. Ich erinnere mich unwillkürlich an das letzte Mal, das ich ihr beim Kiffen zugesehen habe und auch an das lautstarke Ende. Langsam bekomme ich eine böse Vorahnung.

Nach dem Joint will mich Bambi unbedingt auf einen Wodka an der Bar einladen. Wir bestellen eine Runde Wodka zusammen mit einem gemeinsamen Bekannten und die Barfrau kommentiert das ganze mit einer gar zauberhaften Prise Berliner Charme, wie man ihn nur morgens um 8 in ausgewählten Tanzlokalen der Hauptstadt finden kann.

BARFRAU: Du bist echt ekelhaft.

Ich drehe mich instinktiv um, da ich davon ausgehe, dass wohl jemand hinter mir steht, der offensichtlich ziemlich ekelhaft ist. Leider ist da niemand in ansprechbarer Entfernung.

I: Hast du gerade gesagt, ich sei „ekelhaft“?

Alle drei starren wir, mit mehr oder weniger weit geöffneten Augen, die kleine wütende Barfrau an.

BARFRAU: Ja. Hab ich. Bist du auch. Vorhin standest du noch mit der Blonden da hinten an der Bar und jetzt stehst du hier mit einem anderen Mädchen. Ekelhaft bist du.

Ich schaue etwas ungläubig in die Runde und mir fällt nicht wirklich etwas schlagfertiges dazu ein, als ich erkenne, dass Bambi gerade innerlich Anlauf nimmt. Wir stürzen alle unseren Wodka herunter und dann entfernen mein Bekannter und ich uns schnell von der Bar, an der hinter uns bereits ein lautstarkes Trommelfeuer an Beschimpfungen und Belehrungen quer über den Tresen hinweg abgefeuert wird, so dass man eigentlich schon geneigt ist an alle Umstehenden Helme zu verteilen.

Ich gehe auf Toilette, oder zumindest in die kleinen, dunklen, stinkenden und knöchelhoch gefluteten Räume, die man in diesem Etablissement so bezeichnet. Ich versuche im Halbdunkel meine Blase in grob die Richtung zu entleeren in der ich einen Abfluss oder Ähnliches vermute und taste mich dann vorsichtig gen Licht. Draussen steht Bambi bereits wieder neben der Tanzfläche und starrt geradeaus.

Was genau ich in dem folgenden Moment zu ihr gesagt habe, kann ich leider nicht mehr im Wortlaut rekapitulieren aber es bewegte sich sinngemäß wohl so zwischen „Na was ist jetzt eigentlich mit uns“, „Und? Wie geht das jetzt weiter?“ und „Na, dann ma Butter bei die Fische!“ jedenfalls drehte sich Bambi daraufhin zu mir und ich konnte gerade noch kurz das Rote in ihren wunderschönen Rehaugen sehen als es schon zu spät war. Sie fauchte mich derart heftig an, dass unser gemeinsamer Freund, um meine körperliche Unversehrtheit zu gewährleisten, reflexartig seinen Arm um das kleine Reh mit den ausgefahrenen Krallen legte. Doch auch er geriet damit sofort unter Beschuss. Ich wich knappe drei Meter zurück und konnte zwar noch den hilfesuchenden Ausdruck in seinem Blick erkennen, aber mir war klar, dass ich nichts mehr für ihn tun konnte und er sich, wie so viele vor ihm, wohl für eine höhere Sache zu opfern hatte.

Ich rettete mich schweißgebadet und ohne einen Kratzer im Gesicht an die Bar, wo ich einen weiteren alten Bekannten traf, mit dem ich, während im Hintergrund die letzten Fetzen Haut und Kleidung aus Richtung der Tanzfläche gegen die Wände flogen, ein Bier auf mein neues Leben trank und erkannte wie knapp ich gerade dem Tod von der Schippe gesprungen war. Ich blieb die übrige Zeit mit einem Tarnnetz über dem Kopf am Tresen sitzen, bis wir zu den letzten hartnäckigen Zehn gehörten, das Licht anging und wir nach Draussen komplimentiert wurden. Mit meinem Bekannten schleppte ich mich über die Straße, wo wir uns vor den grausamen Sonnenstrahlen in eine Bäckerei flüchteten.

Wir saßen mit Croissant und Espresso am Tresen an der Glasfront als ich auf der anderen Seite der Kreuzung das kleine, schwarze Reh mit einer Tüte Schrippen an der Ampel stehen sah. Ich stand völlig ferngesteuert und kommentarlos auf und ging nach Draussen, blieb aber schon einen Meter nach der Tür stehen. Ich weiß nicht ob sie mich auch gesehen hatte. In meinem Kopf vergingen Minuten, wahrscheinlich waren es 3 Sekunden bis ich mich wieder fing und zurück zu meinem Veteranenfreund und meinem Espresso ging. Er erwähnte meinen kurzen, gefährlichen Ausflug mit keiner Silbe. Stattdessen tunkte er genüsslich sein Croissant in seinen Doppelten, blinzelte durch das dreckige Glas auf die Kreuzung hinaus und sagte monoton: „Diese Bar ist keine Bar. Das ist wie eine Sekte. Pass auf, dass du dich da nicht zu weit hineinziehen lässt.“

Die folgende Woche verhielt ich mich ruhig. Bambi und ihr Verhalten kamen mir krank bis albern vor. Ende der Woche schickte ich ihr aus einer Scheißegal-Stimmung heraus eine SMS. Ich müsse in ihrer Nachbarschaft ein Bild abholen, ob sie sich noch erinnere, warum wir uns in die Haare bekommen hätten und ob sie Lust auf einen Friedenskaffee hätte. Natürlich kam keine Antwort. Dann flog ich in den Heimaturlaub. K meldete sich, warum ich das Wochenende nicht in der Bar aufgetaucht sei und dass man mich dort vermisse.

Dieses Wochenende hat mich Berlin wieder. Obwohl über Ostern traditionell nicht viele Berliner unterwegs sind und die Clubs eher mit Touristen geflutet sein werden. Mal sehen, was die Stadt ausser Bambi und der Stammbar noch so zu bieten hat. Irgendetwas war da ja mal...

Elia

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